European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00152.18A.1024.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
In einem am 11. Mai 2017 vor dem Landesgericht Innsbruck abgeschlossenen Vergleich verpflichtete sich die Verpflichtete als dort Beklagte, in einen Kaufvertrag mit der Klägerin [= Betreibenden] über die in ihrem Alleineigentum stehenden 364/728-Miteigentumsanteile an der Liegenschaft EZ […], mit „dem ein“ [gemeint: denen] Wohnungseigentum an Wohnung Top 1 und Garage Top 5 untrennbar verbunden ist, zu einem Kaufpreis von gesamt 265.000 EUR und zu den Bedingungen des zwischen ihr und […] am 19. Oktober 2016 abgeschlossenen Kaufvertrags, der als Beilage dem Vergleich angeschlossen wird, einzuwilligen.
In diesem Titelverfahren war insbesondere strittig, ob der Betreibenden ein Vorkaufsrecht hinsichtlich der Miteigentumsanteile der Verpflichteten zukam.
Der mit Dritten abgeschlossene Kaufvertrag vom 19. Oktober 2016 (im Folgenden: Originalvertrag) sieht unter anderem vor, dass der Kaufpreis von 265.000 EUR bis spätestens 5. Dezember 2016 zu treuen Handen des Vertragsverfassers Notar Mag. Dr. J***** K***** auf ein näher bezeichnetes Anderkonto zu überweisen ist, und dass die Verkäuferin bei fristgerechter Bezahlung des Kaufpreises auf zwischenzeitliche Verzinsung und Wertsicherung verzichtet, für den Fall des Zahlungsverzugs jedoch 6 % Verzugszinsen p.a. vereinbart werden (Punkt IV).
Die Betreibende beantragte ihr – aufgrund dieses Vergleichs unter Vorlage eines (nur) von ihr am 7. Juli 2017 grundbuchsfähig unterfertigten Kaufvertrags(‑entwurfs) zwischen ihr und der Verpflichteten, einer Treuhandvereinbarung zwischen ihrem Rechtsvertreter und dem öffentlichen Notar Dr. P***** P*****, des Nachweises, den Kaufpreis von 265.000 EUR am 1. September 2017 bei diesem Notar erlegt zu haben, einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gemäß § 160 Abs 1 BAO und der nach § 32 Abs 2 lit c Z 2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes erforderlichen Nachweise beim Rechtserwerb bebauter Grundstücke – die Exekution gemäß § 350 EO, also die Einverleibung ihres Eigentumsrechts ob den Miteigentumsanteilen der Verpflichteten zu bewilligen. Die grundbuchsfähige Unterfertigung der Aufsandungserklärung durch die Verpflichtete, welche die Mitwirkung an der Verbücherung verweigere, werde durch den Titel ersetzt.
Gleichzeitig beantragte die Betreibende gemäß § 349 EO die zwangsweise Räumung (der Wohnungseigentumsobjekte), weil die Verpflichtete mit der Überlassung der Miteigentumsanteile säumig sei.
Das Erstgericht bewilligte die Exekution antragsgemäß. Wenn der Anspruch nicht nur auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet sei, sondern sich die nach dem Titel abzugebende Einwilligung des Verpflichteten auf die Einräumung oder Aufhebung bücherlicher Rechte beziehe, sei die Exekution nach § 350 EO zulässig. Der betreibende Gläubiger habe die Wahl zwischen § 367 EO und der Exekution nach § 350 EO, wenn der Verpflichtete nach dem Titel eine Verfügung über ein bücherliches Recht zu treffen habe; er könne demnach die bücherliche Eintragung entweder im Weg eines Grundbuchsgesuchs unter Berufung auf § 367 EO beantragen oder exekutiv gemäß § 350 EO erzwingen. Aufgrund des Titels habe die Verpflichtete eine Verfügung über ein bücherliches Recht zu treffen, weil die Einräumung des Eigentumsrechts einen „integrierenden Bestandteil“ des Vergleichs darstelle. Auch die Exekution nach § 349 (iVm § 350 Abs 6) EO sei zu bewilligen.
Das Rekursgericht wies den Exekutionsantrag über Rekurs der Verpflichteten ab, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Den Ausführungen der Rekurswerberin, wonach sich aus dem Vergleich kein Anspruch der Betreibenden ergebe, der auf Einräumung, Übertragung, Beschränkung oder Aufhebung eines bücherlichen Rechts iSd § 350 EO gerichtet sei, weil die Verpflichtung zur Einwilligung in einen Verpflichtungsvertrag nicht mit der Verpflichtung zur Vornahme einer in einem bereits bestehenden Verpflichtungsvertrag versprochenen Verfügung gleichzusetzen und der Vergleich deshalb zu unbestimmt sei, vermöge sich der Rekurssenat nicht gänzlich zu verschließen. Der Titel enthalte lediglich die Verpflichtung, eine Vertragsurkunde mit einem anderen Vertrag entsprechenden Bedingungen zu unterfertigen. Im Vergleich sei der zu unterfertigende Vertragstext jedoch nicht ausformuliert, auch die Bedingungen seien nicht angeführt. Dem Vergleich sei lediglich der mit Dritten abgeschlossene Vertrag angefügt. Der bloße Verweis auf diesen Vertrag mache den Titel bestenfalls bestimmbar, der tatsächlich abzuschließende Vertrag werde dadurch nicht ausreichend bestimmt iSd § 7 Abs 1 EO. Schon aus diesem Grund sei dem Rekurs Folge zu geben. Mit dem Wegfall der Exekution nach § 350 EO sei auch der Bewilligung der Räumungsexekution der Boden entzogen.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Betreibenden ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.
1. § 350 EO dient der exekutiven Durchsetzung von Ansprüchen auf Einräumung, Übertragung, Beschränkung oder Aufhebung eines bücherlichen Rechts (vgl RIS‑Justiz
RS0004555). Die Bewilligung der Exekution nach § 350 EO setzt deshalb einen Titel voraus, der dem Betreibenden einen solchen Anspruch verschafft.
2. Zur Bewilligung der Exekution nach § 350 EO bedarf es nicht einer formellen Aufsandungserklärung. Es genügt vielmehr, dass der Anspruch auf Übertragung des Eigentums durch den Exekutionstitel gedeckt ist (RIS‑Justiz RS0004496). Ein solcher Titel kann etwa die Verpflichtung des Beklagten enthalten, in die Einverleibung
des Eigentumsrechts an einer bestimmten Liegenschaft zu Gunsten des Betreibenden einzuwilligen (3 Ob 245/10s = RIS‑Justiz
RS0004496 [T3]),
dem Betreibenden
ein bestimmtes Grundstück schenkungsweise lastenfrei zu übergeben (3 Ob 155/13k) oder dem Kläger eine näher bezeichnete
Liegenschaft zu übergeben und in die Einverleibung des Eigentumsrechts des Klägers an dieser Liegenschaft Zug um Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises einzuwilligen (3 Ob 5/79 SZ 52/24).
3. Umgekehrt bildet auch ein Urteil, das den Verpflichteten zur Unterfertigung und Einwilligung in einen bestimmten, im Titel ausformulierten Kaufvertrag verpflichtet, nach § 367 Abs 1 EO eine zur Eigentumseinverleibung im Grundbuchsverfahren ausreichende öffentliche Urkunde iSd § 33 Abs 1 lit d GBG und gibt dem Berechtigten das Wahlrecht zwischen der Exekutionsführung nach § 350 EO und der Berufung auf den Titel im Grundbuchsansuchen (RIS‑Justiz
4. Im vorliegenden Fall enthält der den Exekutionstitel bildende gerichtliche Vergleich zwar weder eine explizite Verpflichtung, wonach die Verpflichtete der Betreibenden das Eigentumsrecht an ihren Liegenschaftsanteilen zu übertragen hätte, noch ist die Verpflichtete schuldig, einen im Titel ausformulierten Kaufvertrag (samt Aufsandungserklärung) zu unterfertigen. Dennoch kann der Titel entgegen der Ansicht des Rekursgerichts nur so verstanden werden, dass die Verpflichtete der Betreibenden das (Wohnungs‑)Eigentum an den Liegenschaftsanteilen (zu den Bedingungen laut Originalvertrag) zu übertragen hat. Die Abweisung des Exekutionsantrags wegen mangelnder Bestimmtheit des Titels war daher verfehlt.
5.1. Die Bewilligung einer Exekution nach § 350 EO aufgrund eines Zug-um-Zug-Titels ist vor Erbringung der Gegenleistung ausgeschlossen; diese muss nicht bloß behauptet, sondern durch eine dem § 7 Abs 2 EO entsprechende Urkunde nachgewiesen werden (RIS‑Justiz RS0000267). Die Exekution nach § 350 EO kann daher nur dann bewilligt werden, wenn die Betreibende insbesondere nachweist, den nach dem Titel geschuldeten Kaufpreis erlegt zu haben.
5.2. Die Betreibende hat zwar nachgewiesen, den im Titel genannten Kaufpreis von 265.000 EUR bei einem von ihr als Treuhänder bestellten Notar erlegt zu haben. Der Vergleich verweist allerdings – im Hinblick auf das Vorkaufsrecht der Betreibenden entsprechend § 1077 ABGB (vgl RIS‑Justiz
RS0020174) – ausdrücklich auf die Bestimmungen des Originalvertrags.
5.3. Dies hat, wie die Verpflichtete in ihrem Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung zutreffend aufgezeigt hat, zur Folge, dass die Betreibende insbesondere an die Person des dort vereinbarten Treuhänders und an die Verzugszinsenregelung gebunden ist und den Kaufpreis daher zuzüglich 6 % Zinsen seit 6. Dezember 2016 bei dem im Originalvertrag benannten Notar zu erlegen gehabt hätte.
6. Das Rekursgericht hat den Exekutionsantrag nach § 350 EO daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Infolge Abweisung dieses Antrags ist auch jenem nach § 349 (iVm § 350 Abs 6) EO die Grundlage entzogen.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.
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