Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben und das Berufungsurteil dahingehend abgeändert, dass das Ersturteil wieder hergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.487,62 EUR (darin 184,60 EUR USt und 380 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Auf Grund von Außerstreitstellungen und den von der zweiten Instanz nach Beweiswiederholung getroffenen und vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfenden, wesentlichen Feststellungen ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Die Parteien schlossen am 16. August 1991 - nach einer zweijährigen Lebensgemeinschaft - die (für die Klägerin 2. und für den Beklagten 1.) Ehe, der ein am 6. Februar 1992 geborener Sohn entstammt. Die eheliche Gemeinschaft ist seit dem 17. Oktober 2000 einvernehmlich mit dem Auszug des Beklagten aus der Ehewohnung (im Folgenden nur Heimtrennung) aufgelöst. Die Klägerin war vor der Ehe bis zum Beginn der Karenzzeit des gemeinsamen Sohnes 17 Jahre beim Amt der Vorarlberger Landesregierung beschäftigt, danach war sie Hausfrau. Der Beklagte ist beim Landesschulrat tätig.
Die Klägerin hatte immer ein sehr gutes Verhältnis zu ihrer Mutter und telefonierte mehrmals täglich mit ihr, obwohl diese nur etwa 20 Gehminuten von der Ehewohnung entfernt wohnt. Auch wenn die Klägerin bei ihren Schwiegereltern zu Besuch war, telefonierte sie von dort aus mindestens einmal mit ihrer Mutter. Diese häufigen, vom Beklagten als "Tagesberichte" bezeichneten Telefonanrufe waren immer wieder ein Streitpunkt zwischen den Parteien. Den Beklagten störte es, dass die Klägerin jede Kleinigkeit ihrer Mutter berichtete.
Die Klägerin war darauf bedacht, die Ehewohnung immer in einem sauberen Zustand zu halten. Der Beklagte musste sich während der Sommermonate öfters, weil die Klägerin nicht kochte, das Abendessen selbst zubereiten. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen der Eheleute, wenn der Herd durch die Kochtätigkeit des Beklagten schmutzig geworden war. Schließlich nahm der Beklagte das Abendessen meistens bei seinen Eltern ein. Die Klägerin erledigte einen Teil der Hausarbeit tagsüber, hatte jedoch die Angewohnheit, am Abend, wenn der Beklagte bereits nach Hause gekommen war, zu putzen, Staub zu saugen und zu wischen. Auch dies störte den Beklagten immer wieder, sodass es deshalb zwischen den Streitteilen zu Differenzen kam. Die Streitteile bekamen nur selten Besuch in ihrer Ehewohnung. Die Mutter der Klägerin war einige Male zu Besuch, jedoch nur über Einladung. Die Klägerin gab dem Beklagten auch zu verstehen, dass sie Besuche von Verwandten, Freunden oder Arbeitskollegen nicht wünsche. So kam es nur zweimal zu Besuchen von Arbeitskollegen. Das Verhalten der Klägerin führte auch dazu, dass sich Besucher in der Ehewohnung nicht wohl fühlen konnten.
Die Parteien machten einmal einen Schiurlaub im Montafon und einmal eine Woche Urlaub in der Steiermark. Einen Urlaub im Bregenzerwald und einen auf der "Jägeralpe" in Warth lehnte die Klägerin ab. Sie wollte vielmehr eine Flugreise unternehmen. Der Beklagte litt jedoch unter Flugangst und zog es deshalb vor, den Urlaub zu Hause zu verbringen. Die Klägerin akzeptierte die Flugangst und fand sich damit ab. In der Folge verbrachte sie zweimal gemeinsam mit ihrem Sohn und ihrer Mutter einen Badeurlaub ohne den Beklagten. Dass es zu keinen weiteren, gemeinsamen Urlauben kam, war für die Klägerin kein großes Problem, obwohl sie sich dies anfänglich anders gewünscht hatte. Als der Beklagte Anfang 1998 von einem Freund zu einem Schiurlaub nach Lech eingeladen wurde, gestand die Klägerin dem Beklagten diesen Urlaub nicht zu. Auf den Vorschlag des Beklagten, einen gemeinsamen Familienskiurlaub zu organisieren, ging die Klägerin nicht ein.
Im Sommer war die Klägerin fast täglich im Haus und im Garten ihrer Schwiegermutter zu Besuch. Am 9. August 2000 kam es dort zwischen ihr und einer Schwester ihres Ehegatten zu einer größeren Auseinandersetzung. Die Klägerin bezeichnete dabei ihre Schwägerin als "Schlampe", worauf ihr diese einen Schlag in den Nacken versetzte. Nach diesem Vorfall kam es zu keinen weiteren Besuchen der Klägerin bei ihrer Schwiegermutter mehr. Die Klägerin und ihre Schwägerin hatten bereits seit längerer Zeit ein gespanntes Verhältnis zueinander. Bei Auseinandersetzungen zwischen ihnen war der Beklagte nie dabei. Der Beklagte erklärte, nachdem er vom Vorfall vom 9. August 2000 erfahren hatte, er halte sich aus diesem Streit heraus, brachte jedoch der Klägerin gegenüber zum Ausdruck, dass ihn das schlechte Verhältnis zwischen ihr und seiner Schwester störe und sie sollten das "ausdiskutieren".
Die Klägerin benahm sich oft unbeherrscht und hielt sich mit Schimpfworten nicht zurück. So betitelte sie ihre Schwägerin einmal als "Rabenmutter", den Beklagten nannte sie einen "Saukopf" und "Alkoholiker" sowie "Sauhund und widerlichen Glatzkopf", letzteres allerdings erst nach der Heimtrennung. Bei einem Geburtstagsfest sprach die Klägerin über alle anwesenden Gäste als "Alkoholiker". Die Klägerin konnte schnell einmal unbeherrscht und aufbrausend reagieren, sodass sie mehrmals in Konflikte verwickelt wurde. So hatte sie mit zwei Nachbarinnen Streit, wobei der Beklagte einmal eingriff. Auch mit der Familie ihres Ehegatten kam es immer wieder zu Differenzen, wobei sich die Klägerin kurze Zeit später so gab, als ob überhaupt nichts gewesen wäre. Nach Auffassung des Beklagten war die Klägerin stets darauf bedacht, ihre Vorstellungen durchzusetzen; sie redete dabei intensiv auf den Beklagten ein. Bereits vor der Eheschließung während der gemeinsamen Lebensgemeinschaft zeigte die Klägerin Auffälligkeiten im Sinn eines hysterischen Verhaltens. Die Klägerin konnte wegen Kleinigkeiten ausrasten und dabei an den Beklagten bohrende Fragen richten. Dieses Verhalten verstärkte sich nach der Eheschließung und nach der Geburt des Kindes im Lauf der Ehejahre und führte dazu, dass sich der Beklagte innerlich von ihr abwandte, ohne indes seine im Lauf der Jahre geänderte Einstellung ihr gegenüber klar zu erkennen zu geben; er fand sich mit dem Verhalten der Klägerin ab und suchte vermehrt außerhäusliche Betätigungen.
Bereits vor der Eheschließung ging der Beklagte jeden Freitag Abend zum Fußballtraining und anschließend mit Freunden zum Stammtisch. In den letzten Ehejahren kam er immer später in der Nacht nach Hause. So kam es oft vor, dass er erst Samstag früh gegen 06.00 Uhr morgens stark alkoholisiert heimkehrte. Ab dem Jahr 1996 war er auch Mittwoch Abend fort. Er nahm an einem Wasserballtraining teil und kam auch danach öfters erst nach Mitternacht nach Hause. Dieses Freizeitverhalten war für die Klägerin ein Problem. Sie ersuchte den Beklagten, sich zu ändern und vermehrt die Freizeit zu Hause bei der Familie zu verbringen. Wenn der Beklagte am Freitag spät nach Hause kam, war er am nächsten Tag müde. Trotzdem kümmerte er sich um seinen Sohn, während die Klägerin von Samstag Mittag bis zum Abend die Sauna besuchte. Nachdem der Beklagte sein Verhalten (spätes Heimkommen am Mittwoch und Freitag) über Ersuchen der Klägerin nicht verändert hatte, fand sich die Klägerin im Laufe der Zeit damit ab. Die sexuelle Beziehung der Eheleute war für den Beklagten "nicht immer befriedigend". Was letztlich die Gründe hiefür waren und ob die Klägerin den Beklagten wegen dessen Verhaltens mit "Sexentzug bestrafte", war nicht feststellbar. Bis etwa zum 6. Lebensjahr des Kindes musste die Klägerin bei dessen Ins-Bett-bringen mehrere Stunden beim Kind bleiben und kehrte erst gegen 22.00-23.00 Uhr ins Ehebett zurück. Bereits kurz nach Mitternacht stand das Kind wieder im elterlichen Schlafzimmer. Daraufhin begab sich die Klägerin mit dem Kind ins Kinderzimmer und verbrachte die Nacht dort. Ungefähr ab dem 6. Lebensjahr des Kindes bis zum Auszug des Beklagten aus der Ehewohnung kam das Kind gleichfalls ins elterliche Schlafzimmer, wobei die Klägerin aber nicht mehr aufstand, sondern sich das Kind zu seinen Eltern ins Bett legte. Dieses Verhalten störte vor allem den Beklagten. Abhilfe konnte aber weder er noch die Klägerin schaffen. Ende Juli 2000 verbrachten die Streitteile eine gemeinsame Woche ohne Kind. Insbesonders der Beklagte war gegenüber seiner Frau nett und fand für sie schöne Worte. So sagte er ihr etwa, er liebe sie mehr, als sie selber glaube. Im August 2000 machte die Klägerin mit ihrem Sohn und ihrer Mutter eine Woche Urlaub in Tunesien. Der Beklagte war damit einverstanden und brachte sie zum Flughafen. Er holte sie dort auch wieder ab; außerdem ging er mit der Klägerin und ihren Eltern nach dem Urlaub gemeinsam essen. In weiterer Folge wurde der Beklagte aber immer schweigsamer. Die Klägerin stellte bei ihm eine Wesensveränderung fest. Auf ihre bohrenden Fragen gab er schließlich zu, er habe eine Frau zum "Reden" kennengelernt und habe mit ihr eine "super Gesprächsbasis". Schließlich gestand er auch ein, dass es jemanden "zum Knutschen" gebe, ohne zu sagen, um wen es sich dabei handle. Der Beklagte kannte Doris G***** schon seit längerer Zeit als Kunde einer Buchhandlung und traf sich mit ihr drei- bis viermal vor der Heimtrennung. Zumindest einmal schmusten die beiden miteinander. Ob es vor der Heimtrennung zu weiteren Intimitäten gekommen war, ist nicht feststellbar. Nachdem die Klägerin von diesem "Verhältnis" Kenntnis erlangt hatte, gestand ihr der Beklagte, für Doris G***** ganz andere Gefühle zu hegen als für die Klägerin. Die Klägerin wurde von der Wesensänderung des Beklagten überrascht und reagierte darauf sehr emotional.
Die Klägerin ersuchte den Beklagten, mit ihr eine Eheberatung aufzusuchen. Der Beklagte lehnte dies mit der Begründung ab, eine Ehetherapie sei zu spät.
Kurze Zeit vor dem 1. Oktober 2000 kam es zwischen den Parteien letztmals zu einer geschlechtlichen Begegnung. Für den Beklagten war dieser Geschlechtsverkehr nur noch "Sex". Auf Wunsch der Klägerin zog der Beklagte am 1. Oktober 2000 aus dem ehelichen Schlafzimmer aus und nächtigte seitdem im Kinderzimmer. Seit dem 7. Oktober 2000 hat die Klägerin für den Beklagten weder gekocht noch seine Wäsche gewaschen noch sonst für ihn irgendeine Hausarbeit erledigt. Schließlich zog der Beklagte am 17. Oktober 2000 im Einvernehmen mit der Klägerin aus der Ehewohnung aus. Ob der Beklagte im Herbst 2000 auch dann, wenn er Doris G***** nicht kennengelernt hätte, aus der Ehewohnung ausgezogen wäre oder etwa die Scheidungsklage eingebracht hätte, ist nicht feststellbar.
Auch noch nach der Heimtrennung kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen, in deren Verlauf die Klägerin den Beklagten beschimpfte und ihm auch einmal ins Gesicht spuckte. Seit Dezember 2000 besteht zwischen dem Beklagten und Doris G***** eine freundschaftliche und auch geschlechtliche Beziehung. Der Beklagte hatte spätestens zu jenem Zeitpunkt, als er Doris G***** kennenlernte, jeglichen Ehewillen verloren. Für die Klägerin war die Ehe unheilbar zerrüttet, als sie erkennen konnte, dass sich der Beklagte einer anderen Frau zugewandt hatte und nicht mehr gewillt war, die Ehe mit ihr fortzusetzen.
Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten, der durch sein Verhalten die Ehe unheilbar zerrüttet habe.
Der Beklagte trat dem Scheidungsbegehren nicht entgegen, beantragte jedoch, die Ehe aus zumindest gleichteiligem Verschulden zu scheiden. Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus deren gleichteiligen Verschulden an der Zerrüttung.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahingehend ab, dass es die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten schied. Eine Berücksichtigung des gesamten Verhaltens und Gegenüberstellung der Verfehlungen beider Parteien zeige, dass das Verschulden des Beklagten deutlich und offenkundig überwiege. Das Freizeitverhalten des Beklagten sei als Eheverfehlung zu qualifizieren. Wie er selbst dargestellt habe, habe er im Lauf der letzten Jahre zunehmend an Ehewillen verloren, resigniert und den Ausgleich in außerhäuslichen Betätigungen gesucht, ohne sich entsprechend um die Belebung der ehelichen Beziehung bemüht zu haben. Vor allem habe er den entscheidenden Schritt zur Beendigung der Ehe dadurch gesetzt, dass er eine Beziehung zu einer anderen Frau eingegangen und nicht bereit gewesen sei, die von der Klägerin vorgeschlagene Ehetherapie in Anspruch zu nehmen.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Beklagten, der die zweitinstanzliche Entscheidung nur insoweit bekämpft, als die Ehe aus seinem überwiegenden Verschulden geschieden wurde und die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung anstrebt, ist zulässig und berechtigt.
Bei Scheidung wegen Verschuldens (§ 49 EheG) ist gemäß § 60 Abs 3 erster Satz EheG auch ohne Erhebung einer Widerklage auf Antrag des Beklagten die Mitschuld des Klägers auszusprechen, wenn die Ehe wegen einer Verfehlung des Beklagten geschieden wird und dieser zur Zeit der Erhebung der Klage oder später auf Scheidung wegen Verschuldens hätte klagen können. Um beiderseitige Eheverfehlungen richtig beurteilen zu können, müssen sie in ihrem Zusammenhang gesehen werden, wobei es nicht nur auf den Grad der Verwerflichkeit der einzelnen Ehewidrigkeiten ankommt, sondern darauf, wieweit sie einander bedingten und welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe hatten (RIS-Justiz RS0057223). Zu beachten ist auch, dass bei der Verschuldensabwägung maßgebend ist, wer den ersten Anlass zur Zerrüttung gegeben hat und wodurch sie in erster Linie zu einer unheilbaren wurde (RIS-Justiz RS0057361). Bei Zumessung der Verschuldensanteile muss schließlich berücksichtigt werden, dass spätere schwere Eheverfehlungen eines Ehegatten nur eine Folge der bereits durch Verschulden des anderen Teils eingetretenen Zerrüttung sein können, und frühere Vorkommnisse ungeachtet ihres geringen Schuldgehalts für die Entwicklung der Ehe bedeutsamer sein können, als nachfolgende, an sich schwerer wiegende Eheverfehlungen (RIS-Justiz RS0057416).
Nach nunmehr überwiegender und vom erkennenden Senat gebilligter Rsp des Obersten Gerichtshofs können Eheverfehlungen nach eingetretener Ehezerrüttung berücksichtigt werden, wenn eine weitere Vertiefung der Zerrüttung nicht ausgeschlossen war und der andere Teil das Verhalten des Ehegatten noch als Ehezerrüttung empfinden konnte (3 Ob 149/01k mwN). Jedenfalls sollen nach der Entscheidung EFSlg 69.223 die Ehegatten auch bei Erreichen eines gewissen Zerrüttungsgrads der Ehe weiterhin zur anständigen Begegnung und auch zu ehelichen Treue verpflichtet sein. Eheverfehlungen nach dem völligen Erlöschen der ehelichen Gesinnung sind nicht mehr zu berücksichtigen, wenn eine Vertiefung der Zerrüttung unmöglich ist (3 Ob 149/01k mwN). Von diesen Grundsätzen der Rsp ist auch hier auszugehen. Während die Wertung, ob die wesentliche Grundlage für die Fortführung der Ehe bei einem Teil subjektiv zu bestehen aufgehört hat, dem irrevisiblen Tatsachenkomplex zuzurechnen ist (8 Ob 2119/96t = SZ 70/19), stellt die Frage, ob die Ehe objektiv unheilbar zerrüttet ist, eine auf Grund der Feststellungen zu entscheidende Rechtsfrage dar (1 Ob 45/02b mwN uva; RIS-Justiz RS0043432). Unheilbare Ehezerrüttung iSd § 49 EheG ist dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört haben (stRsp, 1 Ob 45/02b u.v.a.; RIS-Justiz RS0056832). Die Frage, wann die unheilbare Zerrüttung der Ehe eintrat, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Im vorliegenden Fall liegt doch eine im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung der zweiten Instanz vor: Denn sie begründet das überwiegende Verschulden des Beklagten im Wesentlichen einerseits damit, dass er durch das Eingehen einer Beziehung zu einer anderen Frau den entscheidenden Schritt zur Beendigung der Ehe gesetzt habe, wobei die Aufnahme einer geschlechtlichen Beziehung zu einer anderen Frau erst im Dezember 2000, daher nach dem Zeitpunkt der Zerrüttung der Ehe im Herbst 2000, festgestellt wurde. Andererseits wertete das Berufungsgericht die Weigerung des Beklagten, an einer Eheberatung und/oder Partnertherapie teilzunehmen, als schwerwiegend und kommt damit zu einem überwiegenden Verschulden des Beklagten. Eine solche Weigerung kann zwar im Einzelfall an sich eine schwere Eheverfehlung darstellen (7 Ob 4/00i), kann aber hier aus folgenden Erwägungen keine maßgebliche schwere Eheverfehlung darstellen:
Denn die Kläger behauptete selbst, dass sich der Beklagte im August 2000 von ihr abgewendet habe (Klage AS 2). In dieses Bild passe, dass der Beklagte etwa nicht bereit gewesen sei, die von ihr vorgeschlagene Eheberatung in Anspruch zu nehmen. Nach der Parteiaussage der Klägerin (ON 8 AS 41) habe sie dem Beklagten eine Eheberatung vorgeschlagen, nachdem er ihr von der anderen Frau erzählt habe und nach ihrem letzten geschlechtlichen Zusammensein. Der Vorschlag kann daher zeitlich nur im Oktober 2000 erfolgt sein, somit zu einem Zeitpunkt, als die Ehe bereits unheilbar zerrüttet war. Der Kläger sagte dazu aus (ON 8 AS 57), für ihn sei sie nicht mehr in Frage gekommen, weil er sich gesagt habe, mit der Klägerin nicht mehr zusammenleben zu können, dies insbesondere seit dem Streit mit seiner Schwester (9. August 2000). Dies sei der Endpunkt gewesen, weil er gewusst habe, mit der Klägerin nie konfliktfrei eine Ehe führen zu können. Wenn aber die Weigerung des Beklagten, an einer von der Klägerin vorgeschlagenen Eheberatung und/oder Partnertherapie teilzunehmen, zeitlich erst nach der völligen Zerrüttung der Ehe vorlag, kann dies beim festgestellten Sachverhalt und somit bei Berücksichtigung des gesamten beiderseitigen Verhaltens nicht als ein das überwiegende Verschulden des Beklagten begründender Umstand angesehen werden.
Der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens eines der Ehepartner iSd § 60 Abs 3 EheG ist nur dann gerechtfertigt, wenn das mindere Verschulden des anderen Teils im Rahmen des maßgeblichen Gesamtverhaltens beider Ehegatten in seinem Zusammenhang fast völlig in den Hintergrund tritt (7 Ob 4/00i mwN u.v.a.). Da ausgehend von den dargestellten Überlegungen und den festgestellten beiderseitigen Eheverfehlungen ein eklatanter Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile an der Zerrüttung der Ehe nicht zu erkennen ist, muss das Ersturteil wieder hergestellt werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Pauschalgebühren betragen gemäß TP 3 Anm 6 GGG 380 EUR.
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