Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Begründung
Die Betreibende beantragte zur Hereinbringung eines Teilbetrags von 70.000 EUR sA aufgrund mehrerer, näher bezeichneter (Kosten‑)Titel des Landesgerichts Klagenfurt und des Bezirksgerichts Klagenfurt, womit die Verpflichteten insgesamt zur Zahlung von 125.895,77 EUR verpflichtet wurden, die Bewilligung der Forderungsexekution gemäß § 294 EO.
Die Verpflichteten seien bei der Drittschuldnerin rechtsschutzversichert. Die Pfändung beziehe sich auf aus Kostendeckungszusagen resultierende Geld‑ bzw Deckungsansprüche, die den Verpflichteten aus mit der Drittschuldnerin geschlossenen Rechtsschutzversicherungs‑ verträgen zur Polizze Nr ***** oder zu anderen Polizzen zustünden. Aufgrund der bestehenden Rechtsschutzdeckung hätten die Verpflichteten aufgrund einer Deckungszusage Zahlung geleistet. Die Drittschuldnerin habe beiden Verpflichteten aufgrund der Versicherungsverträge Rechtsschutzdeckung in den genannten, beim Bezirksgericht Klagenfurt anhängigen Verfahren gewährt. Sie habe in mehreren Schadensfällen die Übernahme der Kosten bis zur Höhe der jeweiligen Versicherungssumme zugesagt.
Es werde daher die Pfändung aller noch unverbrauchten Versicherungssummen begehrt. Der Drittschuldnerin möge verboten werden, die unverbrauchten Versicherungssummen an wen auch immer außer an den Rechtsvertreter der Betreibenden abzuführen/auszuzahlen. Der Drittschuldnerin sei somit auch für den Fall einer Deckungszusage gegenüber einem Rechtsfreund der Verpflichteten verboten, an diesen Zahlungen oder Kostenvorschüsse, aus welchem Rechtsgrund auch immer, zu leisten.
In Feldgruppe 10 des Antrags bezeichnete die Betreibende unter Angabe der Aktenzahlen jene zwischen den Streitteilen noch anhängigen Streitverfahren, für die die Drittschuldnerin Kostendeckung zugesagt habe.
Die Betreibende erklärte, aus Kostengründen vorläufig bloß Teilexekution über 70.000 EUR zu beantragen. Eine Zuordnung des in Teilexekekution gezogenen Betrags zu den einzelnen Titeln nahm die Betreibende nicht vor.
Das Erstgericht bewilligte die Forderungsexekution und erließ gegenüber der Drittschuldnerin das beantragte Zahlungsverbot.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Verpflichteten und der Drittschuldnerin Folge, wies den Exekutionsantrag ab und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig.
Es vertrat rechtlich die Auffassung, dass der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen habe, dass auf den dem Schädiger (und Versicherungsnehmer) gegen den Haftpflichtversicherer zustehenden Befreiungsanspruch Forderungsexekution nach § 294 EO geführt werden könne und müsse, um die vom Versicherungsnehmer geschuldete Leistung zu erlangen. Die Pfändung bewirke die Umwandlung des Befreiungsanspruchs in einen Leistungsanspruch. Es sei kein Grund ersichtlich, die Pfändung von Befreiungsansprüchen des Versicherungsnehmers gegen den Haftpflichtversicherer anders zu behandeln als die Pfändung von Kostendeckungsansprüchen des Versicherungsnehmers gegen den Rechtsschutzversicherer.
Allerdings sei der Exekutionsantrag dennoch abzuweisen, weil es ihm an Schlüssigkeit mangle. Die Betreibende habe nämlich keine Behauptung dahin aufgestellt, dass die Drittschuldnerin in den den Exekutionstiteln zu Grunde liegenden Verfahren überhaupt Rechtsschutzdeckung gewährt habe. Ein Verbesserungsverfahren sei nach der Rechtsprechung dann nicht einzuleiten, wenn ein Exekutionsantrag zwar das gesetzlich vorgeschriebene Vorbringen enthalte, er aber unschlüssig sei.
Die Betreibende beantragt in ihrem gegen die Rekursentscheidung erhobenen Revisionsrekurs die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Exekutionsbewilligung; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Pfändbarkeit von Kostendeckungsansprüchen des Verpflichteten aus der Rechtsschutzversicherung nach § 294 EO fehlt.
Im ordentlichen Revisionsrekurs macht die Betreibende geltend, dass die vom Rekursgericht angenommene Unschlüssigkeit nicht vorliege. Die dem Exekutionsantrag zu Grunde liegenden Titelverfahren seien gerade nicht mit jenen Verfahren ident, auf die sich die zu pfändenden Kostendeckungsansprüche bezögen. Der Betreibenden sei schon bei Antragstellung bekannt gewesen, dass die Deckungszusagen in den Titelverfahren nicht von der Drittschuldnerin, sondern von einer anderen Versicherungsgesellschaft erteilt worden seien.
Bei den Forderungen der Verpflichteten handle es sich um zur Schuldbefreiung führende Geldansprüche, sodass die von der Drittschuldnerin geschuldeten Leistungen einen Vermögensbestandteil der Verpflichteten bildeten und damit pfändbar seien. Die Pfändung bewirke die Umwandlung des Befreiungsanspruchs in einen Leistungsanspruch. Für jedermann sei erkennbar, dass Gegenstand der in Exekution gezogenen Forderungen die unverbrauchten Versicherungssummen der im Exekutionsantrag näher angeführten, beim Bezirksgericht Klagenfurt anhängigen Verfahren seien, wozu die Titelverfahren gerade nicht gehörten.
Der Revisionsrekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.
1. Dem Drittschuldner steht Rekurslegitimation gegen die Exekutionsbewilligung (nur) zu, wenn ihn diese gesetzwidrig belastet, oder ihm ungerechtfertigte Aufträge erteilt werden oder die Bewilligung nicht dem Gesetz entspricht (RIS-Justiz RS0004201).
Das gegen die Drittschuldnerin verhängte Zahlungsverbot greift ‑ wie aufzuzeigen ist ‑ insofern in ihre Rechtsstellung ein, als ihr verboten wird, allenfalls auch berechtigte Ansprüche des Verpflichten aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag auf Tragung bestimmter Verfahrenskosten, die aus den in Feldgruppe 10 bezeichneten Verfahren resultieren, zu erfüllen.
Die Drittschuldnerin war daher zur Erhebung eines Rekurses gegen die erstgerichtliche Exekutionsbewilligung legitimiert.
2. Die Betreibende stellt in ihrem Revisionsrekurs zweierlei klar:
Zum einen bringt sie ‑ ihrem erstinstanzlichen Exekutionsantrag entsprechend ‑ vor, dass die im Exekutionsverfahren betriebenen (Kosten‑)Ansprüche in keinem Zusammenhang mit jenen Forderungen stehen, die Gegenstand ihres Pfändungsantrags sind.
Zum anderen verdeutlicht die Betreibende ihr Vorbringen im Exekutionsantrag dahin, dass sie nicht die Pfändung von unmittelbar den Verpflichteten gegenüber der Drittschuldnerin zustehenden Geldansprüchen beantragte, sondern aus Kostendeckungszusagen abgeleitete Kostendeckungsansprüche der Verpflichteten, bezogen auf weitere, zwischen den Streitteilen noch anhängige Verfahren.
3. Verfahrensentscheidend ist somit, ob Kostendeckungsansprüche der Verpflichteten gegen die Drittschuldnerin, gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen, nach § 294 EO pfändbar sind.
3.1 Bei der Rechtsschutzversicherung sorgt der Versicherer gemäß der Legaldefinition in § 158j Abs 1 VersVG für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers in den im Vertrag umschriebenen Bereichen und trägt die dem Versicherungsnehmer dabei entstehenden Kosten. Die Rechtsschutzversicherung ist passive Schadensversicherung (RIS‑Justiz RS0127808; 7 Ob 215/11k; Ettinger , Versicherungshandbuch [13. Lfg 2012] Rechtsschutzversicherung 1). Sie schützt den Versicherungsnehmer gegen das Entstehen von Verbindlichkeiten (7 Ob 215/11k).
3.2 Die Hauptleistungspflicht des Versicherers in der Rechtsschutzversicherung besteht in der Kostentragung (7 Ob 45/89; Schauer , Das österreichische Versicherungsvertragsrecht³ [1995] 448; T. Honsell in Wiener Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz [1999] Vorbem §§ 158 l bis 158 o Rz 6; Hartmann , Rechtsschutzversicherung [2012] 29).
3.3 Bei dem aus der Rechtsschutzversicherung resultierenden Anspruch handelt es sich somit um keinen Geldanspruch (7 Ob 34/00a). Nur wenn der Versicherungsnehmer seinen Kostengläubiger bereits selbst befriedigt hat, verwandelt sich sein ursprünglicher Freistellungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch gegen seinen Rechtsschutzversicherer ( Bauer in Harbauer , Rechtsschutzversicherung 8 [2010] § 17 ARB 2000 Rz 148 mwN; Geist in Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutz‑Versicherung [ARB 2007] [2008] Art 11 ARB 119).
Dieser Fall liegt nicht vor, weil die Betreibende in ihrem Revisionsrekurs selbst klarstellt, dass die Verpflichteten allfällige Kostenforderungen, die aus den in Feldgruppe 10 bezeichneten, noch anhängigen Verfahren resultieren könnten, nicht befriedigt haben. Der Exekutionantrag bezieht sich somit nicht auf Rückerstattungs‑(Geld‑)ansprüche der Verpflichteten gegen die Drittschuldnerin.
3.4 Ausgehend von seiner ‑ unrichtigen ‑ Annahme, dass sich der Exekutionsantrag auf die Befreiungsansprüche der Verpflichteten hinsichtlich jener Kostenforderungen der Betreibenden gründet, die ihr in den Titelverfahren zuerkannt wurden, nahm das Rekursgericht in sinngemäßer Anwendung der von der Rechtsprechung zur Haftpflichtversicherung vertretenen Grundsätze (RIS‑Justiz RS0041269; 3 Ob 148/78 SZ 51/157) an, dass die Betreibende als Kostengläubigerin den Befreiungsanspruch (Kostendeckungsanspruch) der Verpflichteten gegen die Rechtsschutzversicherung im Weg des § 294 EO in Exekution ziehen könne.
3.5 Ob sich der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers in der Rechtsschutzversicherung unter der Voraussetzung seiner Fälligkeit als Anspruch eigener Art in der Hand des Kostengläubigers in einen Zahlungsanspruch (Geldanspruch) verwandelt (so zur vergleichbaren deutschen Rechtslage Harbauer , Rechtsschutzversicherung 8 § 17 ARB 2000 Rz 149; Geist in ARB 2007 118 f) und gemäß § 294 EO gepfändet werden kann, oder ob für den Kostengläubiger nur eine Pfändung nach § 331 EO in Betracht käme, kann jedoch hier dahinstehen, weil die Betreibende gerade nicht Befreiungsansprüche aus den Titelverfahren in Exekution ziehen will.
3.6 Die Betreibende will vielmehr Befriedigung für die von ihr betriebenen, mit den behaupteten Befreiungsansprüchen der Verpflichteten in anderen Verfahren in keinem Zusammenhang stehenden Ansprüche durch Pfändung dieser Befreiungsansprüche erreichen.
3.6.1 Allerdings ist der Befreiungsanspruch dadurch gekennzeichnet, dass er den Versicherten von jener Verbindlichkeit befreien soll, die aus dem konkreten Fall resultiert, für den Rechtsschutzdeckung gewährt wird.
Den Verpflichteten als Versicherungsnehmer stünde daher auch bei Unterstellung der Richtigkeit der Behauptungen der Betreibenden nur der Anspruch zu, dass die Drittschuldnerin sie von Kostenverbindlichkeiten befreit, die aus den in Feldgruppe 10 genannten Verfahren resultieren. Ein Anspruch der Verpflichteten darauf, dass die Drittschuldnerin die nun betriebenen Ansprüche befriedigt, besteht somit schon nach dem eigenen Vorbringen der Betreibenden nicht, die zugesteht, dass die Drittschuldnerin hinsichtlich der betriebenen Ansprüche gerade keine Rechtsschutzdeckung gewährte.
3.6.2 Damit fehlt aber die Grundvoraussetzung für die Annahme einer „Umwandlung“ des Befreiungsanspruchs in eine Geldforderung, weil die Betreibende mit ihren betriebenen Forderungen hier gerade nicht Titelgläubigerin jener Kostenansprüche ist, auf die sich die gepfändeten Befreiungsansprüche beziehen. Ihre Rechtsstellung ist nicht anders zu beurteilen als die eines beliebigen Dritten, der Befreiungsansprüche aus der Rechtsschutzversicherung pfänden will, die mit seiner Titelforderung in keinem Zusammenhang stehen.
3.6.3 Auch die Aussage in der Rechtsprechung zur Haftpflichtversicherung, in der Hand des geschädigten Dritten verwandle sich der Befreiungsanspruch des Versicherten gegen seine Versicherung in einen Geldleistungsanspruch, bezieht sich nur auf den Fall, dass der Titel des geschädigten Dritten sich gerade auf jenes Ereignis gründet, für das Versicherungsdeckung gewährt wird (7 Ob 34/74 SZ 47/38; 3 Ob 148/87 SZ 51/157).
3.6.4 Eine Pfändung des behaupteten Befreiungsanspruchs aus mit den Titelverfahren nicht im Zusammenhang stehenden weiteren Verfahren wäre auch nach § 331 EO zwecklos: Die Betreibende könnte nur ermächtigt werden, die Rechte der Verpflichteten aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag geltend zu machen. Diese Rechte könnten aber nur darin bestehen, dass die Drittschuldnerin die Verpflichteten von Kostenforderungen im Zusammenhang mit den in Feldgruppe 10 bezeichneten Verfahren befreit. Eine Befriedigung der damit in keinem Zusammenhang stehenden betriebenen Ansprüche würde dadurch gerade nicht erreicht ( Bauer in Harbauer , Rechtsschutzversicherung 8 § 17 ARB 2000 Rz 147 mwN).
4. Zwar ist im Exekutionsbewilligungsverfahren der Bestand der gepfändeten Forderung grundsätzlich nicht zu prüfen (RIS-Justiz RS0000085; Oberhammer in Angst , EO² § 294 Rz 37 mwN).
Der Bewilligungsantrag ist aber abzuweisen, wenn schon aus dem Exekutionsantrag oder aus dem Akteninhalt das Nichtbestehen der Forderung hervorgeht (RIS-Justiz RS0084555; Oberhammer in Angst , EO² § 294 Rz 37). Die Zwecklosigkeit eines Vollstreckungsverfahrens ist nämlich von Amts wegen aufzugreifen (3 Ob 270/05k; 3 Ob 86/11k).
Dieser Fall liegt aus den dargelegten Gründen vor, weil den Verpflichteten die behauptete Geldforderung gegen die Drittschuldnerin schon nach den Behauptungen der Betreibenden zum maßgeblichen Zeitpunkt der Pfändung nicht zustand.
Die Betreibende beharrt auch in ihrem Revisionsrekurs noch auf dem Standpunkt, durch die Pfändung des Befreiungsanspruchs habe sich dieser in einen fälligen und unbedingten Geldanspruch der Verpflichteten gegen die Drittschuldnerin umgewandelt. Ob im Anlassfall die Pfändung einer bedingten Geldforderung (3 Ob 223/12h; Oberhammer in Angst , EO² § 294 Rz 2 mwN) in Betracht gekommen wäre, bedarf daher keiner Prüfung: Die Betreibende hat ‑ wie sich aus ihrem Vorbringen, insbesondere aber aus der Formulierung des von ihr beantragten Zahlungsverbots ergibt ‑ erkennbar kein Interesse an der Pfändung einer Forderung, die nur unter der Bedingung entstehen könnte, dass die Verpflichteten ihrerseits ihre Kostengläubiger der in Feldgruppe 10 des Exekutionsantrags bezeichneten Verfahren befriedigen.
Schon aus diesem Grund ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO iVm § 78 EO.
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