OGH 3Ob123/18m

OGH3Ob123/18m24.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers K*, gegen die Antragsgegnerin mj A*, geboren am * 2005, wohnhaft bei der Mutter S*, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie – Rechtsvertretung *, wegen Einwendungen gegen den Unterhaltsanspruch (§ 35 EO), über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26. Februar 2018, GZ 42 R 424/17i, 42 R 78/18h‑20, mit dem der Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 8. September 2017, GZ 36 Fam 10/17w‑12, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123414

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Antragsteller ist der Vater der Antragsgegnerin. Er wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 28. Februar 2008 zu einer Unterhaltszahlung von 230 EUR monatlich verpflichtet. Die minderjährige Antragsgegnerin war damals im Pflegschaftsverfahren aufgrund der von ihrer Mutter erteilten Zustimmung vom Amt für Jugend und Familie (AJF) vertreten. Am 3. April 2009 teilte das AJF dem Erstgericht den Widerruf dieser Ermächtigung mit.

Mit Beschluss vom 29. August 2016 bewilligte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien der Antragsgegnerin zu 63 E 3374/16y die Exekution zur Hereinbringung von Rückständen aus der genannten Unterhaltsverpflichtung sowie des laufenden monatlichen Unterhalts. In diesem Exekutionsverfahren war/ist die Antragsgegnerin durch das AJF als Kinder- und Jugendhilfeträger (KJHT) vertreten, wovon das Erstgericht bis zum 10. Oktober 2017 keine Kenntnis hatte.

Am 11. Juli 2017 erhob der Antragsteller beim Erstgericht Einwendungen gegen die beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien gegen ihn geführte Unterhaltsexekution und beantragte, den exekutiv betriebenen Unterhaltsanspruch ab 1. September 2017 mit einem Teilbetrag von 160 EUR für erloschen zu erklären, weil er momentan nur Notstandshilfe von ca 820 EUR monatlich erhalte.

Dieser Antrag wurde der Mutter der Antragsgegnerin samt Belehrung gemäß § 17 AußStrG mit dem Auftrag zugestellt, sich binnen 14 Tagen dazu zu äußern. Die Frist zur Abholung dieser Sendung begann am 25. Juli 2017 und die Sendung wurde ihr am 9. August 2017 ausgefolgt. Eine Äußerung wurde nicht erstattet.

Das Erstgericht sprach mit Beschluss vom 8. September 2017 aus, dass der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin ab 1. September 2017 mit einem Teilbetrag von 160 EUR erloschen sei.

Dieser Beschluss wurde der Mutter der Antragsgegnerin am 15. September 2017 zugestellt.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2017 (eingebracht am 12. Oktober 2017) beantragte der KJHT als Vertreter der Antragsgegnerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Abgabe einer Stellungnahme zum (Oppositions-)Antrag des Vaters. Da die Mutter der Antragsgegnerin diese im Exekutionsverfahren nicht vertrete, sei eine Zustellung an sie unerheblich.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit Beschluss vom 17. Oktober 2017 mit folgender Begründung ab: Das AJF habe im Unterhaltsverfahren einen Widerruf der Vollmacht mitgeteilt, eine neue Vollmacht sei nicht bekannt gegeben worden. Außerdem sei der Mutter (im Sinn einer nicht bloß entschuldbaren Fehlleistung) anzulasten, dass sie die Aufforderung zur Äußerung ignoriert und sich nicht mit dem AJF in Verbindung gesetzt habe.

Am 27. Oktober 2017 brachte der KJHT Rekurse gegen die Beschlüsse des Erstgerichts vom 8. September und 17. Oktober 2017 (Herabsetzung der Unterhaltspflicht des Antragstellers bzw Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags) ein.

Das Rekursgericht wies den Rekurs gegen den Beschluss vom 8. September 2017 als verspätet zurück, jenem gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags gab es nicht Folge.

Eine im Exekutionsverfahren erteilte Vollmacht erstrecke sich nicht auf das in der Folge dagegen (vom Gegner) eingeleitete Oppositionsverfahren. Hier habe die Mutter im Unterhaltsverfahren die Zustimmung zur Vertretung ihres Kindes durch den Jugendwohlfahrtsträger widerrufen. Daher bestehe zumindest insoweit kein Zweifel an der Beschränkung der in einem Verfahren erteilten Vollmacht auf diesen Gerichtsakt und diese könne sich nicht auf ein Verfahren erstrecken, das bei einem anderen Gericht anhängig sei. Ausgehend von der gesetzmäßigen Zustellung an die Mutter der Antragsgegnerin sei der Rekurs verspätet. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei schon deshalb nicht berechtigt, weil darin nur eine unwirksame Zustellung (und damit kein Grund für eine Wiedereinsetzung) behauptet worden sei.

Der ordentliche Revisionsrekurs gegen die Zurückweisung des Rekurses sei zulässig, weil zur Frage, ob sich die gemäß § 208 Abs 2 ABGB erteilte Zustimmung zur Vertretung eines minderjährigen Kindes in einem Exekutionsverfahren auch auf ein in der Folge dagegen eingeleitetes Oppositionsverfahren erstrecke, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen die Zurückweisung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin, vertreten durch das AJF als KJHT, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Zustellung des Oppositionsantrags an den KJHT „als Vertreter in Unterhaltssachen“ zu verfügen.

Rechtliche Beurteilung

Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage unzulässig, weil sich die zur Begründung der Zulassung des Rechtsmittels angeführte Frage im Anlassfall nicht stellt.

1. Gemäß § 208 Abs 2 ABGB ist – in den dort genannten Angelegenheiten – der KJHT Vertreter des Kindes, wenn die schriftliche Zustimmung des sonstigen gesetzlichen Vertreters vorliegt. Die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ist die rechtsgeschäftliche Übertragung des Teils der gesetzlichen Vertretung, die sich auf die Festsetzung oder Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes sowie auf Abstammungsangelegenheiten bezieht (Hopf in KBB5 § 208 Rz 2 mwN; Cohen/Tschugguel in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 208 Rz 3 mwN).

Im Umfang der dem KJHT übertragenen Vertretung besteht jedoch, weil dadurch gemäß § 208 Abs 4 Satz 1 ABGB „die Vertretungsbefugnis des sonstigen gesetzlichen Vertreters nicht eingeschränkt wird“, konkurrierende Vertretungsbefugnis, wobei § 169 ABGB sinngemäß anzuwenden ist und daher das Zuvorkommen entscheidet. Je nachdem, wer die erste Verfahrenshandlung setzt, ist daher grundsätzlich bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den jeweiligen Antrag (oder eine Änderung durch eine Maßnahme des Pflegschaftsgerichts bzw im Einvernehmen der Vertreter) entweder nur der KJHT oder der (sonstige) gesetzliche Vertreter im jeweiligen Verfahren alleine vertretungsbefugt (vgl RIS‑Justiz RS0048110; RS0049097; Cohen/Tschugguel in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 208 Rz 5; Hopf in KBB5 § 208 Rz 3; Kathrein in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3, § 212 Rz 25 ff; Weitzenböck in Schwimann/Kodek, ABGB4 Ia § 208 Rz 7 mwN). Zur Vermeidung einander widersprechender Vertretungsakte wurde außerdem eine wechselseitige Informationspflicht der Vertreter (§ 208 Abs 4 Satz 2 ABGB) festgelegt; diese gilt sowohl für die Vertretung in zivilgerichtlichen Verfahren wie auch in anderen Angelegenheiten und umfasst auch andere für die Rechtsstellung des Minderjährigen relevante Akte oder Unterlassungen, wie zB die Entscheidung des Vertreters, von der Einbringung eines Rechtsmittels abzusehen oder eine materiell-rechtliche Frist verstreichen zu lassen; eine schuldhafte Verletzung dieser Verpflichtung kann zu Schadenersatzansprüchen des Minderjährigen führen (Kathrein in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3, § 212 Rz 30).

Diese Bestimmung, auf deren Anwendbarkeit sich die Argumentation des Revisionsrekurses stützt, regelt die Vertretungsbefugnis im Sinn einer Bevollmächtigung zur rechtswirksamen (gesetzlichen) Vertretung. Allein daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, wem ein neuer Antrag in einem Unterhaltsverfahren im konkreten Fall wirksam zuzustellen ist.

2. Hat eine Partei in einem Verfahren außer Streitsachen eine Verfahrensvollmacht erteilt, sind bis zu deren Kündigung oder Widerruf (vgl § 6 Abs 4 und § 24 Abs 1 AußStrG iVm § 36 ZPO) alle dieses Verfahren betreffenden Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten vorzunehmen (§ 24 Abs 1 AußStrG iVm § 93 Abs 1 ZPO). Eine dessen ungeachtet an die Partei selbst erfolgte Zustellung entfaltet hingegen keine Rechtswirkung (RIS‑Justiz RS0036252 [T5 und T6]; RS0006023; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, Außerstreitgesetz § 24 Rz 14; derselbe in Rechberger, ZPO4 § 93 ZPO Rz 6, je mwN).

3. Hier erteilte die Mutter der Antragsgegnerin zwar im Unterhaltsverfahren zunächst dem KJHT (damals AJF) „Vollmacht“ im Sinn des § 208 ABGB (§ 212 ABGB aF). Diese Zustimmung zur Vertretung hat sie aber im Jahr 2009 widerrufen, was dem Erstgericht am 3. April 2009 mitgeteilt wurde. Für das Erstgericht bestand daher kein Anlass, den im Jahr 2017 eingebrachten Antrag des Vaters auf Unterhaltsherabsetzung (in Form eines Oppositionsantrags) zur Äußerung an den KJHT als Vertreter des Kindes zuzustellen, weil nach der Aktenlage eine diesbezüglich aufrechte Bevollmächtigung/Zustimmung zur Vertretung nicht (mehr) gegeben und die neuerliche Erteilung einer solchen nicht bekanntgegeben worden war.

4. Die – nun für das Exekutionsverfahren erteilte – Zustimmung der Mutter zur Vertretung der Minderjährigen für das gegen den Vater (Antragsteller) im Jahr 2016 bei einem anderen Gericht eingeleitete Exekutionsverfahren hatte – nach dem klaren Wortlaut des § 208 Abs 4 Satz 1 ABGB – entgegen der Rechtsansicht des KJHT nicht zur Folge, dass die Zustellung an die Mutter als gesetzliche Vertreterin des Kindes unzulässig oder unwirksam („bedeutungslos“) gewesen wäre; vielmehr entsprach diese Zustellung des Antrags im Unterhaltsverfahren (ebenso wie jene des angefochtenen Beschlusses) der Aktenlage und dem (damaligen) Informationsstand des Erstgerichts (vgl den Aktenvermerk des Erstgerichts vom 10. Oktober 2017, ON 13).

5. Demgemäß stellt sich die Frage, ob sich eine gemäß § 208 Abs 2 ABGB erteilte Zustimmung (zur Vertretung der Minderjährigen durch den KJHT) im Exekutionsverfahren grundsätzlich auch auf ein später vom Verpflichteten eingeleitetes Oppositionsverfahren erstreckt, hier nicht: Waren doch die vom Erstgericht vorgenommenen Zustellungen an die Mutter der Minderjährigen als deren gesetzliche Vertreterin in der vorliegenden Konstellation jedenfalls zulässig und wirksam.

Da die Zurückweisung des Rekurses durch das Rekursgericht als bereits verspätet aus diesem Grund zutraf, ist keine Rechtsfrage von der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zu beantworten.

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