OGH 3Ob11/17i

OGH3Ob11/17i22.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** G*****, vertreten durch Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei ***** M*****, vertreten durch Mag. Dr. Alexandra Slama, Rechtsanwältin in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 20. Oktober 2016, GZ 4 R 259/16d‑65, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00011.17I.0222.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, das die Ehe der Streitteile schied und über Antrag der Beklagten gemäß § 60 Abs 3 EheG aussprach, dass den Kläger das überwiegende Verschulden trifft.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger zeigt in seiner außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Unheilbare Ehezerrüttung iSd § 49 EheG ist dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört haben (RIS‑Justiz RS0056832 [T1]). Die Frage, ob eine Ehe objektiv unheilbar zerrüttet ist, stellt eine auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen nach objektivem Maßstab zu beurteilende Rechtsfrage dar (RIS‑Justiz RS0043423 [T6]). Die Zerrüttung ist dann iSd § 49 EheG unheilbar, wenn die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden geistigen, seelischen und körperlichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten ist (RIS‑Justiz RS0056832 [T3]).

2. Das Berufungsgericht hat diese Rechtsfrage dahin beantwortet, dass im Oktober 2011 unheilbare Zerrüttung eingetreten ist. Es trifft nicht zu, dass es sich dabei über Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts hinweggesetzt hat: Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung vielmehr die vom Erstgericht festgestellten Tatsachen zugrundegelegt. Soweit es dabei allenfalls von der – im Übrigen nicht widerspruchsfreien – rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts abwich (welches einerseits ebenfalls von einer unheilbaren Zerrüttung im Oktober 2011 ausging, aber andererseits ausführte, die unheilbare Zerrüttung sei objektiv zu jenem Zeitpunkt [2013] eingetreten, zu dem die Beklagte von den heimlichen Tonaufnahmen des Klägers erfuhr), begründet dies keinen Mangel des Berufungsverfahrens.

3. Die Beurteilung, ob eine Ehe unheilbar zerrüttet ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die – von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen – keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwirft (RIS-Justiz RS0043423 [T8]). Eine solche, vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt nicht vor, weil zu berücksichtigen ist, dass der Kläger seit Ende des Jahres 2000 alle Intimitäten ablehnte, sich seit dem Jahr 2010 immer mehr zurückzog, Gespräche und gemeinsame Aktivitäten vermied und schließlich im Jahr 2011 nach den Feststellungen praktisch keine relevanten Kontakte zwischen den Streitteilen mehr stattfanden.

4. Davon ausgehend hat das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass es keiner weiteren Feststellungen (also auch nicht der vom Kläger beantragten Beweisaufnahmen) dazu bedarf, wie sich die Beklagte nach der unheilbaren Zerrüttung verhielt: Eheverfehlungen, die in den Zeitraum nach dem Eintritt der völligen Zerrüttung der Ehe fallen, spielen bei der Verschuldensabwägung keine entscheidende Rolle (RIS‑Justiz RS0057338).

5. Auch die Verschuldenszumessung bei der Scheidung erfolgt nach den Umständen des Einzelfalls und kann in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründen (RIS-Justiz RS0119414). Ein überwiegendes Verschulden ist auszusprechen, wenn der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt (RIS‑Justiz RS0057821), also das mindere Verschulden des einen Teils im Rahmen des maßgeblichen Gesamtverhaltens beider Ehegatten in seinem Zusammenhang fast völlig in den Hintergrund tritt (RIS‑Justiz RS0057858 [T8, T9, T11, T12]). Der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens ist angesichts der festgestellten Eheverfehlungen des Klägers jedenfalls vertretbar: Es war der Kläger, der sich ohne Grund von der Beklagten zurückzog, sie trotz ihrer Bitten nicht an seinen Aktivitäten beteiligte und schließlich regelmäßig Kontakte zu einer anderen Frau pflegte.

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