OGH 3Ob108/95

OGH3Ob108/9511.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Hofmann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei R*****, vertreten durch Dr.Manfred Buchmüller, Rechtsanwalt in Altenmarkt, wider die verpflichtete Partei Alexander L*****, vertreten durch Dr.Axel Zaglits, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 200.000,- sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 12.April 1995, 22 R 527/95-12, womit die Exekutionsbewilligung des Bezirksgerichtes Radstadt vom 20.Jänner 1995, 3 E 84/95y-1, und die Beschlüsse dieses Gerichtes je vom 21.Februar 1995, 3 E 84/95y-4 und 5, als nichtig aufgehoben wurden, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die betreibende Partei beantragte beim Erstgericht zur Hereinbringung der Forderung von S 200.000,- sA die Exekution durch Pfändung und Verkauf der Geschäftsanteile des Verpflichteten an einer näher bezeichneten Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Verpflichtete hat seinen allgemeinen Gerichtsstand im Sprengel des Erstgerichtes, die Gesellschaft ihren Sitz im Sprengel des Bezirksgerichtes Grieskirchen.

Das Erstgericht, das nicht Titelgericht ist, bewilligte die Pfändung in Form eines Bewilligungsvermerks gemäß § 112 Abs 1 Geo und behielt die Entscheidung über den Verwertungsantrag vor.

Das Rekursgericht sprach infolge Rekurses des Verpflichteten aus, daß das Erstgericht örtlich unzuständig ist, hob die Exekutionsbewilligung und zwei weitere vom Erstgericht gefaßte Beschlüsse als nichtig auf und überwies die Exekutionssache an das Bezirksgericht Grieskirchen. Es sprach ferner aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Bei der Exekution auf Gesellschaftsrechte sei gemäß § 18 Z 4 EO jenes Gericht Exekutionsgericht, in dem die Gesellschaft ihren Sitz habe. Die von dem somit unzuständigen Erstgericht gefällten Entscheidungen seien nichtig; der Exekutionsantrag sei gemäß § 44 JN dem zuständigen Gericht zu überweisen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei unzulässig, weil sich für eine Exekution auf Gesellschaftsrechte die örtliche Zuständigkeit "deutlich" aus dem Gesetz ergebe.

Rechtliche Beurteilung

Der von der betreibenden Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zwar zulässig, weil die gesetzliche Regelung nicht so eindeutig ist, daß nur eine Möglichkeit der Auslegung ernstlich in Betracht zu ziehen ist und Zweifel bei der Auslegung nicht entstehen können (vgl RZ 1994/45 ua), und weil nur eine ältere, überdies nicht veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vorhanden ist. Die neuerliche Prüfung der Frage durch den Obersten Gerichtshof ist daher zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung im Sinn des gemäß § 78 EO maßgebenden § 528 Abs 1 ZPO geboten.

Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Die Exekution auf den Geschäftsanteil an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist eine Exekution auf andere Vermögensrechte im Sinn der §§ 331 ff EO. Es handelt sich bei einem solchen Geschäftsanteil weder um eine unbewegliche Sache noch um eine Forderung, weshalb von den Tatbeständen, nach denen gemäß § 18 EO zu beurteilen ist, welches Gericht Exekutionsgericht und damit hier auch Bewilligungsgericht ist, nur jener der Z 4 in Betracht kommt. Nach dieser Bestimmung ist Exekutionsgericht dasjenige inländische Bezirksgericht, in dessen Sprengel sich bei Beginn des Exekutionsvollzuges die Sachen befinden, auf die Exekution geführt wird, oder in Ermangelung solcher Sachen das Bezirksgericht, in dessen Sprengel die erste Exekutionshandlung tatsächlich vorzunehmen ist. Zu prüfen ist daher zunächst, ob es sich bei einem Geschäftsanteil an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung um eine "Sache" im Sinn dieser Bestimmung handelt und ob sich diese "Sache" an dem Ort befindet, an dem die Gesellschaft ihren Sitz hat.

Der Oberste Gerichtshof hat die dargestellte Frage in der Entscheidung vom 6.10.1954, 1 Nd 319/54, bejaht. Es sei zwar richtig, daß der Geschäftsanteil dem Gesellschafter kein unmittelbares Recht am Vermögen der Gesellschaft gewähre. Andererseits bestimme sich der reale Wert eines Geschäftsanteils doch mittelbar nach dem Wert des Unternehmens der Gesellschaft. Denn die Rechte aus dem Geschäftsanteil seien durch die Erträgnisse des Unternehmens und durch dessen Liquidationswert maßgebend bestimmt. Insbesondere sei zu beachten, daß der weitere Vollzug der Exekution wie bei Pfändung beweglicher Sachen kaum ohne pfandweise Beschreibung und Schätzung des Geschäftsanteils und mittelbar des Unternehmens der Gesellschaft möglich sei.

Der erkennende Senat hält die in dieser Vorentscheidung vertretene Auffassung aufrecht. Bei einem Geschäftsanteil handelt es sich zwar um eine Summe von Rechten und Pflichten (vgl SZ 57/30; SZ 44/125;

Feil/Gellis, GmbHG3 Rz 20 zu § 76; Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht5 353, 426 f; Koppensteiner, GmbHG Rz 4 zu § 75;

Kostner/Umfahrer, GmbH4 Rz 704; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 614). Wegen der engen wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehung, die zur Gesellschaft besteht und die schon in der Vorentscheidung zutreffend dargestellt und hervorgehoben wurde, ist es aber gerechtfertigt, den Sitz der Gesellschaft als jenen Ort anzusehen, an dem sich das Vermögensrecht befindet, zumal dort auch der Schwerpunkt der Verwertungshandlungen liegt. Es wäre nicht sachgerecht, die - meist mit der Notwendigkeit der Bucheinsicht verbundene - Schätzung und den Verkauf des Geschäftsanteils an einem vom Sitz der Gesellschaft verschiedenen Ort durchzuführen, zumal der Wohnort des Verpflichteten vom Sitz der Gesellschaft weit entfernt sein kann und es nicht anzunehmen ist, daß die Vornahme des Verkaufes des Geschäftsanteils an diesem Ort den Vorstellungen und dem Willen des Gesetzgebers entspricht.

Die dargelegte Rechtsansicht ist auch im Schrifttum herrschend (Heller/Berger/Stix I 318 unter c und III 2452; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 637). Die betreibende Partei bezieht sich zu Unrecht auf die Ausführungen von Heller/Berger/Stix (I 318 oben), wonach es dem "Geist des Gesetzes" entspreche, § 18 Z 3 EO heranzuziehen. Diese Ausführungen betreffen nicht die Exekution auf einen Geschäftsanteil. Daß es gerade bei einer solchen Exekution ganz offensichtlich nicht dem "Geist des Gesetzes" entspricht, § 18 Z 3 EO analog heranzuziehen und damit im allgemeinen jenes Gericht als Exekutionsgericht anzusehen, bei dem der Verpflichtete seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hat, wurde schon gesagt. Auch aus den im Revisionsrekurs weiters bezogenen Ausführungen von Feil (EO2 Rz 2 zu § 331) ergibt sich unmittelbar nichts Gegenteiliges, weil sie nicht die Exekution auf einen Geschäftsanteil an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Gegenstand haben, für die eben Besonderes gilt.

Das Erstgericht war somit zur Entscheidung über den Exekutionsantrag nicht zuständig, weshalb seine Entscheidung gemäß § 477 Abs 1 Z 3 ZPO nichtig ist. Dies ist entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Meinung herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (SZ 55/178; SZ 41/180; Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht4 72; Rechberger, Die fehlerhafte Exekution 173; Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren2 Rz 65). Die betreibende Partei beruft sich im Revisionsrekurs zu Unrecht auf die Entscheidungen SZ 39/78 und EvBl 1950/561, weil diese einen Zuständigkeitsstreit und damit den - hier nicht gegebenen - Fall betrafen, daß die vom unzuständigen Gericht erlassene Exekutionsbewilligung rechtskräftig wurde. Eine abweichende Ansicht vertreten allerdings Heller/Berger/Stix (I 170 f), die unter Berufung auf § 44 Abs 3 JN meinen, daß auch eine vom unzuständigen Gericht erlassene Exekutionsbewilligung aufrecht zu bleiben habe, insoweit sie nur ein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht begründet oder ein solches begründet werden soll. Diese Auffassung wurde aber schon in der Entscheidung SZ 41/180 abgelehnt und hiezu im wesentlichen ausgeführt, daß sie auf § 44 Abs 3 JN nicht gestützt werden könne, weil es sich hiebei um eine Ausnahmevorschrift handle. Von ihrem Wortlaut nicht betroffene Fälle wie der der Antragsüberweisung seien vom Gesetz nicht schweigend übergangen, sondern den Nichtigkeitsbestimmungen des § 477 Abs 1 Z 3 und § 514 Abs 2 ZPO sowie § 78 EO unterstellt worden. Aus diesen Bestimmungen ergebe sich völlig eindeutig, daß ein Exekutionsbewilligungsbeschluß zur Gänze nichtig ist, wenn er von einem unzuständigen Gericht gefaßt wurde, das im Hinblick auf § 51 EO auch durch ausdrückliche Parteienvereinbarung nicht zuständig gemacht werden kann.

Der erkennende Senat hält die in der angeführten Entscheidung vertretene Rechtsansicht aufrecht. Auch er ist der Meinung, daß § 44 Abs 3 JN weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Zweck geeignet ist, die von Heller/Berger/Stix (aaO) vertretene Auffassung zu stützen, zumal mit der "Sicherung der Parteien" ganz offensichtlich die Sicherung durch einstweilige Verfügung (vgl § 378 Abs 1 EO) gemeint ist. Die in der angeführten Entscheidung vertretene Ansicht entspricht überdies der später ergangenen Entscheidung SZ 63/99, in der ausgesprochen wurde, daß das Pfandrecht des betreibenden Gläubigers mit der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem die Exekutionsbewilligung zur Ergänzung des Verfahrens aufgehoben wurde, erlischt. Dies wurde aus § 70 Abs 1 letzter Satz und Abs 2 EO abgeleitet, weil darin angeordnet wird, daß das Exekutionsgericht von der rechtskräftigen Aufhebung zu verständigen ist und hierauf die Exekution einzustellen oder einzuschränken hat. Da in den zuletzt erwähnten Bestimmungen nicht unterschieden wird, aus welchem Grund die Exekutionsbewilligung aufgehoben wurde, sprechen auch sie für die Richtigkeit der in der Entscheidung SZ 41/180 vertretenen Auffassung, weshalb kein Anlaß besteht, hievon abzugehen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses beruht auf § 78 EO iVm den §§ 40 und 50 ZPO.

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