Spruch:
Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 838,44 EUR (darin 139,74 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
In einem am 18. November 2009 vor dem Landesgericht Innsbruck abgeschlossenen Vergleich hatte sich der nunmehrige Kläger (dort: Beklagter) verpflichtet, der nunmehrigen beklagten Partei (dort: klagende Partei) 21.510 EUR samt Zinsen und Kosten zu zahlen; von dieser Zahlungsverpflichtung konnte er sich durch fünf Teilzahlungen à 2.868 EUR in den Monaten Dezember 2009 bis April 2010 lösen. Für den Fall des Verzugs mit einer Teilzahlung wurde Terminsverlust vereinbart (in diesem Fall sollte das Gesamtobligo abzüglich geleisteter Zahlungen fällig werden).
In den Monaten November 2009 bis Jänner 2010 zahlte der Kläger drei Raten à (richtig:) 2.868 EUR.
Am 27. Mai 2011 wurde über sein Vermögen das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Verwalters (§§ 169 ff IO) eröffnet; dieser Umstand wurde am selben Tag in der Ediktsdatei öffentlich bekannt gemacht. Der im Sanierungsverfahren vom Kläger vorgelegte (geänderte) Sanierungsplan ‑ die Insolvenzgläubiger erhalten eine Quote von 30 %, davon eine Barquote von 15 %, zahlbar binnen 14 Tagen nach Rechtskraft der Bestätigung, sowie weitere 15 % bis 30. April 2012, mit einer Nachfrist von 14 Tagen bei Zahlungsverzug, ‑ wurde von den Gläubigern angenommen und mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 8. August 2011 bestätigt. Nach Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung des Sanierungsplans wurde das Sanierungsverfahren am 29. August 2011 aufgehoben.
Der Kläger hatte die Forderung der beklagten Partei nicht in die „Gläubigerliste“ aufgenommen. Die beklagte Partei ‑ eine GmbH ‑ hat sich am Sanierungsverfahren nicht beteiligt.
Mit Schreiben vom 24. Jänner 2012 stellte der Vertreter der beklagten Partei aufgrund Terminsverlusts einen Betrag von 19.362,40 EUR fällig. Mit E-Mail vom 9. Februar 2012 forderte der Rechtsvertreter der beklagten Partei den Kläger auf, die 15 %ige Barquote laut Sanierungsplan in Höhe von 2.687,90 EUR bis längstens 29. Februar 2012 anzuweisen; auf die Säumnisfolgen nach § 156a IO wurde hingewiesen. Mit weiterem E-Mail vom 3. Oktober 2012 forderte der Rechtsvertreter der beklagten Partei den Kläger auf, die 30 %ige Barquote aus der Forderung von 17.919,37 EUR, also einen Betrag von 5.375,81 EUR, bis längstens 12. Oktober 2012 anzuweisen. Wiederum wurde auf die Säumnisfolgen des § 156a IO hingewiesen.
Am 31. Jänner 2013 überwies der Kläger die Barquote von 5.375,81 EUR an den Vertreter der beklagten Partei.
Am 19. Juli 2013 bewilligte das Erstgericht der beklagten Partei aufgrund des Vergleichs vom 18. November 2009 zur Hereinbringung einer Kapitalforderung von 12.994,78 EUR samt Zinsen und Kosten antragsgemäß die Fahrnisexekution.
Mit seiner am 4. Oktober 2013 eingebrachten Klage erhob der Kläger Einwendungen gegen den betriebenen Anspruch: Dieser sei aufgrund der Zahlung der im Sanierungsverfahren bestätigten 30 %‑igen Quote von 5.375,81 EUR gemäß § 156 Abs 1 IO erloschen. Eine qualifizierte Mahnung iSd § 156a Abs 2 IO sei nicht erfolgt. Die E‑Mails des Vertreters der beklagten Partei erfüllten mangels Unterschriftlichkeit das Schriftformelfordernis nicht.
Die beklagte Partei wandte, soweit für das Revisionsverfahren noch relevant, ein, dass sowohl das Schreiben vom 24. Jänner 2012 als auch E-Mails als schriftliche Mahnung gemäß § 156a Abs 2 IO anzusehen seien; auch ein E-Mail genüge dem Schriftlichkeitsgebot.
Das Erstgericht gab den Einwendungen statt und sprach aus, dass der von der beklagten Partei betriebene Anspruch aus dem Vergleich vom 18. November 2009 erloschen sei. Das Schreiben der beklagten Partei vom 24. Jänner 2012 erfülle die von § 156a Abs 2 IO geforderten Voraussetzungen nicht, weil es nur die Gesamtforderung von 19.362,40 EUR nenne und nicht auf die drohenden Folgen eines Verzugs hinweise. Die E-Mails vom 9. Februar 2012 und vom 3. Oktober 2012 entsprächen mangels Unterschrift nicht dem Schriftlichkeitsgebot des § 886 ABGB. Daher sei es zu keinem Wiederaufleben der Forderung der beklagten Partei gekommen.
Das Berufungsgericht bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und ließ die Revision mit der Begründung zu, dass der Oberste Gerichtshof noch nicht mit der Frage befasst gewesen sei, ob das Schriftformgebot des § 156a Abs 2 IO auch dann gewahrt ist, wenn die Mahnung dem Schuldner als einfache E-Mail übermittelt werde.
In ihrer Revision gegen diese Entscheidung wendet sich die beklagte Partei gegen die Ansicht der Vorinstanzen, es fehle an einer qualifizierten Mahnung. Bei einer schriftlichen Mahnung eines Gläubigers gemäß § 156a Abs 2 IO sei kein Übereilungsschutzerfordernis gegeben. Es mache keinen Sinn, zu der in der genannten Gesetzesbestimmung geforderten schriftlichen Mahnung die eigenhändige Unterfertigung zu verlangen. Der Kläger sei in concreto zweimal qualifiziert schriftlich gemahnt worden.
Rechtliche Beurteilung
Dazu wurde erwogen:
1. Der Nachlass und die sonstigen Begünstigungen, die der Sanierungsplan gewährt, werden gemäß § 156a Abs 1 IO (bis zum Inkrafttreten des IRÄG 2010, BGBl I 2010/29: § 156 Abs 4 Satz 1 KO) für diejenigen Gläubiger hinfällig, denen gegenüber der Schuldner mit der Erfüllung des Sanierungsplans in Verzug gerät. Nach § 156a Abs 2 IO ist ein solcher Verzug erst anzunehmen, wenn der Schuldner eine fällige Verbindlichkeit trotz einer vom Gläubiger unter Einräumung einer mindestens vierzehntägigen Nachfrist an ihn gerichteten schriftlichen Mahnung nicht gezahlt hat.
1.1. Die Vorinstanzen haben auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung hingewiesen, die an eine solche qualifizierte Mahnung hohe Anforderungen stellt, da der Normzweck darin besteht, den Schuldner eindringlich auf die drohenden schweren Folgen seines Verzugs hinzuweisen (3 Ob 197/88, 3 Ob 145/98i). Sie muss daher die Höhe des geforderten Betrags enthalten und auf den Sanierungsplan Bezug nehmen (RIS‑Justiz RS0065338); auch muss dem Schuldner die im konkreten Fall vorgesehene Nachfrist eingeräumt und das Wiederaufleben angedroht werden (3 Ob 41/10s = SZ 2010/28).
1.2. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass das Anwaltsschreiben vom 24. Jänner 2012 den Anforderungen einer qualifizierten Mahnung nach § 156a Abs 2 IO nicht entspricht, weil es diese Inhaltserfordernisse nicht aufweist, hält sich demnach im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
2. Dies gilt auch für die in der Revision bekämpfte Ansicht der Vorinstanzen, dass die E‑Mails des Vertreters der beklagten Partei vom 9. Februar 2012 und vom 3. Oktober 2012 nicht die in § 156a Abs 4 Satz 2 IO geforderte Schriftform („an ihn gerichteten schriftlichen Mahnung“) aufweisen.
2.1. „Schriftlichkeit“ verlangt im Allgemeinen ‑ entsprechend der Legaldefinition des § 886 ABGB ‑ „Unterschriftlichkeit“ (RIS‑Justiz RS0014174 [T1]). Erforderlich ist also die eigenhändige Unterschrift unter dem Text. Dies gilt nicht nur für Verträge, sondern auch für einseitige Erklärungen (RIS‑Justiz RS0017216). In diesem Sinn erfüllen gewöhnliche E-Mails ohne elektronische Signatur nicht das Schriftformgebot des § 886 ABGB (RIS‑Justiz RS0126251; 5 Ob 133/10k, immolex 2011/62, 207 [Cerha] = JusIT 2011/3, 8 [Mader] zu § 16 Abs 1 Z 5 MRG; 5 Ob 166/10p, SZ 2011/29 = immolex 2012/54, 174 [Prader], ebenfalls zu § 16 Abs 1 Z 5 MRG)
2.2. Zum Teil sehen Gesetze selbst Abschwächungen der Schriftform vor, indem von der Unterschriftlichkeit abgesehen wird. Anders als in Deutschland, wo dies in allgemeiner Form in § 126b BGB („Textform“, definiert als lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist und die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird) geschehen ist, hat der österreichische Gesetzgeber bisher nur Partikularlösungen umgesetzt. So wurde mit dem Aktienrechts-ÄnderungsG BGBl I 2009/71 die „Textform“ im Aktienrecht eingeführt (§ 13 Abs 2 und 3 AktG). In § 1b Abs 1 Satz 2 VersVG ist seit dem VersRÄG 2012 BGBl I 2012/34 als „Standardform“ die „geschriebene Form“ normiert, die keine Unterschrift oder qualifizierte elektronische Signatur erfordert, wenn aus der Erklärung die Person des Erklärenden hervorgeht (dazu etwa Schauer , Die VersVG‑Novelle 2011 ‑ Grundlagen und Neuerungen, VR 2011 H 7‑8, 28 [29]; Fenyves , Elektronische Kommunikation und Rücktrittsrecht des Versicherungsnehmers nach dem VersRÄG 2012, VR 2012 H 5, 23). Einer Verallgemeinerung setzt § 1b Abs 1 Satz 1 VersVG insofern Schranken, als in Bezug auf die Schriftform auf die Anforderungen des § 886 ABGB und des § 4 SigG verwiesen wird.
2.3. Die Rechtsprechung gesteht ‑ abhängig vom konkreten Formzweck ‑ zu, dass gesetzliche Schriftlichkeitsgebote im Einzelfall auch ohne Unterfertigung eingehalten sein können (siehe etwa Rummel , Telefax und Schriftform, in FS Ostheim [1990] 211 [215 f] und Kalss in ABGB‑ON1.01 § 886 Rz 7/1). Betont wird allerdings, dass mit der teleologischen Reduktion von Formvorschriften äußerst behutsam umgegangen werden muss (RIS‑Justiz RS0017221 [T4] uva).
2.4. Der Zweck der Schriftform (mit Unterschrift) wird vor allem im Übereilungsschutz und in der Beweissicherung gesehen (RIS‑Justiz RS0124342 [T1]). Auch andere Zwecke, die sich zum Teil mit den genannten überschneiden, kommen in Betracht, etwa dass eine Erklärung in Bezug auf die Person des Erklärenden und den Inhalt besonders augenscheinlich gemacht wird (9 ObA 14/08m, DRdA 2009/7, 43 [ Ziehensack ]). Dieser letztgenannte Zweck kann sich sowohl auf die Ausstellerseite (Schutz vor Übereilung bei Abgabe der Erklärung) als auch auf die Empfängerseite (besondere Bedeutung des Schreibens) beziehen.
2.5. Die Revisionswerberin stellt den Schutz vor Übereilung in den Vordergrund und beruft sich dazu auf die zu § 16 Abs 1 Z 5 MRG ergangenen Entscheidungen, nach denen der Mieter vor der Abgabe einer übereilten Erklärung geschützt werden soll. Es versteht sich von selbst, dass dieser Zweck im Fall des § 156a Abs 2 Satz 1 IO nicht tragend sein kann, wird doch hier die Erklärung nicht von der vom Formzweck offensichtlich geschützten Person abgegeben.
2.6. Mit der qualifizierten Mahnung nach § 156 Abs 4 IO wird der Zweck verfolgt, dem Schuldner eindringlich die Folgen seines Verzugs vor Augen zu führen. Die Eindringlichkeit der Mahnung wird durch ein vom Gläubiger oder dessen Vertreter unterfertigtes Schriftstück jedenfalls in weit größerem Maß hergestellt als durch eine einfache (unsignierte) E-Mail. Bereits aus diesem Grund kommt die von der Revisionswerberin gewünschte teleologische Reduktion des Gebots der „Unterschriftlichkeit“ auf bloß „geschriebene“ Form nicht in Betracht.
2.7. Auch die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Dezember 2008, 1 ABR 79/07 (BB 2009, 1536 [ Vogel/Mlynek ], bietet keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Darin wird für einen nicht unterfertigten Widerspruch des Betriebsrats die Wahrung Textform nach § 126b BGB als ausreichend angesehen. Eine Übertragung des Inhalts dieser Entscheidung muss schon daran scheitern, dass das österreichische Recht keine allgemeine Regelung der Textform kennt (zur Kritik an der Entscheidung siehe im Übrigen Einsele in Münchener Kommentar zum BGB 6 [2012] § 126 Rz 4).
2.8. Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit der in Deutschland herrschenden Ansicht: Auch das Wiederaufleben nach § 255 Abs 1 Satz 2 InsO setzt eine schriftliche Mahnung des Gläubigers mit Nachfristsetzung voraus. Dazu wird ganz allgemein vertreten, dass für die Einhaltung der Schriftform ‑ der ebenfalls Unterschriftlichkeit verlangende ‑ § 126 BGB gilt; im Fall einer elektronischen Erklärung müssen die Voraussetzungen des § 126 Abs 3 iVm § 126a BGB ‑ nämlich die Abgabe der Erklärung mit qualifizierter elektronischer Signatur ‑ erfüllt sein (anstatt vieler Huber in Münchener Kommentar zur InsO 3 [2014] § 255 Rz 21). Die Einhaltung dieser Form fördert die Rechtsklarheit und objektive Nachprüfbarkeit ( Lüer in Uhlenbruck , InsO 13 [2010] § 255 Rz 10).
3. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.
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