European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00081.16Z.0805.000
Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.205,96 EUR (darin enthalten 200,99 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Der Beklagte betreibt in seinem Freizeitpark auch „Freizeit‑Boots‑Sprungschanzen“. Dabei wird ein Schlitten („Nautic Jet“) über eine Seilwinde hochgezogen und in einer Höhe von 8–10 m automatisch losgelassen, worauf er über eine Rampe in ein Wasserbecken springt. Die Klägerin wurde beim Benutzen dieses Geräts verletzt, nachdem sie das Gerät in Gang gesetzt hatte, obwohl der Sicherheitsbügel wegen eines ihrer Kleidungsstücke, das sich eingeklemmt hatte, nicht ordnungsgemäß eingerastet war und sich daher in der Folge öffnete.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab:
1. Das Berufungsgericht hat die Revision zur Frage der Anwendbarkeit des EKHG zugelassen und gemeint, dass es zu mit dem hier vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren Sommerrodelbahnen divergierende Judikatur, nämlich 2 Ob 13/94 und 1 Ob 549/92, gäbe.
Eine solche Divergenz ist aber nicht ersichtlich, betraf doch die Entscheidung 1 Ob 549/92 einen Unfall bei Benutzung der Sommerrodelbahn, in welchem Fall die Anwendbarkeit des EKHG der ständigen Rechtsprechung folgend (RIS‑Justiz RS0058088) verneint wurde, während der Entscheidung 2 Ob 13/94 ein Unfall bei einer Kombinationsliftanlage, die im Sommer als Aufstiegshilfe für die Benutzung einer Sommerrodelbahn verwendet wurde, zugrundelag, also ein gemäß Art I des BG vom 14. 12. 1977, BGBl 1977/676, in den Anwendungsbereich des EKHG (§ 9a) einbezogener Schlepplift (RIS‑Justiz RS0074773; RS0058084) und nicht die Benutzung der Sommerrodelbahn selbst.
Überdies sind nach ebenfalls bereits bestehender Judikatur Einrichtungen, die ausschließlich der Unterhaltung und nicht dem Verkehr dienen, bahnähnliche Einrichtungen in Vergnügungsstätten bzw „Belustigungsanlagen“, wie Rutschbahnen, Berg‑ und Talbahnen udgl, vom EKHG ausgenommen (RIS‑Justiz RS0058093 [T2 zu einer Gokartbahn]; RS0022942).
Die Verneinung der Anwendbarkeit des EKHG auf den vorliegenden Unfall bewegt sich daher im Rahmen der aufgezeigten oberstgerichtlichen Rechtsprechung.
2. Auch zu den Grundsätzen der Verkehrssicherungspflicht besteht ausreichend Judikatur (RIS‑Justiz RS0023419, RS0022476). Umfang und Intensität richten sich ganz allgemein auch danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RIS‑Justiz RS0023726, RS0114360). Der konkrete Inhalt der Verkehrssicherungspflicht hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0110202). Der Verkehrssicherungspflichtige hat die verkehrsübliche Aufmerksamkeit anzuwenden und die notwendige Sorgfalt zu beachten, wobei allerdings die Sorgfalt nicht überspannt werden darf und die Grenzen des Zumutbaren zu beachten sind (RIS‑Justiz RS0023487; RS0023893).
Auch die Beurteilung der Verkehrs-sicherungspflicht durch die Vorinstanzen hält sich im Rahmen dieser Grundsätze. Die Ausführungen der Revision – soweit sie überhaupt vom festgestellten Sachverhalt ausgehen – sind nicht geeignet, daran Zweifel zu erwecken.
Es kann ihnen insbesondere nicht darin gefolgt werden, dass die beklagte Partei – obwohl das Einrasten des Sicherheitsbügels unmittelbar überprüft werden kann und dafür ausreichend Zeit besteht, weil das Hochziehen des Schlittens vom Benutzer selbst gestartet wird – verpflichtet gewesen wäre, eine „elektronische oder optische“ Absicherung, die auf ein 100%iges Verschließen des Sicherheitsbügels hinweist, einzurichten, oder das „Einschnappen“ durch eine (zusätzliche) technische Sicherung zu gewährleisten oder dass zusätzlich zu den ohnehin bereits vorhandenen Hinweisen und Schildern („Fahrgast: Einsteigen, Bügel schließen!!!“) nochmals besonders auf das „Einschnappen“ (Einrasten) des Sicherheitsbügels hinzuweisen gewesen wäre. Nach den maßgeblichen (und unbekämpften) Feststellungen hat der Beklagte alle technisch vorgeschriebenen Auflagen eingehalten; eine TÜV‑Überprüfung nach dem Unfall ergab keinerlei Beanstandungen oder Mängel (auch beim Schließsystem) und unter Zugrundelegung der bestehenden Vorschriften war eine (gesonderte) Einschulung der Passagiere – auch in Bezug auf die Verriegelung des Sicherungsbügels – nicht erforderlich (S 8 und 10 des Ersturteils).
Die Revision war daher insgesamt – da dem Berufungsgericht entgegen dem Vorwurf der Rechtsmittelwerberin keine „krasse“ (also korrekturbedürftige) Fehlbeurteilung anhaftet –zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung (RIS‑Justiz RS0035979; RS0035962).
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