OGH 2Ob80/06p

OGH2Ob80/06p12.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeindeverband für Abfallbeseitigung *****, vertreten durch Dr. Klaus Braunegg und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei M***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Ehrnberger, Rechtsanwalt in Purkersdorf, wegen EUR 2.562,81 sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 17. November 2005, GZ 21 R 318/05f-15, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Purkersdorf vom 6. September 2005, GZ 2 C 1199/04a-11, einschließlich des vorangegangenen Verfahrens als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurden, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Auf einem der Beklagten von den Liegenschaftseigentümern verpachteten Grundstück befindet sich neben anderen Containern seit mehreren Jahren eine (auch) von der Pächterin benützte 1100-Liter Restmülltonne. Erstmals mit Verpflichtungsbescheid vom 19. 10. 2004 ordnete die Klägerin als für die Abfallentsorgung zuständiger Gemeindeverband die Aufstellung dieser Mülltonne und die Verpflichtung der Liegenschaftseigentümer an, die Entsorgung des Mülles über diesen Behälter vorzunehmen. Mit dem am selben Tag erlassenen Abgabenbescheid schrieb die Klägerin den Liegenschaftseigentümern die unter Berücksichtigung des zusätzlichen Müllbehälters für die Zukunft neu festgesetzte jährliche Abfallwirtschaftsgebühr und Abfallwirtschaftsabgabe vor. Die Klägerin begehrt für die regelmäßige Entleerung der Restmülltonne rückwirkend für 36 Monate ein Entsorgungsentgelt von EUR 2.562,81 sA und stützt ihren Anspruch auf (zumindest konkludent zustande gekommenen) Vertrag, Schadenersatz, notwendige oder nützliche Geschäftsführung und Bereicherungsrecht. Die Beklagte habe eine von der Klägerin bzw dem von der Klägerin beauftragten Unternehmen erbrachte Entsorgungsleistung in Anspruch genommen. Die für die Abfallentsorgung zuständige Klägerin habe im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung und nicht hoheitlich agiert, zumal eine Gebühr oder Abgabe erstmals nach Erlassung des Bescheides über die Anzahl der aufzustellenden Müllbehälter vorgeschrieben werden dürfe und eine Rückwirkung eines derartigen Bescheides unzulässig sei. Die Beklagte wendet insbesondere mangelnde Passivlegitimation ein, weil derartige liegenschaftsbezogene Gemeindeabgaben von den Eigentümern einzufordern seien. Überdies sei eine rückwirkende Einforderung mangels bescheidmäßiger Vorschreibung nicht zulässig. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung der Klägerin das erstinstanzliche Urteil und das Verfahren wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges als nichtig auf und wies die Klage zurück. Abfallwirtschaftsgebühr und Abfallwirtschaftsabgabe seien als liegenschaftsbezogene Gemeindeabgaben gemäß §§ 26, 27 des NÖ Abfallwirtschaftsgesetzes (NÖ AWG) 1992 den Liegenschaftseigentümern vorzuschreiben. Die Müllentsorgung sei dem öffentlichen Recht zuzuordnen, weshalb derartige Gebühren nicht auf dem ordentlichen Rechtsweg geltend gemacht werden könnten.

Die Klägerin beantragt in ihrem Rekurs, diesen Beschluss zu beheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung aufzutragen.

Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges sind zunächst der Wortlaut des Klagebegehrens und die Klagebehauptungen von Bedeutung. Es kommt auf die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches an, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund ausschlaggebend ist. Danach ist zu entscheiden, ob ein privatrechtlicher Anspruch iSd § 1 JN erhoben wurde, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (RIS-Justiz RS0045644; RS0005896; Mayr in Rechberger ZPO² vor § 1 JN Rz 6; Ballon in Fasching Komm² § 1 JN Rz 61). Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte hängt davon ab, ob ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, der nicht ausdrücklich durch das Gesetz vor eine andere Behörde verwiesen wird (1 Ob 193/01s, Ballon aaO). Unter bürgerlich-rechtlichen Ansprüchen sind iSd § 1 ABGB jene anspruchsbegründenden rechtlichen Regelungen zu verstehen, die auf Gleichbehandlung beruhende Rechtsbeziehungen zwischen beliebigen Rechtssubjekten zum Gegenstand haben (Posch in Schwimann ABGB³ I § 1 Rz 4; F. Bydlinski in Rummel ABGB³ I § 1 Rz 6; Ballon aaO Rz 64; vgl RIS-Justiz RS0045438).

Die von der Klägerin herangezogenen Rechtsgründe sind zwar eindeutig dem Privatrecht zuzuordnen, die Klägerin vernachlässigt in ihrer Argumentation allerdings neben ihrem maßgeblichen Parteienvorbringen (insbesondere zu ihrer Funktion als für die Müllentsorgung zuständiger Gemeindeverband) die zweite in § 1 JN normierte Voraussetzung für die Zuständigkeit der ordentliche Gerichte: Im konkreten Fall wurde nämlich die Entscheidungsbefugnis durch die Bestimmungen des (hier unstrittig anzuwendenden) NÖ AWG 1992 einer bestimmten, der öffentlichen Verwaltung zuzuordnenden Behörde zugewiesen.

§ 9 Abs 1 NÖ AWG sieht vor, dass die Grundstückseigentümer bzw Nutzungsberechtigten im sogenannten Pflichtbereich (das ist gemäß § 3 Z 9 NÖ AWG jener Bereich einer Gemeinde, für den eine Abfallerfassung eingerichtet ist) verpflichtet sind, Abfälle (mit hier nicht interessierenden Ausnahmen) nur durch Einrichtungen der Gemeinde, oder deren sich die Gemeinde bedient, erfassen und behandeln zu lassen. Die Abfallbewirtschaftung soll gemäß § 9 Abs 1 NÖ AWG von den Gemeinden selbst oder von Unternehmen in deren Auftrag durchgeführt werden. Dass die Abfallbewirtschaftung insgesamt sozusagen unter der Ägide der Behörde - hier der Gemeinden - geschieht, entspricht der Intention der Richtlinien 75/442/EWG bzw 91/156/EWG, die ausdrücklich vorsehen, dass die Mitgliedstaaten die zuständige(n) Behörde(n) schaffen oder benennen, deren Auftrag es ist, die Bestimmungen dieser Richtlinie durchzuführen (SZ 73/29; RIS-Justiz RS0113309).

§ 23 Abs 1 NÖ AWG ermächtigt die Gemeinde unter anderem gemäß § 8 Abs 5 F-VG 1948, eine Abfallwirtschaftsgebühr für die Bereitstellung von Abfallentsorgungseinrichtungen sowie für die Erfassung und Behandlung von Abfall (Z 1) und eine Abfallwirtschaftsabgabe (Z 2) einzuheben. Abgabenschuldner sind nach § 26 Abs 1 NÖ AWG die Grundstückseigentümer. Der Abgabenanspruch wird nach § 27 Abs 1 zweiter Satz NÖ AWG bei Zuteilung von Müllbehältern erst mit dem auf die Erlassung des Bescheides über die Festsetzung der Anzahl der aufzustellenden oder anzubringenden Müllbehälter nächstfolgenden Monatsersten fällig.

§ 32 NÖ AWG ordnet die in diesem Gesetz geregelten Aufgaben der Gemeinde dem eigenen Wirkungsbereich zu.

Entsprechend dem Legalitätsprinzip des Art 18 B-VG stellen die gesetzlichen Bestimmungen des NÖ AWG die Zuständigkeit der Gemeinde (hier Gemeindeverband) sowohl für die Erfassung und Behandlung als auch für die Einhebung der dafür zu entrichtenden Gebühren/Abgaben eindeutig klar, was für die Abgrenzung zwischen Privatwirtschaftsverwaltung und Hoheitsverwaltung entscheidend ist (1 Ob 193/01s mwN; RIS-Justiz RS0049882).

Richtig ist, dass sowohl eine Gemeinde (nach Art 116 Abs 2 B-VG) als auch ein Gemeindeverband (Art 116a Abs 1 B-VG) Privatrechtsfähigkeit besitzen. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht es ihr aber in dem der Hoheitsverwaltung zuzuordnenden Bereich der Müllabfuhr (vgl RIS-Justiz RS0096639; RS0049943; RS0050144) nicht frei, im Verhältnis zu den Bewohnern bzw Abgabepflichtigen zwischen den Instrumenten der Hoheitsverwaltung und der Privatwirtschaftsverwaltung zu wählen. Insbesondere setzt das Institut des verwaltungsrechtlichen Vertrages nach dem Legalitätsprinzip des Art 18 B-VG eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung voraus, welche sich den Bestimmungen des NÖ AWG jedenfalls im Verhältnis zu den Bewohnern oder Abgabepflichtigen nicht entnehmen lässt. Auch bereicherungsrechtliche Ansprüche gehören nicht vor die ordentlichen Gerichte, wenn das zugrundeliegende Rechtsverhältnis als öffentlichrechtliches zu qualifizieren ist, weil ein Teil als Träger der hoheitlichen Gewalt auftritt (RIS-Justiz RS0033689; RS0033985).

Bezeichnenderweise sieht die Klägerin selbst im Verbot der rückwirkenden Einhebung der Gebühren (§ 27 Abs 1 Satz 2 NÖ AWG) das wesentliche Hindernis, von der in § 23 Abs 1 Z 1 leg cit eingeräumten Ermächtigung, Gebühren einzuheben, Gebrauch zu machen. Die Säumnis der Behörde, die Aufstellung eines Restmüllbehälters bescheidmäßig zu erfassen, kann aber nicht dadurch saniert werden, dass im Umweg über einen zivilrechtlichen Anspruchsgrund dritte, nicht abgaben/gebührenpflichtige Personen in die Haftung genommen werden. Aus diesen Erwägungen war dem unberechtigten Rekurs der Klägerin der Erfolg zu versagen.

Die Kostentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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