Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts im klagsstattgebenden Umfang wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.410,40 EUR (darin enthalten 529,40 EUR USt und 1.234 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei räumte dem damaligen Ehemann der Beklagten am 4. 10. 2004 einen Kreditrahmen von 10.000 EUR ein, für den die Beklagte die Bürgschaft übernahm. Als weitere Sicherstellung verpfändete der Hauptschuldner die auf einem Wertpapierdepot erliegenden Wertpapiere. Am 30. 6. 2005 vereinbarten die klagende Partei und der Hauptschuldner eine Erweiterung des Kreditrahmens um 20.000 EUR auf insgesamt 30.000 EUR, wofür die Beklagte abermals die Bürgschaft übernahm. Anlässlich der Erweiterung des Kredits wurden der klagenden Partei zur weiteren Besicherung ein Sparbuch des Hauptschuldners mit einem ausgewiesenen Kapitalstand von 10.000 EUR, Ansprüche aus einer Ablebensversicherung mit einer Versicherungssumme von 50.000 EUR, sowie Ansprüche aus einer Erlebensversicherung über 46.801,32 EUR verpfändet. Bei beiden Versicherungen handelte es sich um Neuanträge, auf welche Einzahlungen erst erfolgen sollten. In den Kreditverträgen waren jeweils 6 % an jährlichen Sollzinsen vorgesehen, ferner eine Überziehungsprovision für fällige Beträge von weiteren 6 % und eine Bereitstellungsprovision von 0,5 % jährlich vom nicht ausgenützten Kreditrahmen.
Am 19. 12. 2007 wurde die Ehe geschieden. Mit in Rechtskraft erwachsenem Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt gemäß § 98 EheG wurde die Beklagte in Ansehung der Kreditverbindlichkeiten bei der klagenden Partei zur Ausfallsbürgin bestimmt.
Da der Hauptschuldner seinen Zahlungspflichten nicht nachkam, erwirkte die klagende Partei gegen ihn einen vollstreckbaren Zahlungsbefehl über 23.129,71 EUR sA. Die Fahrnis‑ und Gehaltsexekution wurde bewilligt. Nach einem Vollzugsversuch am 3. 12. 2008 unterblieben weitere Exekutionsschritte, weil der Gerichtsvollzieher keine pfändbaren Gegenstände am Vollzugsort vorgefunden hatte. Bei diesem Vollzugsversuch war kein Vertreter der klagenden Partei anwesend. Am selben Tag deponierte der Hauptschuldner in seinem Vermögensverzeichnis nach § 47 EO, dass er mit Ausnahme eines täglichen Arbeitslosenentgelts von 39 EUR netto kein Einkommen habe und mit Ausnahme einer Girokontoeinlage von 600 EUR über kein Vermögen verfüge.
Mit ‑ am 29. 6. 2009 durch Einschaltung in die Insolvenzdatei öffentlich bekannt gemachtem ‑ Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 26. 6. 2009 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über den Hauptschuldner mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen. Im Eröffnungsverfahren hatte der Hauptschuldner in seinem Vermögensverzeichnis vom 2. 3. 2009 ähnliche Angaben wie in seinem Vermögensverzeichnis nach § 47 EO gemacht.
Die Sicherheiten, die der klagenden Partei zur Verfügung standen, hatte diese bereits verwertet. Die Erlöse wurden dem Konto gutgeschrieben, nämlich am 22. 9. 2008 der Saldo des Sparbuchs von 10.481,44 EUR, am 24. 9. 2008 der Saldo aus dem Wertpapierdepot von 3.008,75 EUR und am 1. 10. 2008 der Saldo aus der Erlebensversicherung von 1.941,64 EUR. Die Verwertung dieser Sicherheiten wurde „kapitalwirksam“ verbucht.
Der Hauptschuldner verfügte zuletzt immer noch über Vermögenswerte, die er zum Teil der gerichtlichen Exekution entzogen hatte und die zum anderen Teil vom Gerichtsvollzieher anlässlich der Fahrnisexekution nicht gepfändet worden waren. So gibt es in seinem Haus etwa einen Kühlschrank mit Eiswürfelmaschine, einen Schwedenkamin und eine Gartengarnitur. Seinen Pkw vom Typ VW‑Golf hatte er, um ihn der Exekution zu entziehen, ohne Kennzeichen in einem Industriegelände abgestellt. Ein Golf‑Package und ein Motorrad sowie andere Gegenstände konnte er auf andere Weise dem Zugriff des Gerichtsvollziehers entziehen. Gleiches gilt für eine Reihe von höherpreisigen Elektronikgegenständen und eine oder mehrere Rolex‑Uhren. Zwei ihm gehörige Computer samt Bildschirmen befinden sich im Betrieb eines Unternehmens, in welchem der Hauptschuldner unangemeldet tätig ist und hierfür Bareinkünfte in unbestimmter Höhe bezieht. Die Beklagte hat diese Umstände dem Klagevertreter wiederholt mitgeteilt, erstmals konkret mit Schreiben vom 21. 7. 2009. Einer beim Sozialversicherungsträger angemeldeten Erwerbstätigkeit ging der Hauptschuldner zu dieser Zeit nicht nach.
Am 29. 6. 2009 wurde die Beklagte von der klagenden Partei als Ausfallsbürgin gemahnt und der unter Berücksichtigung aller erfolgten Zahlungen offene Saldo von 27.237,75 EUR zur Zahlung innerhalb von 3 Wochen fällig gestellt. Gespräche des Hauptschuldners mit Mitarbeitern der klagenden Partei über die Gewährung einer Ratenzahlung blieben mangels Zuhaltung der von ihm gemachten Zusagen ergebnislos. Eine geschlossene Ratenvereinbarung wurde von ihm von Anfang an nicht eingehalten.
Mit der am 19. 10. 2009 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei von der Beklagten 23.046,47 EUR sA. Sie habe gegen den säumigen Hauptschuldner einen vollstreckbaren Zahlungsbefehl erwirkt, Fahrnis- und Gehaltsexekution geführt, die Sicherheiten verwertet und damit die in § 98 Abs 2 EheG geforderten Maßnahmen gesetzt. Nach Ablehnung der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens sei die Haftung der Beklagten als Ausfallsbürgin schlagend geworden und die klagende Partei habe den aushaftenden Saldo gegenüber der Beklagten fällig gestellt. Die Beklagte habe zwar angegeben, dass beim Hauptschuldner noch pfändbare Vermögenswerte vorhanden seien, hiefür jedoch keine Beweise erbracht.
Die Beklagte wandte ‑ soweit in dritter Instanz noch wesentlich ‑ ein, die klagende Partei habe nicht ausreichend Exekution gegen den Hauptschuldner geführt und es unterlassen, sich an den ihr ‑ insbesondere im Schreiben vom 21. 7. 2009 ‑ genannten pfändbaren Fahrnissen mit einem Wert von etwa 8.000 EUR bis 10.000 EUR zu befriedigen. Der Hauptschuldner gehe einer Beschäftigung nach, für welche ihm ein Gehalt bar ausbezahlt werde. Aus diesen Gründen könne die Beklagte nicht als Ausfallsbürgin in Anspruch genommen werden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Teils des Zinsenbegehrens ‑ insoweit wurde das Klagebegehren abgewiesen ‑ statt. Es stützte sich im Wesentlichen auf den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt und erörterte rechtlich, die klagende Partei habe alle ihr zumutbaren Schritte gesetzt, um sich am Hauptschuldner zu befriedigen. Sie habe ihre Verpflichtungen nach § 98 EheG erfüllt, indem sie einen Exekutionstitel erwirkt und Fahrnis‑ und Gehaltsexekution geführt habe. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, diese übermäßig intensiv oder unter Einsatz unverhältnismäßiger Mittel zu betreiben. Der Vorwurf einer dem Nichtbetreiben der Exekution gleichzusetzenden schweren Fahrlässigkeit könne der klagenden Partei jedenfalls nicht gemacht werden. Auch aufgrund des Hinweises der Beklagten auf gewisse Vermögensgegenstände, die vom Gerichtsvollzieher entweder nicht gefunden oder aber nicht gepfändet worden seien oder sich in Gewahrsam eines Dritten befunden hätten, sei die klagende Partei nicht dazu verhalten gewesen, wenig aussichtsreiche weitere Exekutionshandlungen zu beantragen. Das Risiko, dass der Hauptschuldner sich durch massive Gesetzesverletzungen der Begleichung seiner Schulden zu entziehen suche, treffe den Interzedenten, der sich entschlossen habe, für den Hauptschuldner einzustehen.
Das von der Beklagten angerufene Berufungsgericht hob das in seinem stattgebenden Teil angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Das Berufungsgericht führte aus, der Gläubiger sei nicht verpflichtet, Hereinbringungshandlungen zu setzen, die von vornherein aussichtslos seien. Die Beweislast für die Unzumutbarkeit der Exekutionsführung trage grundsätzlich der Gläubiger. Habe dieser Exekution geführt und Sicherheiten verwertet, sei es Sache des Ausfallsbürgen substantiiert zu behaupten, dass weitere Exekutionsschritte sinnvoll und erfolgversprechend gewesen wären. Da der geschiedene Ehegatte im Allgemeinen über das Vorhandensein bisher nicht verwerteten Vermögens besser Bescheid wissen werde als der Gläubiger, könne von ersterem verlangt werden, konkret anzugeben, durch welche Eintreibungsmaßnahmen noch auf weitere Vermögensobjekte hätte gegriffen werden können. Der Ausfallsbürge hafte dem Gläubiger nur auf den Differenzbetrag, den dieser bei der Rechtsverfolgung gegen den Schuldner nicht erlangen konnte, mithin auf den endgültigen Ausfall. Nach der deutschen Rechtsprechung sei die Haftung des Ausfallsbürgen nicht nur auf den objektiven Ausfall, sondern darüber hinaus auf das beschränkt, was der Gläubiger trotz Anwendung gehöriger Sorgfalt vom Hauptschuldner nicht erlangen könne. Es stelle sich daher im vorliegenden Fall die Frage einer Sorgfaltsverletzung der klagenden Partei durch die Unterlassung sinnvoller bzw erfolgversprechender Exekutionsmaßnahmen gegen den Hauptschuldner. Hierbei sei hinsichtlich der verschiedenen Vermögenswerte zu differenzieren:
Die Beklagte gehe in ihrer Berufung von einem monatlichen Einkommen des Hauptschuldners aus dem unangemeldeten Dienstverhältnis von 700 EUR aus. Dieses Einkommen liege unter dem pfändbaren Freibetrag gemäß § 291a EO. Auch eine allfällige Zusammenrechnung dieser Einkünfte mit dem bezogenen Arbeitslosengeld gemäß § 292 Abs 2 und 3 EO könne der Beklagten im Ergebnis nicht helfen, weil der Hauptschuldner angesichts der festgestellten Beschäftigung keinen rechtmäßigen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, dieser vielmehr nach Kenntnisnahme von der Beschäftigung vom Arbeitsmarktservice zu widerrufen sei. Ein Exekutionsantrag betreffend diese Einkünfte wäre für die klagende Partei daher nicht erfolgversprechend gewesen. Dies gelte auch für Exekutionsanträge hinsichtlich jener der Exekution entzogenen Gegenstände, die sich an einem unbekannten Ort befänden. Insoweit wäre eine Befriedigung der klagenden Partei innerhalb angemessener Frist nicht zu erwarten gewesen. Anders verhalte es sich mit den der Exekution entzogenen Gegenständen, die sich an einem bekannten Ort befänden, nämlich dem auf einem Industriegelände abgestellten gebrauchten VW‑Golf sowie den zwei Computern samt Bildschirmen im Betrieb des Arbeitgebers des Hauptschuldners. Diese Gegenstände befänden sich weiterhin in der Gewahrsame des Hauptschuldners und wären grundsätzlich zugunsten der klagenden Partei pfändbar gewesen. Außerdem seien noch die bei den bisherigen Vollzügen nicht gepfändeten Gegenstände am Wohnsitz des Hauptschuldners vorhanden, nämlich ein Kühlschrank samt Eiswürfelmaschine, ein Schwedenkamin und eine Gartengarnitur, wobei die beiden erstgenannten Gegenstände als dem Haushalt dienend iSd § 250 Abs 1 Z 1 EO unpfändbar sein könnten.
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten weiterer Exekutionsmaßnahmen des Gläubigers sei derjenige der Inanspruchnahme des Bürgen, bei klageweiser Geltendmachung derjenige der Klageerhebung. Zu diesem Zeitpunkt müssten weitere Exekutionsschritte gegen den Hauptschuldner aussichtslos gewesen sein, weil davor alle zumutbaren Maßnahmen versucht worden und ergebnislos geblieben seien. Entscheidend sei somit, ob früher (im Sommer 2009 unmittelbar nach Bekanntgabe der noch pfändbaren Gegenstände durch die Beklagte) gesetzte Betreibungsmaßnahmen gegen den Hauptschuldner erfolgreich gewesen wären. Dies hänge von der näheren Beschreibung der pfändbaren Gegenstände ab. Erst bei Kenntnis von Anschaffungspreis, Alter und Zustand könne auf den Wert dieser Gegenstände und auf deren Verwertbarkeit geschlossen werden. Die Beklagte habe zu diesen Fragen bloß teilweise Vorbringen erstattet, es lägen auch nur teilweise Beweisergebnisse vor. Im fortgesetzten Verfahren sei den Parteien Gelegenheit zu geben, detailliertes Vorbringen zu den der Exekution unterliegenden Fahrnissen zu erstatten.
Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof begründete das Berufungsgericht damit, dass keine Rechtsprechung zu den Folgen der Unterlassung von in § 98 Abs 2 EheG vorgesehenen Betreibungsmaßnahmen gegen den Hauptschuldner, die zu einer teilweisen Einbringlichkeit der Forderung geführt hätten, und zum maßgebenden Beurteilungszeitpunkt existiere.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der (richtig) Rekurs der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem sinngemäßen Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichts im klagsstattgebenden Umfang wiederhergestellt werde.
Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben, allenfalls in der Sache selbst dahin zu entscheiden, dass die Klage abgewiesen werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtslage verkannte. Er ist auch berechtigt.
Die klagende Partei macht geltend, § 98 Abs 2 EheG lasse § 1356 ABGB unberührt, wonach der Ausfallsbürge sogleich belangt werden könne, wenn der Hauptschuldner in Konkurs gerate und der Gläubiger nicht nachlässig gewesen sei. Dem Umstand der Konkurseröffnung sei auch die Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Kostendeckung gleichzuhalten. Das Bezirksgericht Wiener Neustadt habe am 26. 6. 2009 den Beschluss über die Nichteröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens mangels Kostendeckung gefasst. Die Beklagte habe erst danach erstmalig Kontakt zu den Klagevertretern aufgenommen. Davor habe die klagende Partei die sonst notwendigen Schritte gemäß § 98 Abs 2 EheG unternommen. Die späteren Behauptungen und Angaben der Ausfallsbürgin hätten ihre Inanspruchnahme nicht gehindert. Davon abgesehen wäre es der klagenden Partei bei realistischer Einschätzung der Erfolgsaussichten unzumutbar gewesen, die vom Berufungsgericht als geboten erachteten Betreibungsmaßnahmen vorzunehmen.
Hierzu wurde erwogen:
1. Der Begriff des Ausfallsbürgen ist nicht gesetzlich definiert; dieser Bürgschaftstyp ist im ABGB auch nicht allgemein geregelt (4 Ob 589/95 mwN; 3 Ob 58/05h; RIS‑Justiz RS0081756). Ausfallsbürgschaft liegt bei der Einschränkung der Bürgschaft auf den Fall der Uneinbringlichkeit der Hauptschuld vor. Der Gläubiger kann ‑ von den Ausnahmen des § 1356 ABGB abgesehen ‑ erst dann auf den Bürgen greifen, wenn er gegen den Hauptschuldner geklagt und vergeblich Exekution geführt hat (3 Ob 58/05h; P. Bydlinski in KBB³ § 1346 Rz 15). Die näheren Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Ausfallsbürgen hängen von der Vereinbarung ab, mit der die Parteien den Uneinbringlichkeitsfall enger oder weiter festlegen können (4 Ob 589/95; 3 Ob 58/05h).
In § 98 Abs 2 EheG wurden allerdings die Voraussetzungen für den Eintritt der subsidiären Haftung des Ausfallsbürgen für den dort geregelten Spezialbereich gesetzlich festgelegt. Dies war deshalb notwendig, weil diese Bürgschaft nicht auf Vereinbarung, sondern auf Richterspruch beruht (4 Ob 589/95; Gamerith in Rummel, ABGB³ § 1356 Rz 5). Entscheidet das Gericht (§ 92 EheG) oder vereinbaren die Ehegatten (§ 97 Abs 2, gegebenenfalls § 55a EheG), wer von beiden im Innenverhältnis zur Zahlung der Kreditverbindlichkeiten, für die beide haften, verpflichtet ist, so hat das Gericht auf Antrag mit Wirkung für den Gläubiger auszusprechen, dass derjenige Ehegatte, der im Innenverhältnis zur Zahlung verpflichtet ist, Hauptschuldner, der andere Ausfallsbürge wird (§ 98 Abs 1 Satz 1 EheG; 2 Ob 25/10f mwN).
Ein derartiger Beschluss liegt hier vor.
2. Gemäß § 98 Abs 2 Satz 1 EheG kann der Ausfallsbürge ‑ vorbehaltlich des § 1356 ABGB ‑ nur wegen des Betrags belangt werden, der vom Hauptschuldner nicht in angemessener Frist hereingebracht werden kann, obwohl der Gläubiger gegen ihn nach Erwirkung eines Exekutionstitels 1. Fahrnis‑ und Gehaltsexekution und 2. Exekution auf eine dem Gläubiger bekannte Liegenschaft des Hauptschuldners, die offensichtlich für die Forderung Deckung bietet, geführt sowie 3. Sicherheiten, die dem Gläubiger zur Verfügung stehen, verwertet hat.
Der Oberste Gerichtshof vertritt in Anlehnung an die Ausführungen Gameriths (Die Kreditmithaftung geschiedener Ehegatten, RdW 1987, 183 [189]) überdies die Auffassung, dass der Bürge eine von vornherein aussichtslose Exekutionsführung nicht begehren kann (6 Ob 561/93; 4 Ob 589/95; 3 Ob 58/05h; RIS‑Justiz RS0057763), wobei die Beweislast für die Unzumutbarkeit der im Gesetz vorgesehenen Schritte beim Gläubiger liegt (6 Ob 561/93). Hat aber der Gläubiger Exekution geführt und Sicherheiten verwertet, so liegt es am Ausfallsbürgen, substantiiert zu behaupten und zu beweisen, dass weitere Exekutionsschritte sinnvoll und erfolgversprechend gewesen wären (8 Ob 9/93).
3. Das Berufungsgericht hat sich in seinem Aufhebungsbeschluss zwar auf die soeben erörterte Rechtsprechung gestützt, dabei jedoch dem auf § 1356 ABGB verweisenden Vorbehalt nicht die erforderliche Beachtung geschenkt.
Diese Bestimmung normiert zwei Ausnahmen vom Subsidiaritätsprinzip der Bürgschaft, nämlich (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes [IRÄG] 2010) die Eröffnung des Konkurses (nunmehr: des Insolvenzverfahrens) über das Vermögen des Hauptschuldners und dessen unbekannter Aufenthalt. Bei beiden Tatbeständen ist es überdies erforderlich, dass der Gläubiger keine Nachlässigkeit bei der Verfolgung seines Anspruchs zu verantworten hat (vgl P. Bydlinski aaO § 1356 Rz 4). Der Hinweis in § 98 Abs 2 EheG auf § 1356 ABGB bedeutet somit, dass der Ausfallsbürge vor dem Hauptschuldner belangt werden kann, wenn einer der beiden Ausnahmefälle vorliegt und der Gläubiger nicht „nachlässig“ war (8 Ob 9/93).
Im Schrifttum besteht Einigkeit darüber, dass dem Fall der Konkurseröffnung gleichsteht, wenn der Konkurs mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet wurde (P. Bydlinski aaO § 1356 Rz 2; Gamerith in Rummel aaO § 1356 Rz 1; Mader/W. Faber in Schwimann, ABGB³ VI § 1356 Rz 2; Ofner in Schwimann, ABGB‑TaKomm § 1356 Rz 2; Th. Rabl in Kletečka/Schauer in ABGB‑ON 1.00 § 1356 Rz 5; Stabentheiner in Rummel, ABGB³ II/4 § 98 EheG Rz 7; Deixler‑Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR [2011] § 98 EheG Rz 17; Gitschthaler in Schwimann, ABGB4 I § 98 EheG Rz 13). Dies findet seine sachliche Rechtfertigung darin, dass es zur Ablehnung der Konkurseröffnung nur deshalb kommt, weil der zahlungsunfähige Schuldner nicht einmal über genügend Vermögen verfügt, um die Kosten des Verfahrens decken zu können, und daher umso weniger mit der Hereinbringung des geschuldeten Betrags vom Hauptschuldner gerechnet werden kann. In diesen Fällen kann ‑ die Fälligkeit der Forderung vorausgesetzt ‑ sofort auf den Ausfallsbürgen gegriffen werden, ohne dass es zuvor noch der in § 98 Abs 2 EheG vorgesehenen Eintreibungsmaßnahmen gegen den Hauptschuldner bedarf (vgl zB Mader/W. Faber aaO § 1356 Rz 1; Ofner aaO § 1356 Rz 1; Deixler‑Hübner aaO Rz 18; Gitschthaler aaO Rz 13). Aus dieser Rechtslage ist zu folgern, dass eine dem Gläubiger allenfalls vorwerfbare eigene „Nachlässigkeit“ iSd § 1356 ABGB keinesfalls in der Unterlassung von Eintreibungsmaßnahmen nach der Verwirklichung eines der erwähnten Ausnahmetatbestände liegen kann.
4. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde mit Beschluss vom 26. 6. 2009 die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Hauptschuldners (gemäß § 71a Abs 2 iVm § 181 KO) mangels kostendeckenden Vermögens abgelehnt. Es lag somit einer der Ausnahmetatbestände des § 1356 ABGB vor, der es dem Gläubiger ermöglicht, den Ausfallsbürgen sofort, dh ohne weitere Eintreibungsmaßnahmen gegen den Hauptschuldner in Anspruch zu nehmen. Davor hatte die klagende Partei die in § 98 Abs 2 EheG vorgesehenen Schritte gesetzt und auch die ihr zur Verfügung stehenden Sicherheiten verwertet. Als sie von der Beklagten mit Schreiben vom 21. 7. 2009 konkrete Hinweise auf angeblich doch noch pfändbares Vermögen des Hauptschuldners erhielt, war der am 29. 6. 2009 öffentlich bekannt gemachte Beschluss des Konkursgerichts bereits rechtskräftig (vgl RIS‑Justiz RS0036582 [T4], RS0065237 [T4]). Unter diesen Umständen war die klagende Partei zu weiteren Eintreibungsmaßnahmen gegen den Hauptschuldner nicht mehr verpflichtet. Die Unterlassung solcher Maßnahmen kann ihr weder als „Nachlässigkeit“ iSd § 1356 ABGB zum Vorwurf gemacht werden, noch liegt darin eine Verletzung ihrer in § 98 Abs 2 EheG normierten Obliegenheiten.
5. Damit ist aber die Sache bereits spruchreif. Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts ist zu beseitigen und in der Sache selbst ist das erstinstanzliche Urteil im stattgebenden Umfang wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Für den Rekurs gebührt lediglich ein Einheitssatz von 50 %.
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