Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S
8.154 (darin S 1.359 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit rechtskräftigem Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 27.5.1991 wurde die zwischen dem Beklagten und Angelika R***** (der ursprünglich Erstbeklagten im vorliegenden Verfahren) geschlossene Ehe gemäß § 55 a EheG geschieden. Die Eheleute hatten als Kreditnehmer bei der klagenden Partei einen Kredit aufgenommen. Für den Fall des Verzuges waren Verzugszinsen von 16 % p.a. vereinbart Über Antrag beider Teile sprach das Gericht mit Wirkung für die klagende Partei aus, daß für einen Kreditbetrag von S 315.000 auf dem Kreditkonto Nr.325.250.751 Angelika R***** hinsichtlich eines Betrages von S 145.000 zuzüglich Zinsen Hauptschuldnerin und der Beklagte Ausfallsbürge und hinsichtlich des restlichen Kreditbetrages samt Zinsen der Beklagte Hauptschuldner und Angelika R***** Ausfallsbürgin sei. Dieser Beschluß wurde der klagenden Partei zugestellt, die eine "Kreditteilung" vornahm und die beiden Kreditnehmer davon verständigte. Für den Betrag von S 155.729, für welchen Angelika R***** Hauptschuldnerin war, wurde eine neue Kontonummer zugeteilt. Angelika R***** leistete keinerlei Zahlungen, so daß zum 28.2.1992 auf ihrem Konto ein Betrag von S 162.599,52 unberichtigt aushaftete.
Die Klägerin begehrte von Angelika R***** als Erstbeklagter und von Siegfried R***** als Zweitbeklagtem zur ungeteilten Hand S 163.799,52 samt 16 % Verzugszinsen p.a. seit 28.2.1992 bei kontokorrentmäßiger vierteljährlicher Abrechnung der Zinsen zunächst mit dem Vorbringen, sie habe der Erstbeklagten einen Kredit in Höhe von S 145.000 eingeräumt, welcher in monatlichen Raten zurückzuzahlen gewesen wäre. Die Erstbeklagte sei mit ihren Rückzahlungsverpflichtungen in Verzug geraten. Der Kredit hafte nach qualifizierter Mahnung zum 28.2.1992 mit S 163.799,52 aus. "Die weiteren Beklagten hafteten entweder als Bürge und Zahler zur ungeteilten Hand neben der Erstbeklagten oder als Mitverpflichtete".
Gegen Angelika R***** erging am 10.7.1992 in diesem Verfahren ein Versäumungsurteil, mit welchem sie schuldig erkannt wurde, S 163.799,52 samt 16 % Verzugszinsen p.a. seit 28.2.1992 bei kontokorrentmäßiger vierteljährlicher Abrechnung der Zinsen zu zahlen und die Prozeßkosten zu ersetzen. Das Versäumungsurteil ist in Rechtskraft erwachsen.
Nachdem der Beklagte gegen das Klagebegehren die anläßlich der Ehescheidung getroffene und vom Erstgericht beschlossene Regelung über das Kreditverhältnis eingewendet und vorgebracht hatte, er schulde als Ausfallsbürge der Klägerin so lange nichts, als diese nicht versucht habe, durch exekutive Maßnahmen den Klagsbetrag von seiner geschiedenen Frau hereinzubringen, brachte die Klägerin vor, gegen Angelika R***** sei eine Vielzahl von Exekutionen anhängig, die alle ergebnislos verlaufen seien. Sie sei überschuldet und konkursreif, beim Landesgericht Feldkirch sei daher ein Antrag auf Konkurseröffnung gestellt worden. Bei dieser Sachlage sei es sinnwidrig und aussichtslos gewesen, zunächst exekutive Schritte gegen die vormals Erstbeklagte zu unternehmen. Die Klägerin könne den Beklagten daher sogleich in Anspruch nehmen.
Das Erstgericht stellte über den unbestrittenen Sachverhalt hinaus fest, daß gegen Angelika R***** im Jahre 1992 vom Bezirksgericht Feldkirch von verschiedenen Gläubigern Fahrnis- und Gehaltsexekutionen aufgrund verschiedenster Forderungen geführt wurden, die ergebnislos geblieben sind. Daß allfällige weitere Vollstreckungshandlungen im Ausland erwirkt werden müßten, könne nicht festgestellt werden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Im Sinne des § 98 EheG könne der Beklagte als Ausfallsbürge nur wegen des Betrages belangt werden, der vom Hauptschuldner nicht in angemessener Frist hereingebracht werden könne, obwohl der Gläubiger gegen ihn nach Erwirkung eines Exekutionstitels die in dieser Gesetzesstelle im einzelnen angeführten Schritte unternommen habe. Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Beklagten seien nicht gegeben, weil die Klägerin exekutionsrechtliche Schritte gegen Angelika R***** überhaupt nicht eingeleitet habe. Die Klägerin sei daher derzeit nicht berechtigt, den Beklagten für jenen Teil des Kredites in Anspruch zu nehmen, für den er nur als Ausfallsbürge hafte.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei teilweise Folge und erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin den Betrag von S 162.599,52 samt 16 % Zinsen seit 28.2.1992 bei kontokorrentmäßiger vierteljährlicher Zinsenabrechnung zu zahlen und wies das Mehrbegehren von S 1.200 samt Anhang ab.
Es führte aus, die gerügten Verfahrensmängel - die Unterlassung der Beischaffung des Aktes 13 Nc 141/92 des Landesgerichtes Feldkirch (Konkurseröffnungsantrag, welcher ergeben hätte, daß die Hauptschuldnerin ins Ausland verzogen sei) seien aus rechtlichen Gründen nicht entscheidend. Es sei dem Erstgericht zuzustimmen, daß der Wortlaut des § 98 Abs 2 EheG vom Gläubiger die Vornahme bestimmter Verfahrensschritte verlange, ehe er den Ausfallsbürgen belangen dürfe; insbesondere müsse der Gläubiger versuchen, zunächst einen Exekutionstitel zu erwirken und diesen im Sinne des § 98 Abs 2 Z 1 bis 3 EheG auch durchzusetzen. Das Berufungsgericht schließe sich aber den Ausführungen von Gamerith in RdW 1987, 189 an, daß das Moment der "Zumutbarkeit" der im Gesetz aufgezählten Maßnahmen im Wortlaut des Gesetzes bei inländischer Klagsführung nur in einem zeitlichen Element zum Ausdruck komme; die Schuld müsse "in angemessener Frist" hereingebracht werden können. Der Justizausschußbericht biete aber Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber mit der Anordnung bestimmter Exekutionsschritte nur habe ausdrücken wollen, was dem Gläubiger im Regelfall zumutbar sei. Der von der Judikatur allgemein entwickelte Grundsatz, daß der Bürge die Fortführung einer von vornherein aussichtslosen Zwangsvollstreckung nicht begehren dürfe, sei daher auch auf die inländische Exekutionsführung nach § 98 Abs 2 Z 1 bis 3 EheG anzuwenden. Damit stehe aber fest, daß eine Reihe von Exekutionen gegen die Hauptschuldnerin durch andere Gläubiger erfolglos geblieben sei und solche Schritte durch die Klägerin ebenfalls als aussichtslos zu beurteilen seien. Eine exekutive Vorgangsweise in aussichtslosen Fällen würde nur zu einer unnötigen finanziellen Belastung des Ausfallsbürgen führen und sei auch wenig verfahrensökonomisch. Der Berufung sei daher im Umfang des vom Erstgericht festgestellten aushaftenden Kreditbetrages samt Verzugszinsen Folge zu geben, nicht aber eine Haftung zur ungeteilten Hand auszusprechen gewesen, weil in diesem Umfang jedenfalls die frühere Kreditvereinbarung durch den Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirch abgeändert worden sei.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu der behandelten Frage, der über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme, eine höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Der nach der Vereinbarung der Ehegatten (§ 97 Abs 2, ggfls. § 55 a Abs 2 EheG) oder vom Gericht (§ 92 EheG) bestimmte Ausfallsbürge kann nach dem Wortlaut des § 98 Abs 2 EheG - vorbehaltlich des § 1356 ABGB - nur wegen des Betrages belangt werden, der vom Hauptschuldner nicht in angemessener Frist hereingebracht werden kann, obwohl der Gläubiger gegen ihn nach Erwirkung eines Exekutionstitels 1. Fahrnis- oder Gehaltsexekution und 2. Exekution auf eine dem Gläubiger bekannte Liegenschaft des Hauptschuldners, die offensichtlich für die Forderung Deckung bietet, geführt sowie 3. Sicherheiten, die dem Gläubiger zur Verfügung stehen, verwertet hat. Müßte der Exekutionstitel im Ausland erwirkt oder müßten die angeführten Exekutionsmaßnahmen im Ausland durchgeführt werden, bedarf es ihrer nicht, soweit sie dem Gläubiger nicht möglich oder nicht zumutbar sind.
Wie schon Gamerith in RdW 1987, 183 (189) zutreffend ausgeführt hat, verlangt § 98 Abs 2 EheG vom Gläubiger die Vornahme bestimmter Verfahrensschritte, ehe er den Ausfallsbürgen belangen darf. Das Moment der Zumutbarkeit dieser Maßnahmen im Einzelfall kommt bei inländischer Klagsführung und Exekution im Wortlaut des Gesetzes nur in einem zeitlichen Element zum Ausdruck, die Schuld muß dadurch "in angemessener Frist" hereingebracht werden können. Im Justizausschußbericht (729 BlgNR 16.GP) wird zur Erläuterung der Regelung des § 98 im besonderen Teil zunächst ausgeführt, daß das ABGB die Frage einer allfälligen Subsidiarität der Haftung ausdrücklich nur für die sogenannte gemeine Bürgschaft (§ 1355) und die Solidarbürgschaft (§ 1357), nicht aber für die Ausfallbürgschaft regle. § 1356 knüpfe nur an eine vorliegende Vereinbarung einer weitergehenden Subsidiarität an. Welche Eintreibungsschritte der Gläubiger gegen einen Hauptschuldner setzen müsse, bevor er auf den Ausfallsbürgen greifen könne, sei also gesetzlich nicht geregelt, sondern müsse jeweils im Einzelfall vereinbart werden. Um einer nach § 98 Abs 1 EheG gefällten Entscheidung präzise Rechtsfolgen zu verleihen, bedürfe es daher einer Regelung, welche Schritte vom Gläubiger gesetzt werden müßten, bevor er auf den Ausfallsbürgen greifen können, wenn er vom Hauptschuldner den geschuldeten Betrag nicht hereinbekomme. Nach Erörterung der einzelnen im § 98 Abs 2 Z 1 bis 3 EheG als erforderlich angeführten Maßnahmen - auch hier wird auf die Zumutbarkeit in angemessener Frist, welche sich nach den Umständen des Einzelfalles richte, hingewiesen - heißt es im JAB wörtlich: "Im übrigen wird durch § 98 Abs 2 klargestellt, daß auf diesen Fall der Ausfallsbürgschaft § 1356 ABGB anzuwenden ist. Bei Aussichtslosigkeit von Eintreibungsmaßnahmen nach dieser Gesetzesstelle gegen den Hauptschuldner soll sofort auf den Bürgen gegriffen werden können. Der Gläubiger soll keine wertvolle Zeit durch die ihm im § 98 Abs 2 aufgetretenen (richtig wohl aufgetragenen) Schritte verlieren, wenn von vornherein feststeht, daß sie erfolglos sein werden." Mag dies auch im Wortlaut des Gesetzes nicht klar zum Ausdruck kommen, so wollte der Gesetzgeber offensichtlich mit dem an den Beginn des Abs 2 des § 98 EheG gestellten Einschub "- vorbehaltlich des § 1356 ABGB -" zum Ausdruck bringen ("klarstellen"), daß die in der Folge in den Ziffern 1 bis 3 angeführten Maßnahmen auch dann nicht erforderlich sind, wenn ein Fall des § 1356 ABGB vorliegt, unter welchen er offenbar ("nach dieser Gesetzesstelle") auch den Fall subsumierte, daß eine Exekution von vornherein aussichtslos sei, also den von der Judikatur entwickelten Grundsatz, daß der Bürge die Durchführung einer von vornherein aussichtslosen Zwangsvollstreckung nicht begehren kann, angewendet wissen wollte.
Berücksichtigt man noch, daß durch die Regelung des § 98 EheG einschneidend in bestehende Verträge zu Lasten des Gläubigers eingegriffen wird, so erscheint es auch billig, dem Willen des Gesetzgebers zum Durchbruch zu verhelfen, mag dieser auch im Gesetzestext nicht klar zum Ausdruck kommen und dem Gläubiger nicht noch weitere, nicht sinnvolle und mit unnötigen Kosten verbundene Schritte zuzumuten, die ihm, sollten sie im Ausland erforderlich sein, unter denselben Prämissen jedenfalls ausdrücklich erspart werden. Auch dies wäre eine Differenzierung, die jeder sachlichen Grundlage entbehrt. Der erkennende Senat teilt daher die Ansicht Gameriths aaO (anderer Meinung M.Bydlinski Verfahrens- und materiellrechtliche Fragen bei der Ehegattenbürgschaft ÖBA 1988, 471), daß der Gesetzgeber mit der Anordnung bestimmter Exekutionsschritte nur ausdrücken wollte, was dem Gläubiger im Regelfall zumutbar ist und der von der Judikatur entwickelte Grundsatz, daß der Bürge die Durchführung einer von vornherein aussichtslosen Zwangsvollstreckung nicht begehren kann, auch für § 98 EheG Gültigkeit hat, wobei allerdings die Beweislast für die Unzumutbarkeit der im Gesetz vorgesehenen Schritte beim Gläubiger liegt.
Diesen Beweis hat die klagende Partei im vorliegenden Fall durch den Nachweis einer ganzen Reihe von erfolglosen Exekutionen, zum Teil auch wegen geringfügiger Forderungen, erbracht (der von der klagenden Partei eingebrachte Antrag auf Konkurseröffnung - eine Aktenbeischaffung wurde trotz Antrages vom Erstgericht nicht durchgeführt - konnte nur einem Abwesenheitskurator zugestellt werden, weil die Verpflichtete ins Ausland verzogen sein soll; er wurde inzwischen mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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