OGH 2Ob640/86

OGH2Ob640/8616.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Karl G***, Industrieller, 2722 Winzendorf, Römerweg 306, infolge Revisionsrekurses des Karl G***, vertreten durch Dr.Wilhelm Philipp, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 14.Juli 1986, GZ. R 254/86-12, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 30.Mai 1986, GZ. SW 209/86-8, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

In dem hinsichtlich des Karl G***, geboren am 26.10.1898, anhängigen Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters hat das Erstgericht mit Beschluß ON 8 den Rechtsanwalt Dr.Gernot H*** zum einstweiligen Sachwalter bestellt.

Das Rekursgericht gab dem vom betroffenen Karl G*** erhobenen Rekurs, welcher sich lediglich dagegen wendete, daß nicht Rechtsanwalt Dr.Wilhelm P*** zum einstweiligen Sachwalter bestellt wurde, nicht Folge.

Gegen die rekursgerichtliche Entscheidung richtet sich der auf die Beschwerdegründe der Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit und offenbaren Gesetzwidrigkeit gegründete Revisionsrekurs des Betroffenen mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß Rechtsanwalt Dr.Wilhelm P*** zum einstweiligen Sachwalter bestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, enthält § 249 AußStrG keine abschließende Regelung des Rechtsmittelverfahrens in Sachwalterschaftssachen, sodaß, soweit diese Bestimmung nichts Abweichendes normiert, die allgemeinen Bestimmungen der §§ 9 ff AußStrG gelten. Auch im Verfahren zur Bestellung von (einstweiligen) Sachwaltern für behinderte Personen ist somit § 16 AußStrG anzuwenden (7 Ob 621/84, 3 Ob 543/85, 6 Ob 546/85, 8 Ob 538/86 ua).

Das auf die vorgenannte Bestimmung gestützte Rechtsmittel des Betroffenen ist unzulässig, weil keiner der gesetzlichen Beschwerdegründe vorliegt.

Eine Nichtigkeit der rekursgerichtlichen Entscheidung wird vom Betroffenen darin erblickt, daß das Gericht ein "von Dritten vorgelegtes" Schreiben vom 20.6.1986 zum Akt genommen und einer nicht am Verfahren beteiligten Person Akteneinsicht gewährt habe sowie daß das Rekursgericht keine mündliche Verhandlung zur Verfahrensergänzung bzw.-erörterung durchgeführt habe, obwohl dies wegen des inzwischen vorgelegten Schreibens vom 20.6.1986 erforderlich gewesen wäre.

Nach ständiger Rechtsprechung sind die Nichtigkeitsgründe des § 477 ZPO im Außerstreitverfahren sinngemäß anzuwenden. Darüberhinaus kann in besonders gelagerten Fällen auch anderen Verfahrensverstößen im Hinblick auf ihre einschneidende Bedeutung das Gewicht einer Nichtigkeit im Sinne des § 16 AußStrG beigemessen werden, zB bei schwerwiegenden Mängeln in der Stoffsammlung oder, wenn der Verfahrensverstoß geradezu eine Rechtsverweigerung zur Folge hätte (EvBl.1975/111, 1976/85, 8 Ob 569/86 uva). Unter allen diesen Gesichtspunkten kann aus dem oben stehenden Vorbringen des Rechtsmittelwerbers aber keine Nichtigkeit der rekursgerichtlichen Entscheidung abgeleitet werden. Das - rein äußerlich betrachtet - offenbar vom Betroffenen stammende Schreiben vom 20.6.1986 war von dessen zweiten bevollmächtigten Vertreter Rechtsanwalt Dr.K*** wohl erst nach der erstgerichtlichen Beschlußfassung vorgelegt worden, das Rekursgericht ist aber der erstgerichtlichen Begründung, warum nicht Rechtsanwalt Dr.Wilhelm P***, sondern Rechtsanwalt Dr.Gernot H*** zum einstweiligen Sachwalter bestellt wurde, ausdrücklich beigetreten. Ein Mangel in der Stoffsammlung im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 20.6.1986 kommt daher ebensowenig in Frage, wie ein einer Rechtsverweigerung gleichkommender Verfahrensverstoß.

Als aktenwidrig rügt der Rechtsmittelwerber die rekursgerichtliche Ansicht, daß zwischen ihm und Rechtsanwalt Dr.Wilhelm P*** "kein besonderes Vertrauensverhältnis" bestehe und gegen die Bestellung des Rechtsanwaltes Dr.Gernot H*** zum einstweiligen Sachwalter außer dem "leicht behebbaren Informationsmangel" keine Einwände vorgebracht werden könnten. Dem ist zu entgegnen, daß tatsächliche oder rechtliche Schlußfolgerungen keine Aktenwidrigkeit begründen (3 Ob 630/79, 5 Ob 667/79, EFSlg.37.376, 39.780 uva), eine solche vielmehr nur dann vorliegt, wenn ein Widerspruch zwischen dem Inhalt eines bestimmten Aktenstückes einerseits und der Zugrundelegung und Wiedergabe desselben durch das Gericht andererseits gegeben ist (2 Ob 503/79, 7 Ob 571/83, 6 Ob 799/83).

Schließlich vermeint der Rechtsmittelwerber, die angefochtene Entscheidung sei aus mehrfachen Gründen offenbar gesetzwidrig. Zunächst hätte gemäß § 10 AußStrG auf die in seinem Rekurs genannten Schreiben vom 18.6.1986 Bedacht genommen werden müssen. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung setzt die Annahme einer offenbaren Gesetzwidrigkeit eine materiell-rechtliche Unrichtigkeit der Entscheidung voraus; ein, wie hier, behaupteter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften genügt hiezu entgegen der Ansicht des Betroffenen somit nicht.

Hinsichtlich der Auswahl der Person des einstweiligen Sachwalters steht der Rechtsmittelwerber auf dem Standpunkt, daß eine nahestehende Person, hier seine Ehefrau, bei Notwendigkeit von Rechtskenntnissen aber Rechtsanwalt Dr.Wilhelm P***, zum einstweiligen Sachwalter hätte bestellt werden müssen, weil dies dem Wunsche des Betroffenen entspreche. Wenn, dann hätte nur zwischen den beiden vom Betroffenen bevollmächtigten Rechtsanwälten, also Dr.Wilhelm P*** und Dr.Norbert K***, die Auswahl getroffen werden dürfen.

Bei der Auswahl eines Sachwalters durch das Gericht handelt es sich grundsätzlich um eine Ermessensentscheidung. Eine solche liegt daher insbesondere auch dann vor, wenn gemäß § 281 Abs.3 ABGB ein Rechtsanwalt auszuwählen ist, weil die Angelegenheiten des Betroffenen vorwiegend Rechtskenntnisse erfordern. Bei Ermessensentscheidungen ist eine offenbare Gesetzwidrigkeit schon begrifflich ausgeschlossen, es sei denn, es handelte sich um einen Ermessensmißbrauch, was der Rechtsmittelwerber vorliegendenfalls indes selbst nicht behauptet und wovon auch nach der Aktenlage nicht die Rede sein kann. Auch eine offenbare Gesetzwidrigkeit, welche eine im Widerspruch zu einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung und damit zur klaren Absicht des Gesetzgebers stehende Entscheidung voraussetzt, ist somit nicht gegeben.

Mangels Vorliegens eines der im § 16 AußStrG geforderten Beschwerdegründe ist der Revisionsrekurs demnach unzulässig.

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