European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120884
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Rekurse werden zurückgewiesen.
Jeder Beklagte ist schuldig, den Klägerinnen die mit (pro Beklagtem) 1.474,38 EUR (darin enthalten 245,73 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Erstklägerin und die Beklagten sind die leiblichen Kinder der am 3. September 2015 verstorbenen Erblasserin. Die Zweitklägerin ist die Tochter der Erstklägerin. Mit Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 25. Oktober 2016, GZ 43 A 175/15x‑20, wurde der Nachlass der Erblasserin den Beklagten je zur Hälfte eingeantwortet. Ob einer näher bezeichneten Liegenschaft ist aufgrund dieses Einantwortungsbeschlusses das Eigentum der Beklagten je zur Hälfte einverleibt.
Gegenstand des Verfahrens ist ein Vermächtnis der Erblasserin vom 20. Jänner 2012, in welchem sie hinsichtlich der Liegenschaft ein zu verbücherndes Vorkaufsrecht für alle Veräußerungsfälle zugunsten der Erst- und Zweitklägerin sowie zweier weiterer Kinder der Erstklägerin anordnete.
Gegenstand des Rekursverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof ist nur das Begehren der Klägerinnen auf Einräumung des Vorkaufsrechts gemäß Punkt 5. des Vermächtnisses auf den jeweiligen Hälfteanteilen der Liegenschaft und die Unterfertigung einer entsprechenden Aufsandungserklärung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne weitere Feststellungen ab und schloss sich der im Verfahren vertretenen Ansicht der Beklagten an, alle im Vermächtnis eingesetzten Vorkaufsberechtigten bildeten eine notwendige Streitgenossenschaft, weshalb den Klägerinnen ohne Beteiligung der beiden anderen Vorkaufsberechtigten die aktive Klagelegitimation fehle.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Eine identische Beurteilung der Rechtswirksamkeit des Vermächtnisses – die hier von den Beklagten mit der Behauptung der mangelnden Testierfähigkeit der Erblasserin bestritten wurde – wäre zwar wünschenswert. Jedoch rechtfertige es der Wunsch nach Entscheidungsharmonie alleine nicht, dass alle Legatare zwingend (bei sonstiger Klageabweisung) gemeinsam prozessieren müssten. Das „Hineinzwingen" aller Beteiligten in eine notwendige Streitgenossenschaft solle die Ausnahme bilden. Allfällige widersprüchliche Entscheidungen beträfen grundsätzlich nicht das Verhältnis der Legatare zueinander, sondern nur das Verhältnis jedes einzelnen Legatars zu den Erben.
Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zu, weil der Oberste Gerichtshof die Gefahr „unlösbarer Verwicklungen" schon mit dem bloßen Argument der (auch hier bestehenden) Gefahr divergierender Entscheidungen bejaht habe.
Die Rekurse der Beklagten sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat das Vorliegen einer notwendigen Streitgenossenschaft im Einklang mit den Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verneint.
Eine notwendige Streitgenossenschaft liegt nach dieser Rechtsprechung vor, wenn es das materielle Recht gebietet, den Anspruch für oder gegen alle übrigen Partner zu erheben, sodass über den Streitgegenstand zwangsläufig eine einheitliche Entscheidung ergehen muss (RIS‑Justiz RS0035468). Dies wird angenommen, wenn für sämtliche Streitgenossen aus der Einheitlichkeit des rechtserzeugenden Sachverhalts ein allen Streitgenossen gemeinsames Begehren abgeleitet wird (zB Identität des Streitgegenstands), oder wenn die Kläger nur gemeinschaftlich über den strittigen Anspruch verfügen bzw die gemeinsame Sache verändern können, oder wenn das allen Streitgenossen gemeinschaftliche Rechtsverhältnis seiner Natur nach nur gegen alle oder für alle einheitlich festgestellt oder gestaltet werden kann (RIS‑Justiz RS0035409; 4 Ob 204/11w).
Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor: Das Begehren auf Einräumung des Vorkaufsrechts ist weder Feststellungs‑ noch Rechtsgestaltungsbegehren. Insoweit sind die in den Rechtsmitteln zitierten Entscheidungen 4 Ob 553/91, 4 Ob 14/06x und 9 Ob 33/08f nicht einschlägig. Es ist auch nicht ersichtlich, warum über das Begehren auf Einräumung des Vorkaufsrechts nur einheitlich für alle bedachten Vermächtnisnehmer entschieden werden kann (vgl dazu RIS‑Justiz RS0035496). So wäre es durchaus denkbar, dass einer oder beide der nicht am Verfahren beteiligten Vermächtnisnehmer auf dieses Vorkaufsrecht verzichten. Besteht aber keine rechtliche Notwendigkeit zu einer einheitlichen Entscheidung, liegt auch keine einheitliche Streitpartei iSd § 14 ZPO vor (RIS‑Justiz RS0035473 [T1]).
Auch mit der in den Rechtsmitteln hervorgehobenen Gefahr „unlösbarer Verwicklungen“ (vgl dazu RIS‑Justiz RS0035473; kritisch zu dieser Rechtsprechungslinie Perner, Notwendige Streitgenossenschaft bei „Gefahr unlösbarer Verwicklungen?“ Zak 2010, 27) wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt: Die Gefahr „unlösbarer Verwicklungen“ sehen die Rechtsmittelwerber dadurch begründet, dass die Frage der Rechtswirksamkeit des Vermächtnisses nur für alle Vermächtnisnehmer einheitlich endgültig geklärt werden kann. Ob diese Auffassung zutrifft, könnte allerdings nur für die Beurteilung des ursprünglich ebenfalls erhobenen Begehrens auf Feststellung der Rechtswirksamkeit des Vermächtnisses relevant sein, das bereits von den Vorinstanzen rechtskräftig abgewiesen wurde. Nach der gesicherten neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht nämlich Bindungswirkung nur an die im Vorprozess entschiedene Hauptfrage, nicht aber eine dort beurteilte Vorfrage (RIS‑Justiz RS0127052; RS0041178; 6 Ob 176/06k; 2 Ob 161/06z). Bei dem hier allein zu beurteilenden Begehren auf Einräumung des Vorkaufsrechts, also auf Erfüllung des Vermächtnisses durch die Erben, ist die Rechtswirksamkeit des Vermächtnisses nur vorfragenweise zu beurteilen. Dass diese Vorfragenbeurteilung in einem allfälligen Folgeverfahren, an dem die übrigen Vermächtnisnehmer beteiligt sind, nicht bindend ist, rechtfertigt die Annahme einer notwendigen Streitgenossenschaft nicht.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, allfällige widersprüchliche Entscheidungen beträfen grundsätzlich nicht das Verhältnis der Legatare zueinander, bezweifeln die Rechtsmittelwerber nicht.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS‑Justiz RS0123222). Die Klägerinnen haben auf die Unzulässigkeit der Rekurse hingewiesen. Die wortgleichen Rekursbeantwortungen hätten verbunden werden können, weshalb nur eine Rekursbeantwortung, jedoch mit einem Streitgenossenzuschlag von 15 % (statt der jeweils verzeichneten 10 %), zu honorieren war (RIS‑Justiz RS0036159 [T5]; Obermaier, Kostenhandbuch2 Rz 427). Da die Beklagten im Falle der Klagestattgebung in der Hauptsache nicht solidarisch haften (die Begehren betreffen den jeweiligen Miteigentumsanteil der Beklagten), war ihnen gemäß § 46 Abs 1 ZPO der Kostenersatz je zur Hälfte nach Kopfteilen aufzuerlegen.
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