Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Beklagten vermieteten ihre Liegenschaft in L***** mit Grundstücksmietvertrag vom 1. 3./13. 3. 1991 an die Klägerin zum Zweck der Errichtung eines Superädifikats für den Betrieb eines Handelsgewerbes mit Verkaufs- und Lagerhallen sowie Büroräumen. Die Klägerin errichtete auf dem Grundstück ein Superädifikat mit einer Fläche von 3.495 m².
Mit Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 17. 2. 2004, 11 C 1587/03, wurde die Klägerin schuldig erkannt, den Beklagten Verwaltungskosten gemäß § 22 MRG für das Jahr 2002 zu bezahlen. Grundlage dieser Entscheidung war die Feststellung, dass die Streitparteien in dem von ihnen abgeschlossenen Mietvertrag ausdrücklich vereinbarten, dass „die auf den Mietgegenstand entfallenden Betriebskosten iSd MRG" zu bezahlen bzw den Vermietern zu ersetzen sind. Die Klägerin bezahlte den Beklagten die Verwaltungsauslagen auch für die Jahre 2003, 2004 und für die Monate Jänner bis März 2005.
Die Klägerin fordert mit ihrer Klage von den Beklagten die Zahlungen der Verwaltungskosten für die Jahre 2003 und 2004 sowie für die Monate Jänner bis März 2005 zurück. Für diese gebe es keinen Rechtsgrund, sei doch die Entrichtung der tatsächlich gar nicht anfallenden Verwaltungsauslagen nicht vereinbart worden. Außerdem hätten die Beklagten auf die Einhebung von Verwaltungsauslagen schlüssig verzichtet, weil sie solche erstmals im Jahr 2003 für das Jahr 2002 begehrt hätten. Die Klägerin habe ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und mit dem Vorbehalt der Rückforderung an die Beklagten gezahlt. Das Urteil des Vorprozesses entfalte keine Bindungswirkung im vorliegenden Verfahren.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die Bindungswirkung des Urteils im Vorprozess stehe der Klagsforderung entgegen. Die Klägerin habe alle Argumente, die sie nunmehr zur Begründung des Klagebegehrens vorbringe, im früheren Verfahren zur Begründung der von ihr begehrten Klageabweisung vorgetragen. Die Klage sei auch inhaltlich nicht berechtigt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, dass zwar das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache nicht vorliege, weil der im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Anspruch nicht identisch mit jenem des Vorprozesses sei. Das Urteil im Vorprozess entfalte jedoch Bindungswirkung, sodass die Klägerin verpflichtet sei, auch die Verwaltungsauslagen für die Jahre 2003 bis 2005 und die folgenden Jahre bis zur Auflösung des Mietvertrags zu bezahlen. Durch den Eintritt der materiellen Rechtskraft der Vorentscheidung werde das Vorbringen aller Tatsachen ausgeschlossen, die zur Vervollständigung oder Entkräftung des rechtserzeugenden Sachverhalts dienten, aus dem das geltend gemachte Urteilsbegehren abgeleitet werde. Die von der Klägerin vorgebrachten Beweise sollten nur den rechtserzeugenden Sachverhalt des rechtskräftigen Urteils des Vorverfahrens widerlegen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Im Vorprozess sei die Streitfrage, ob die Beklagten Anspruch auf Verwaltungsauslagen nach § 22 MRG im Zusammenhang mit dem Mietvertrag zwischen den Streitparteien hätten, abschließend geregelt worden. Sie könne daher im vorliegenden Verfahren nicht unter Heranziehung weiterer Beweismittel neuerlich aufgerollt werden. Eine Klagsstattgebung verstieße gegen die materielle Bindungswirkung des Vorprozesses. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist, und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtskraft einer Entscheidung steht der Geltendmachung eines Anspruchs entgegen, wenn die Identität der Begehren und der Parteien vorliegt. Nach herrschender Auffassung über den durch das Klagebegehren (den Sachantrag) und den Klagegrund (den rechtserzeugenden Sachverhalt) bestimmten zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff (dazu Rechberger/Frauenberger in Rechberger², ZPO Vor § 226 Rz 15 mwN; Fasching in Fasching/Konecny²
Vor §§ 226 ff ZPO Rz 23 bis 30, 40 f und 43 f mwN) fehlt es - wie die Vorinstanzen insofern zutreffend erkannten - hier an der Identität der Begehren, weil die Beklagten als Kläger im Vorprozess von der Mieterin eine andere Leistung begehrten als die Klägerin nunmehr zurückverlangt. Es wurde aber auch schon ausgesprochen, dass die Bindungswirkung einer Vorentscheidung als Ausfluss der materiellen Rechtskraft auch bei Fehlen der Identität der Begehren im Fall einer Präjudizialität der Vorentscheidung zu bejahen sei, die derart vorliegen müsse, dass der rechtskräftig entschiedene Anspruch eine Vorfrage, also das bedingende Rechtsverhältnis für den neuen Anspruch ist, sodass über den neuen Anspruch nur dann entschieden werden kann, wenn gleichzeitig als Voraussetzung hiefür über den rechtskräftig entschiedenen Anspruch erkannt wird (SZ 2003/160; RIS-Justiz RS0041567). In mehreren Entscheidungen wurde trotz fehlender Identität der Begehren eine inhaltliche Bindung angenommen, wenn beide Prozesse in einem so engen inhaltlichen Zusammenhang stehen, dass die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung der selben, in beiden Fällen entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatten (RIS-Justiz RS0041157). Die ganz überwiegende jüngere oberstgerichtliche Rechtsprechung nimmt eine Bindungswirkung aber nur an die im Vorprozess entschiedene Hauptfrage, nicht aber eine dort beurteilte Vorfrage an (SZ 2003/160 mwN). Es wurde schon wiederholt ausgesprochen, dass alleine das Bedürfnis an einer Entscheidungsharmonie die Grenzen der materiellen Rechtskraft nicht auszuweiten vermag (2 Ob 99/00y mwN; RIS-Justiz RS0102102). Im Schrifttum (etwa Rechberger in FS Nakamura 485) wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die österreichische ZPO mit dem Zwischenantrag auf Feststellung ein Institut kennt, das - ausnahmsweise - die Möglichkeit einer rechtskräftigen Feststellung von Vorfragen eröffnet. Die Annahme, dass auch die Feststellungen über eine Vorfrage im Vorprozess selbständig rechtskräftig werden können, würde diesen Zwischenantrag auf Feststellung völlig entwerten und überdies dem Wortlaut des § 411 ZPO widersprechen, wonach präjudizielle Rechtsverhältnisse dann rechtskräftig entschieden werden, wenn sie zum Inhalt eines Zwischenfeststellungsantrags gemacht wurden. Werden Vorfragen ohnehin bindend festgestellt, wäre
dieser Halbsatz überflüssig (9 ObA 205/98g mwN; 5 Ob 12/99x = RdW
1999/414 = RZ 1999/52 = immolex 1999/96 = wobl 2000/26, 57). Gleiche
Regeln gelten insbesondere für Klagen, mit denen Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen erhoben werden, ohne dass gleichzeitig das Bestehen des Grundverhältnisses Gegenstand eines selbständigen Zwischenantrags und einer Entscheidung hierüber war (Fasching/Klicka in Fasching/Konecny² § 411 ZPO Rz 70). So wie einer Entscheidung anlässlich einer Mietzinsüberprüfung keine erweiterte Rechtskraftwirkung für spätere Zinsperioden aus Gründen einer Entscheidungsharmonie zukommt (5 Ob 12/99x), so entfaltet hier das sich auf Verwaltungsauslagen für das Jahr 2002 beziehende Urteil im Vorprozess keine Bindungswirkung für solche für spätere Zeiträume. Im Vorprozess wurde ein Zwischenantrag auf Feststellung des Anspruchs auf Verwaltungsauslagen für andere Perioden als 2002 nicht gestellt. Mit dem Gedanken der „Rechtssicherheit" ist es durchaus vereinbar, bei der Beurteilung eines neuen Anspruch Konsequenzen aus einer erkannten allfälligen Unrichtigkeit einer Vorentscheidung zu ziehen und jene nicht einfach „fortzuschreiben" (SZ 69/54; RIS-Justiz RS0102102). Gleiches muss auch gelten, wenn eine unvollständige Sachverhaltsgrundlage aufgrund unvollständiger Beweisaufnahme im Vorprozess behauptet wird und im Folgeprozess die Aufnahme zusätzlicher Beweismittel beantragt worden ist (4 Ob 46/98p). Da aufgrund der vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsauffassung der Vorinstanzen die zur Beurteilung des Klagebegehrens notwendigen Feststellungen nicht getroffen wurden, erweist sich die Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen und Rückverweisung der Rechtssache an das Gericht erster Instanz als unvermeidlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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