OGH 4Ob553/91

OGH4Ob553/9110.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred P*****, vertreten durch Dr.Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1) Maria F*****; 2) Franziska H*****; 3) Josef D*****;

4) Alois D*****, die erst- und die viertbeklagte Partei vertreten durch Dr.Georg Hoffmann, Rechtsanwalt in Graz, die zweitbeklagte Partei vertreten durch Dr.Teja H.Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung der Ungültigkeit eines Testamentes (Streitwert: 400.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 9.April 1991, GZ 1 R 267/90-41, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 27.Juni 1990, GZ 24 Cg 424/89-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

In dem zu A 137/89 des Bezirksgerichtes Weiz geführten Verlassenschaftsverfahren nach der am 21.4.1989 verstorbenen Apollonia D***** gab der Kläger - ein Ziehsohn der Erblasserin - auf Grund eines mündlichen Testamentes vom Februar oder März 1989 die unbedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß ab. Die vier Beklagten sind die Stiefkinder der Erblasserin, die ihr vorverstorbener Gatte in die mit ihr geschlossene Ehe mitgebracht hatte; sie haben auf Grund des schriftlichen Testamentes (notarieller Ehevertrag) vom 2.12.1926 zu je einem Viertel des Nachlasses die unbedingte Erbserklärung abgegeben. Sämtliche Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen; dem Kläger wurde mit Beschluß vom 14.11.1989 gemäß §§ 125 ff AußStrG die Klägerrolle zugewiesen.

Mit der Behauptung, daß das schriftliche Testament vom 2.12.1926 durch das spätere mündliche Testament der Erblasserin zu seinen Gunsten zur Gänze, jedenfalls aber in Ansehung des Hauses und Obstgartens, aufgehoben worden sei, begehrt der Kläger gegenüber den vier Beklagten die Feststellung der Ungültigkeit des schriftlichen Testamentes vom 2.12.1926 sowie die Feststellung, daß ihm auf Grund des mündlichen Testamentes ex 1989, beurkundet in den gerichtlichen Niederschriften des Bezirksgerichtes Weiz als Verlassenschaftsgericht vom 27.6. und 10.10.1989, GZ *****, das Erbrecht zum Nachlaß der Apollonia D***** zustehe.

Zur ersten Tagsatzung am 23.1.1990 erschienen neben dem Klagevertreter die vier Beklagten persönlich. Die Erst-, die Zweit- und der Viertbeklagte bestritten das Klagebegehren, der Drittbeklagte Josef D***** anerkannte. Daraufhin verkündete das Erstgericht auf Antrag des Klägers ein stattgebendes Anerkenntnisurteil (gemeint wohl: Teilanerkenntnisurteil) "betreffend den Drittbeklagten". Die - nur dem Kläger, der Zweitbeklagten und dem Drittbeklagten

zugestellten - schriftlichen Ausfertigungen des Anerkenntnisurteils enthielten den Beisatz "Dieser Ausspruch hat nur hinsichtlich der Drittbeklagten Geltung" (ON 5). Dieses Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.

Der folgende Rechtsstreit wurde sodann meritorisch allein mit der Erst-, der Zweit- und dem Viertbeklagten (nunmehr als "Erst- bis Drittbeklagte" bezeichnet) abgeführt. Diese beantragten die Abweisung des Klagebegehrens, weil ein wirksames außergerichtliches mündliches Testament der Erblasserin zugunsten des Klägers nicht vorliege. Weder habe die Erblasserin mündlich testiert, noch stimmten die Aussagen der drei Zeugen überein; zwei Zeugen habe überhaupt das Bewußtsein ihrer Zeugenschaft bei einer letztwilligen Verfügung gefehlt.

In der Folge wies das Erstgericht das Klagebegehren in Ansehung der Erst-, der Zweit- und des Viertbeklagten ab, weil nach seinen Feststellungen die Erblasserin im Februar oder März 1989 nicht wirksam mündlich im Sinne der §§ 585 f ABGB zugunsten des Klägers testiert habe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung abzuändern, hilfsweise die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben.

Die Erst-, und der Viertbeklagte stellen in den ihnen gemäß § 508a Abs 2 ZPO freigestellten Revisionsbeantwortungen den Antrag, das Rechtsmittel des Klägers als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben; die Zweitbeklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist entgegen der Meinung der Rechtsmittelgegner schon deshalb gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil einerseits die Rechtsprechung bisher nur das Vorliegen einer einheitlichen Streitpartei im Sinne des § 14 ZPO für mehrere Miterben aus demselben Berufungsgrund als Kläger im Erbrechtsstreit bejaht (GlU 15.554; GlUNF 6.970; JBl 1919, 61; NZ 1990, 258 = EFSlg 60.754), zu der Frage aber, ob dies auch auf die beklagte Personenmehrheit von Miterben aus demselben Berufungsgrund zutrifft, noch nicht ausdrücklich Stellung genommen hat; andererseits fehlt auch eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Auswirkungen eines rechtskräftigen (Teil)Anerkenntnisurteils gegen einen von mehreren beklagten Miterben im Erbrechtsstreit.

Die Revision ist im Sinne ihres Aufhebungsantrages berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Mit Recht geht der Revisionswerber davon aus, daß auch mehrere mit Erbrechtsklage belangte Miterben aus demselben Berufungsgrund notwendige Streitgenossen im Sinne des § 14 ZPO sind, weil dieselben Gründe, wie sie auf die aus gemeinsamem Berufungsgrund klagenden Erberechtsansprecher zutreffen auch für mehrere beklagte Miterben gelten.

Eine einheitliche Streitpartei ist (ua) auch dann gegeben, wenn die Gemeinschaftlichkeit der rechtserzeugenden Tatsachen zwangsläufig zu einer Einheitlichkeit der Entscheidung führen muß, wenn anders also die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Entscheidungen bestünde (RZ 1990/32 mwN). Die Gültigkeit des erbrechtlichen Berufungsgrundes berührt sämtliche Miterben, deren angenommene Erbserklärungen darauf basieren, als Träger des ihnen zustehenden Erbrechtes in gleichem Maße. Auch auf Beklagtenseite liegt daher vollständige Identität und Untrennbarkeit des Streitgegenstandes vor, wenn der gemeinsame Berufungsgrund (hier: schriftliches Testament) für mehrere erbserklärte Miterben von einem Erbansprecher auf Grund eines späteren mündlichen Testamentes angefochten wird. Sämtliche Miterben im Rahmen einer auf demselben Berufungsgrund beruhenden Erbengemeinschaft (Holzhammer in ÖJZ 1959, 621 FN 18) bilden somit im Erbrechtsstreit stets eine einheitliche Streitpartei, mag es sich um eine Erbengruppe auf der Kläger- oder auf der Beklagtenseite handeln (Sachers in JBl 1951, 521); für sie ebenso wie gegen sie kann die Unwirksamkeit des gemeinsamen Berufungsgrundes nur einheitlich festgestellt werden. Diesbezüglich divergierende Urteile in Ansehung einzelner Mitglieder einer solchen Erbengruppe würden einander nicht nur logisch widersprechen; sie stünden auch nicht im Einklang mit dem gesamten Aufbau des Abhandlungsverfahrens, in welchem ja die Parteirollen zugewiesen worden sind (Kralik in ÖJZ 1963, 142).

Im vorliegenden Fall sind daher alle vier Beklagten als Mitglieder einer einheitlichen Streitpartei und damit als einheitliches Parteisubjekt anzusehen, so daß die Handlung eines einzelnen Streitgenossen genügt, wenn die anderen säumig geblieben sind. Jede Verfügung über den Streitgegenstand bedurfte zu ihrer uneingeschränkten Wirksamkeit der Einstimmigkeit aller Mitglieder. War eine solche nicht zu erzielen, weil einander widersprechende Erklärungen der einzelnen Streitgenossen vorlagen oder nur einer oder einige von ihnen disponiert haben, dann gilt der aus § 14, letzter Satz, ZPO abzuleitende Grundsatz, daß die dem Prozeßstandpunkt der einheitlichen Streitpartei günstigste Erklärung maßgebend ist (Fasching II 198). Das im Gegensatz zur Bestreitung des Klagebegehrens durch die Erst-, die Zweit- und den Viertbeklagten stehende Anerkenntnis des Drittbeklagten war daher unwirksam (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 381); es hätte kein (Teil)Anerkenntnisurteil gefällt werden dürfen (SZ 30/29 ua).

Anders als im Fall der zuletzt genannten Entscheidung ist das gegen den Drittbeklagten gefällte Anerkenntnisurteil hier allerdings schon in Rechtskraft erwachsen. Daß die drei anderen Beklagten als Streitgenossen des Drittbeklagten eine - ihnen offenstehende (ZVR 1971/96; EvBl 1973/6) - Anfechtung des Anerkenntnisurteils unterlassen haben, kann jedoch entgegen der Meinung des Klägers nicht zur Folge haben, daß das Anerkenntnis nunmehr auch ihnen gegenüber aus Gründen des notwendigen Entscheidungseinklanges als wirksam anzusehen wäre; das rechtskräftige Anerkenntnisurteil hindert vielmehr die sachliche Prüfung des gegen die vier Beklagten geltend gemachten erbrechtlichen Feststellungsanspruches nicht:

Das vom Kläger beantragte Urteil sollte die Ungültigkeit des den vier Beklagten als Miterben gemeinsamen

Berufungsgrundes - schriftliches Testament vom 2.12.1926 - feststellen, weil es durch ein späteres außergerichtliches mündliches Testament der Erblasserin zugunsten des Klägers zur Gänze aufgehoben wurde; das "Anerkenntnisurteil" spricht hingegen die Ungültigkeit des schriftlichen Testamentes vom 2.12.1926 nur mit Geltung hinsichtlich des Drittbeklagten aus, welcher jedoch in dieser letztwilligen Verfügung gemeinsam mit den drei anderen Beklagten und zu gleichen Teilen mit ihnen als Erbe eingesetzt worden war. Eine solche nur einen Teil der Erbengemeinschaft - nämlich einen von mehreren gleichteilig berufenen Miterben - betreffende Ungültigkeit des Testamentes vom 2.12.1926 hat aber der Kläger weder geltend gemacht noch begehrt. Da eine solche "Feststellung der teilweisen Ungültigkeit" etwas qualitativ anderes ist als die gänzliche Aufhebung des Erbrechtstitels der vier beklagten Miterben infolge einer späteren anderslautenden letztwilligen Verfügung der Erblasserin, ist ein Urteil, welches die Ungültigkeit des Testamentes vom 2.12.1926 nur mit Geltung für den Drittbeklagten ausspricht, weder ein Teilurteil im Sinne des § 391 Abs 1 ZPO noch ein Anerkenntnisurteil im Sinne des § 395 ZPO, wird doch damit weder ein Teil des mit der Erbrechtsklage geltend gemachten Anspruches noch dieser Anspruch selbst, sondern etwas anderes zugesprochen. Daraus folgt aber, daß ungeachtet der Rechtskraft des "Anerkenntnisurteils" noch das gesamte Urteilsbegehren offen ist (so auch jüngst 4 Ob 527/91 im Fall eines rechtskräftigen "Teilanerkanntnisurteils" gegen einen von zwei mit Teilungsklage auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft belangten Miteigentümern). Das rechtskräftige Anerkenntnisurteil gegen den Drittbeklagten hat im vorliegenden Fall die - im materiellen Recht begründete - notwendige Streitgenossenschaft der beklagten Erbengemeinschaft keineswegs berührt oder gar zerrissen; das Erstgericht hätte vielmehr über die Erbrechtsklage weiterhin unter Beiziehung auch des Drittbeklagten verhandeln und entscheiden müssen. Da dies unterblieben ist und das vom Berufungsgericht bestätigte Urteil nur gegen die übrigen drei Streitgenossen, nicht aber gegen die einheitliche Streitpartei ergangen ist, waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben.

Das Erstgericht wird nach ergänzender Verhandlung unter Beiziehung auch des Drittbeklagten über den geltend gemachten Anspruch neuerlich abzusprechen und dabei auch zu berücksichtigen haben, daß eine Erbrechtsklage stets nur eine negative Feststellungsklage sein kann; soweit der Kläger daher auch die positive Feststellung seines Erbrechtes begehrt, wird dieses Begehren jedenfalls abzuweisen sein (Welser in Rummel, ABGB2, Rz 24 zu §§ 799, 800 ABGB; SZ 25/26; SZ 58/187 ua).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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