European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00201.18Z.1217.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Am 1. Jänner 2015 ereignete sich gegen 9:30 Uhr auf einer Schiabfahrt im von der beklagten Partei betriebenen Schigebiet bei geöffneter Piste ein Unfall, bei welchem es auf einem Zufahrts‑Schiweg zur Talstation eines Lifts zu einer Kollision zwischen der Klägerin als Schifahrerin und einem rückwärts fahrenden Pistenfahrzeug der beklagten Partei kam. Dabei wurde die Klägerin verletzt. Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass das Verhalten des Lenkers des Pistenfahrzeugs der beklagten Partei zuzurechnen ist.
Die Klägerin begehrte die Zahlung von 13.546,19 EUR sA an Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle künftigen Schäden aus dem Unfall. Das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalls treffe den Lenker des Pistengeräts, der sich vor dem Zurücksetzen nicht überzeugt habe, dass dies gefahrlos möglich sei.
Die beklagte Partei wandte das Alleinverschulden, zumindest jedoch das überwiegende Verschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls ein. Aufgrund der schlechten Witterungsbedingungen und der Kunstschneeproduktion sei der Einsatz des Pistengeräts notwendig gewesen. Die Klägerin habe grob fahrlässig versucht an einem rückwärts gewandten Pistengerät vorbeizufahren, ohne einen entsprechenden Abstand einzuhalten.
Das Erstgericht sprach mit Teil‑ und Zwischenurteil aus, dass das Zahlungsbegehren der Klägerin dem Grunde nach zu 25 % zu Recht bestehe und wies das Leistungsmehrbegehren sowie das Feststellungsbegehren im Ausmaß von 75 % ab.
Das Berufungsgericht entschied, ausgehend von einer Verschuldensteilung im Verhältnis von 1:1, dass das Zahlungsbegehren dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehe und wies das Mehrbegehren von 6.773,09 EUR sA sowie den auf den Ausspruch der Haftung der beklagten Partei in einem 50 % übersteigenden Ausmaß gerichteten Teil des Feststellungsbegehrens ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision über Antrag der beklagten Partei nachträglich zu. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dem Berufungsgericht „bei wertender Betrachtung sämtlicher Gesamtumstände für die Verschuldensteilung eine Fehlbeurteilung unterlaufen“ sei.
In ihrer Revision strebt die beklagte Partei die gänzliche Klagsabweisung an und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; in eventu, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel dargetan:
1. Ob ein Sachverständigengutachten die Feststellungen der Vorinstanzen trägt, ist eine Frage der Beweiswürdigung (RIS‑Justiz RS0043163). Ebensowenig ist revisibel, ob der Sachverständige die für die Gewinnung der strittigen Feststellungen notwendigen Kenntnisse besitzt (RIS‑Justiz RS0043588). Auch die Vollständigkeit und Schlüssigkeit eines Sachverständigengutachtens und die allfällige Notwendigkeit einer Ergänzung oder eines Vorgehens nach § 362 Abs 2 ZPO fallen in den Bereich der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung (RIS‑Justiz RS0113643). Mit den Revisionsausführungen, der in erster Instanz tätige Sachverständige habe die Zeit‑Weg‑Berechnung des Anhaltewegs der Klägerin aufgrund seiner mangelnden Sachkunde unrichtig durchgeführt, weshalb dem von der beklagten Partei gestellten Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen aus einem anderen Fachgebiet nachzukommen gewesen wäre, wird daher keine vom Obersten Gerichtshof überprüfbare Rechtsfrage aufgeworfen.
2. Schifahrer dürfen durch den Einsatz von Pistengeräten nicht mehr behindert bzw gefährdet werden, als dies das Wesen der Pistenfahrzeuge zwangsläufig mit sich bringt. Der pistensicherungspflichtige Unternehmer hat die durch den Einsatz solcher Fahrzeuge ausgelösten Gefahren für abfahrende Schiläufer, soweit dies möglich und zumutbar ist, auszuschalten. Auch wenn Pistengeräte typische Erscheinungen auf einer Schipiste sind, enthebt das den Betreiber des Pistengeräts nicht der Pflicht, auf die Möglichkeit des Fehlverhaltens von Schifahrern Bedacht zu nehmen. Erweist sich – wie im vorliegenden Fall – der Einsatz eines Pistenfahrzeugs während der Liftbetriebszeit als unumgänglich, hat der Liftunternehmer, gerade bei Pisten mit engen bzw unübersichtlichen Passagen, durch geeignete Maßnahmen vor dem Einsatz des Geräts zu warnen (2 Ob 30/10s mwN; RIS‑Justiz RS0023786). Ob und in welchem Umfang Sicherungsmaßnahmen notwendig sind, kann nur anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt werden (2 Ob 49/09h; 9 Ob 80/04m).
Ein Pistengerät, das auf einer von Schifahrern frequentierten Piste bergwärts fährt, stellt eine besondere Gefahrenquelle dar (2 Ob 54/12y; 2 Ob 30/10s). Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Lenker des Pistenfahrzeugs hätte aufgrund des Umstands, dass für Schifahrer auf der nur bis zu 10 m breiten Piste ein gefahrloses Passieren des Pistengeräts nicht möglich war und hinter dem Fahrzeug bauartbedingt ein toter Sichtwinkel bestand, herannahende Schifahrer, etwa durch Abstellen eines Pistenpostens oder einer kurzfristigen Absperrung, warnen müssen, sodass ihn ein erhebliches Verschulden am Unfall traf, entspricht der erörterten Rechtslage (vgl auch 2 Ob 213/05w [hinter dem Pistengerät abschnallender Snowboardfahrer]) und begründet keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.
3. Das Ausmaß eines Mitverschuldens des Geschädigten kann wegen seiner Einzelfallbezogenheit nicht als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO gewertet werden (RIS‑Justiz RS0087606). Ob die Verschuldensteilung angemessen ist, ist eine bloße Ermessensentscheidung, bei der im Allgemeinen eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen ist (RIS‑Justiz RS0087606 [T2]).
Dem Berufungsgericht ist abermals keine gravierende Fehlbeurteilung zu Lasten der beklagten Partei unterlaufen, wenn es im Hinblick auf das Fehlverhalten der Klägerin, die versuchte, an dem zunächst angehaltenen Pistengerät vorbeizufahren, eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1:1 für sachgerecht hielt.
Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage war die Revision der beklagten Partei daher als unzulässig zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. In diesem Fall findet auch bei einem (Teil-)Zwischenurteil kein Kostenvorbehalt statt. Vielmehr sind der Klägerin die Kosten der Revisionsbeantwortung zuzusprechen (10 Ob 6/18g; RIS‑Justiz RS0123222 [T9, T10]).
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