OGH 2Ob199/05m

OGH2Ob199/05m2.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerlinde D*****, vertreten durch Dr. Manfred Korn, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Mag. Monika G*****, vertreten durch Friedl & Holler, Rechtsanwalt-Partnerschaft in Gamlitz, wegen EUR 20.293,51 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 1. Juli 2005, GZ 2 R 21/05h-24, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Die Verletzung der materiellen Prozessleitungspflicht des Erstgerichtes hat die Beklagte in ihrer Berufungsbeantwortung nicht gerügt. Dazu wäre sie gemäß § 468 Abs 2 ZPO jedoch verhalten gewesen, weil sich die Klägerin in ihrer Berufung ausdrücklich auf den vom behaupteten Verfahrensmangel betroffenen Ausspruch des Erstgerichtes über die vermeintlich eingewendete Gegenforderung der Beklagten bezog. In einem derartigen Fall bedurfte es auch keines Vorgehens nach § 473a ZPO (RIS-Justiz RS0112020). Der dem Erstgericht allfällig unterlaufene Verfahrensmangel kann daher vom Obersten Gerichtshof nicht mehr wahrgenommen werden (vgl die Entscheidungen zu RIS-Justiz RS0037325; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 34, 40 und 137).

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Versicherungssumme aus der Lebensversicherung, die zu Gunsten des Inhabers oder Überbringers lautet, in den Nachlass einzubeziehen, wenn der Versicherungsnehmer es unterlassen hat, über den Anspruch aus dem Versicherungsvertrag unter Lebenden oder von Todes wegen

„irgendwie" zu verfügen (RIS-Justiz RS0007845, zuletzt 6 Ob 181/02i =

EvBl 2003/135 = NZ 2003/94 = ecolex 2004/120). Es entspricht ferner

der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass eine Schenkung grundsätzlich nicht zu vermuten (RIS-Justiz RS0018794, RS0017986), sondern von demjenigen zu beweisen ist, der ihr Vorliegen behauptet (1 Ob 158/98m mwN). Bei der Schenkung einer Forderung aus einem Lebensversicherungsvertrag genügt bei auf Inhaber lautenden Polizzen der Beweis der Übergabe der Polizze mit der Erklärung, sie gehöre jetzt dem Beschenkten (vgl die Judikaturnachweise bei Bollenberger in KBB, § 943 ABGB Rz 7 aE).

Die Beklagte hat die schenkungsweise Abtretung der Ansprüche aus den Versicherungsverträgen des Erblassers an sie behauptet und sowohl zur Schenkungsabsicht als auch zur Übergabe der Polizzen konkretes Tatsachenvorbringen erstattet, dieses jedoch nur in Ansehung eines der drei Verträge unter Beweis gestellt. Das Berufungsgericht ist den Grundsätzen der dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefolgt, wenn es bei dieser Beweislage den Bereicherungsanspruch der klagenden Alleinerbin auf den an die Beklagte ausbezahlten Versicherungserlös aus den beiden übrigen Verträgen bejahte. Die nach Ansicht der Beklagten verbliebenen Unklarheiten über die Erlangung ihrer Gewahrsame machen das erstinstanzliche Verfahren nicht ergänzungsbedürftig, sondern gehen zu ihren Lasten.

Indem sie auf den durch die Gewahrsame begründeten Rechtsschein verweist, zeigt die Beklagte eine durch den Obersten Gerichtshof im Sinne der Wahrung der Rechtssicherheit zu korrigierende gravierende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes nicht auf. Sie verkennt bei ihrer Argumentation den Unterschied zwischen der Frage, ob der Anspruch aus einem Versicherungsvertrag in das Abhandlungsverfahren, insbesondere in das dort errichtete Inventar, einzubeziehen ist, und jener nach der materiellen Berechtigung der sich im Besitz der Versicherungspolizze befindlichen Person. Nur für die Entscheidung der ersten Frage - auf die sich auch die in der Revision zitierten Ausführungen Schumachers aus Anlass der Entscheidung 7 Ob 622, 623/95 (SZ 69/165) in NZ 1997, 381 ff beziehen - kommt es auf den Rechtsschein an, das heißt, in wessen Besitz (iSd § 97 AußStrG aF) die Urkunden zur Zeit des Todes des Erblassers waren, während für die Entscheidung der zweiten Frage ausschließlich die Rechtsbeziehungen zwischen dem Erblasser als Versicherungsnehmer und dem Ansprecher der Versicherungsleistung maßgeblich sind (7 Ob 217/62 = SZ 35/77; RIS-Justiz RS0080831). Im Streit zwischen mehreren Ansprechern der Leistung ist nur dieses „Innenverhältnis" entscheidungsrelevant (7 Ob 18/84 = SZ 57/73 = NZ 1985, 93 = JBl 1985, 559 [Zankl]; RIS-Justiz RS0080995).

Die sich zur Dartuung einer geänderten Beweislastverteilung auf den Rechtsschein der Gewahrsame stützenden Ausführungen der Beklagten zeigen daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Schließlich hat auch das Recht des gutgläubigen Versicherers, an den Überbringer einer Inhaberpolizze mit schuldbefreiender Wirkung leisten zu können (§ 4 Abs 1 VersVG), mit dem materiellen Bezugsrecht des Überbringers nichts zu tun. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der zitierten Gesetzesbestimmung, wonach der Versicherer die Leistung an den Inhaber verweigern kann, „wenn dessen Berechtigung nicht nachgewiesen ist" (vgl dazu Zankl, Lebensversicherung und Nachlass, NZ 1985, 81 ff).

Da es somit der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht bedurfte, war die außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen.

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