European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00018.23W.0221.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger ist einer von zwei Söhnen (aus erster Ehe) des 2015 verstorbenen Erblassers. Sein Nachlass wurde seiner testamentarisch zur Alleinerbin eingesetzten (zweiten) Ehefrau, der Beklagten, eingeantwortet.
[2] Die Vorinstanzen wiesen – nach exekutiver Durchsetzung des (verglichenen) Manifestationsbegehrens samt Eidesleistung durch die Beklagte – die Pflichtteilsklage ab, weil dem Kläger der Nachweis der behaupteten Zuwendungen bzw das Vorhandensein weiteren Nachlassvermögens nicht gelungen sei. Die insoweit getroffenen Negativfeststellungen gingen zu seinen Lasten.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die außerordentliche Revision des Klägers, mit der er im Wesentlichen eine Umkehr der Beweislast im Zusammenhang mit dem Vorhandensein nachlasszugehörigen Vermögens bzw pflichtteilsrelevanter Zuwendungen und daran anknüpfend eine Abänderung im Sinn einer Klagsstattgebung anstrebt, ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[4] 1.1 Im Pflichtteilsverfahren trifft grundsätzlich den Pflichtteilskläger die objektive Beweislast (RS0018794 [Schenkungspflichtteil]; RS0127345 [Vorempfänge]; vgl auch Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht² Rz 10.137). Allein durch einen Beweisnotstand wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls ist eine Verschiebung der Beweislast nicht gerechtfertigt (RS0037797 [T48]; RS0039939 [T31, T33]; RS0040182 [T9, T12, T13]; vgl zuletzt 4 Ob 78/22g zur Anwendung des § 184 ZPO bei Informationsdefiziten des Beweisbelasteten). Selbst wenn man sich jenen Teilen der Rechtsprechung anschließt, die eine Verschiebung der Beweislast ausnahmsweise wegen Beweisnähe dann in Betracht ziehen, wenn Tatfragen zu klären sind, die „tief in die Sphäre einer Partei hineinführen“ (RS0037797 [T25, T26, T47]; ua; vgl aber 6 Ob 44/09b Pkt 2.2 mwN; 4 Ob 115/17s; offen lassend 9 Ob 85/19v; kritisch ua auch Rassi, Die Nähe zum Beweis, Eine Analyse der Rechtsprechung, ÖJZ 2017/45, 297 mwN; Deixler‑Hübner, Gesetzliche Normen zur Begegnung von Beweisschwierigkeiten im Zivilprozess, FS Konecny [2022] 61 ff: „contra legem ... entschieden abzulehnen“), wären im Anlassfall dafür die Voraussetzungen nicht gegeben, dass dem Gegner die entsprechenden Kenntnisse überhaupt zur Verfügung stehen. Vielmehr hat das Berufungsgericht – entgegen dem Rechtsmittel – durchaus vertretbar angenommen, es sei nicht klar, dass der Beklagten überhaupt weitere, von ihrer ohnehin erteilten Auskunft abweichende Kenntnisse zur Verfügung stünden oder die erteilte Auskunft offensichtlich unrichtig wäre.
[5] 1.2 Der Umstand allein, dass der Oberste Gerichtshof Fragen der Beweislastverteilung noch nicht für einen gleichgelagerten oder ähnlichen Sachverhalt entschieden hat, bedeutet noch nicht, dass eine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt (vgl RS0110702; RS0107773).
[6] 1.3 Weshalb allein der Umstand des Vollzugs des – ohnehin der Beschaffung fehlender Informationen und der Vorbereitung des Pflichtteilsbegehrens dienenden – Manifestationsanspruchs (vgl zu diesem 2 Ob 142/19z Pkt II. und III. mwN) und das Vorliegen einer formell vollständigen Rechnungslegung zur Umkehr der Beweislast im Pflichtteilsprozess in Bezug auf in der Rechnungslegung nicht vorkommendes Vermögen führen soll, legt die Revision nicht dar, sodass insoweit schon mangels gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge (RS0043603 [T12]) keine erhebliche Rechtsfrage releviert wird.
[7] 2. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der als Vindikationslegat konstruierte Erwerb kraft Gesetzes (§ 14 Abs 1 WEG) durch Anwachsung bewirkt, dass der Anteil des Erblassers am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum wegen dieses unmittelbaren Eigentumsübergangs nicht in die Verlassenschaftsmasse fällt (RS0082946). Die Ansicht der Revision, der Mindestanteil (gemeint: der Anteil des Erblassers am Mindestanteil) falle in die Verlassenschaft, wenn der Wohnungseigentumspartner ohnehin Erbe sei, geht offenbar auf § 14 WEG idF vor der WRN 2006 zurück, die aber den Entfall der Subsidiarität des wohnungseigentumsrechtlichen Erwerbs gegenüber dem erbrechtlichen Erwerb vorsah (ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP 18) und widerspricht damit dem klaren Wortlaut des § 14 WEG idgF, nach dem der ex lege Übergang „unter Ausschluss sonstigen Erwerbs von Todes wegen“ eintritt. Weshalb das Ausscheiden des Anteils des Erblassers am Mindestanteil und die – als Ausgleich dienende – Berücksichtigung des grundsätzlich mit der Hälfte des Verkehrswerts des Mindestanteils anzusetzenden Übernahmspreises (§ 14 Abs 2 WEG) zu einer Beschneidung der Pflichtteilsberechtigten führen soll, ist nicht nachvollziehbar.
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