OGH 2Ob180/19p

OGH2Ob180/19p6.8.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** 2017 verstorbenen E***** R*****, zuletzt *****, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. Z*****gesellschaft mbH, (nunmehr) *****, vertreten durch Zorn Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wien, 2. Dr. B***** E*****, als Insolvenzverwalter im Konkurs über das Vermögen des erbl. Sohnes H***** R*****, geboren am *****, und 3. H***** R*****, geboren am *****, vertreten durch DI Dr. Peter Benda, Rechtsanwalt in Graz, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erstantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 23. September 2019, GZ 16 R 179/19s‑147, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00180.19P.0806.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der Fachsenat hat jüngst in der Entscheidung 2 Ob 41/19x = RS0132880 klargestellt, dass es zur Beachtlichkeit eines Motivirrtums iSd § 572 ABGB idF ErbRÄG 2015 weiterhin nicht notwendig ist, dass der Verstorbene seinen Beweggrund in der letztwilligen Verfügung „angegeben“ hat. Mit seinem bloßen Hinweis auf die Gesetzesmaterialien und (gegenteilige) Lehrmeinungen, mit denen sich der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausführlich auseinandergesetzt hat, zeigt die Revisionsrekurswerberin keine Argumente auf, die Anlass für ein Abgehen von dieser Rechtsprechung geben.

[2] 2. Der das Testament bestreitende Erbansprecher hat zu beweisen, dass einzig und allein das irrige Motiv für die Willensbildung des Erblassers maßgeblich war (RS0012443). Zumindest darf kein anderes wesentliches Motiv – als nicht ausschließbar – übrig bleiben (RS0012420 [T3]; vgl RS0012439). Auch Motivirrtümer über Zukünftiges können bei letztwilligen Verfügungen erheblich sein (2 Ob 41/19x mwN; RS0012432 [T1]). Daran hat sich durch die Neufassung des § 572 ABGB im Zuge des ErbRÄG 2015 nichts geändert (8 Ob 76/19p). Ob dieser Beweis im Einzelfall gelungen ist, wirft in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[3] 3. Die Auslegung der Feststellungen im Einzelfall ist – von unvertretbaren Fehlbeurteilungen abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0118891 [T4, T5]). Das Rekursgericht hat die erstgerichtlichen Feststellungen dahin interpretiert, dass das allein entscheidende Motiv der Erblasserin der Erhalt des Vermögens in der Linie des ältesten Sohnes gewesen sei. Damit hat es den ihm zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

[4] 4. Nach dem der Entscheidung 6 Ob 168/13v, auf die sich die Revisionsrekurswerberin beruft, zugrunde liegenden Sachverhalt waren andere Motive des Erblassers zu beurteilen. Der dort erkennende Senat sah den bloßen „Erhalt des Vermögens in der Familie“, wenn ausschließlich Familienmitglieder bedacht wurden, oder die damit im Zusammenhang stehende Aufteilung des Vermögens innerhalb der Familie, nicht als eigenständige Motive an. Demgegenüber wurde der Erhalt des Vermögens in einer von mehreren Verwandtschaftslinien als grundsätzlich beachtliches Motiv iSd § 572 ABGB betrachtet.

[5] Die Ansicht des Berufungsgerichts, im Erhalt des Vermögens in der Linie des ältesten Sohnes liege ein beachtliches Motiv iSd § 572 ABGB, sodass ein wesentlicher Irrtum der Erblasserin über Zukünftiges vorliege, weil das testamentarische Erbrecht an die Erstantragstellerin als familienfremde Dritte verschenkt worden sei, findet somit Deckung in der dargelegten Rechtsprechung.

[6] Ob das Testament der Erblasserin insoweit auch aus anderen Gründen unwirksam sei, muss nicht mehr beantwortet werden.

[7] 5. Entgegen ihren Ausführungen hat die Revisionsrekurswerberin ihre Erbantrittserklärung nicht auch auf ein ihr schenkungsweise übertragenes gesetzliches Erbrecht gestützt. Damit könnte das von ihr in diesem Verfahren angestrebte alleinige Erbrecht selbst bei Vorliegen der behaupteten Erbunwürdigkeit des nunmehrigen Erben nicht festgestellt werden. Eine Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Revisionsrekursausführungen kann daher unterbleiben.

[8] 6. Auf die Frage der Parteistellung des insolventen Drittantragstellers kann in diesem Rechtsmittelverfahren nicht eingegangen werden (vgl dazu Lovrek in Koller/Lovrek/Spitzer, IO § 4 Rz 1 ff).

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