OGH 2Ob128/09a

OGH2Ob128/09a28.1.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH *****, vertreten durch Dr. Michael Prager, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei o***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Josef Unterweger und Mag. Doris Einwallner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 35.462,42 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. April 2009, GZ 4 R 39/09y-12, mit welchem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. November 2008, GZ 12 Cg 94/08f-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.959,48 EUR (darin enthalten 326,58 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu Handen der Beklagtenvertreter zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte wurde vom Bauherrn mit der Planung, Ausschreibung, Mitwirkung bei der Vergabe und Bauaufsicht im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben beauftragt. Die Beklagte erstellte ein Leistungsverzeichnis unter Auflistung von detaillierten Ausstattungsanforderungen. Der in der Folge mit der Durchführung des Projekts beauftragte Generalunternehmer beauftragte die Klägerin, nachdem diese ein Anbot nach den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses erstellt hatte, ua mit der Lieferung und Montage einer Be- und Entlüftungsanlage für die Räumlichkeiten einer Tanzschule.

Die Klägerin brachte vor, dass es in der Folge zu massiven Beschwerden des Mieters und Betreibers der Tanzschule bezüglich der Raumkonditionen in den Tanzräumen gekommen sei, weil die bedungene Raumtemperatur nicht erreicht worden sei. Grund dieser Mängel seien Berechnungsfehler der Beklagten bei Erstellung der „Generalunternehmerbeschreibung" gewesen. Die Klägerin habe umfangreiche Verbesserungsarbeiten leisten müssen, um die geforderten Parameter betreffend die Raumkonditionen zu erreichen. Durch diese Verbesserungsarbeiten sei der Klägerin ein Schaden in Höhe des Klagebegehrens entstanden. Die Beklagte hafte der Klägerin, da ein Sachverständiger auch gegenüber Dritten hafte, wenn seine Äußerungen bzw sein Gutachten (auch) für den Dritten bestimmt seien und dieser darauf vertrauen solle und die Äußerung oder das Gutachten für den Dritten Grundlage wirtschaftlicher Dispositionen bilde.

Die Beklagte wendete ein, dass kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vorliege und sie auch kein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten gesetzt habe. Die Klägerin hätte einen allfälligen Mängelbehebungsaufwand gegenüber ihrem Auftraggeber geltend machen bzw die Mängelbehebung unter Hinweis auf die behauptete Fehlerhaftigkeit der Planung ablehnen müssen. Da entsprechende vertragliche Beziehung bestanden hätten, sei keine Grundlage für eine direkte Inanspruchnahme der Beklagten gegeben.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Ausschreibung habe nur die Parameter vorgegeben, die der Anbietende als Grundlage für seine eigene Berechnung und Kalkulation sowie Anbotstellung heranzuziehen gehabt habe. Hätte sich herausgestellt, dass diese Parameter nicht stimmen, so wäre es im Rahmen des Vertragsverhältnisses zwischen der Klägerin und ihrem Auftraggeber ein Leichtes gewesen, allfällige zusätzliche Forderungen bei Bestehen einer falschen Ausführung dem eigenen Vertragspartner entgegenzuhalten. Der der Beklagten vom Bauherrn erteilte Planungsauftrag stelle keinen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter dar. Der Beklagten mangle es daher an der passiven Klagslegitimation.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es könne auf sich beruhen, ob durch den zwischen dem Bauherrn und der Beklagten geschlossenen Vertrag die Interessen der Klägerin mitverfolgt worden seien. Die Beklagte habe nämlich in der Leistungsbeschreibung gewisse Parameter und das gewünschte Ergebnis bestimmt, aber nicht aufgezeigt, mit welcher Dimensionierung der Luftkanäle und insbesondere der Geräte dieses Ergebnis erreicht werden solle. Die Dimensionierung der Anlage aufgrund der vorgegebenen Parameter sei allein Aufgabe der Klägerin gewesen. Wenn sich die Leistung der Klägerin als ungenügend erwiesen habe, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, habe die Klägerin allein dafür einzustehen. Soweit sich die Klägerin schließlich auf unterlassene Bauaufsicht berufe, sei sie darauf zu verweisen, dass die Bauüberwachung ausschließlich im Interesse des Auftraggebers erfolge.

Die Revision der Klägerin ist zulässig, weil es einer Präzisierung der Rechtsprechung zur Rechtsfigur des „Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter" bedarf. Sie ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin führt in ihrem Rechtsmittel aus, dass einen Sachverständigen eine objektiv-rechtliche Sorgfaltspflicht zugunsten eines Dritten treffe, wenn er damit rechnen müsse, dass sein Gutachten die Grundlage für dessen Disposition bilden werde. Da die Beklagte mit der Planung und der Durchführung der Ausschreibung des Projekts betraut worden sei, liege geradezu ein Paradebeispiel für eine Situation vor, in der die Beklagte damit habe rechnen müssen, dass ihre Berechnungen als Grundlage für die weiteren Dispositionen eines Dritten herangezogen würden. Ausschreibungen sei es immanent, dass sich nicht nur der Auftraggeber, sondern insbesondere auch Anbieter auf deren Richtigkeit verlassen würden. Wenn daher in der Ausschreibung Details vorgeschrieben würden, die nicht nur das gewünschte Ergebnis, sondern bereits die konkrete Umsetzung vorwegnähmen, so müsse der Verfasser der Ausschreibungen als Sachverständiger für die Richtigkeit dieser Details haften. Dass die Klägerin einen Vertragspartner gehabt habe, ändere an dieser Rechtslage nichts. Die Haftung des Sachverständigen gegenüber Dritten sei nicht als „Subsidiärbehelf" zu sehen, wenn sonst keine Ansprüche bestünden. Außerdem habe die Beklagte in ihrer Funktion als baubegleitende Vertretung des Bauherrn die Ausführungspläne der Klägerin freigegeben. Die Beklagte sei daher direkt in die Auftragsvergabe an die Klägerin involviert gewesen, weshalb umso mehr ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vorliege.

Die Beklagte entgegnete in ihrer Revisionsbeantwortung, dass sie bei Erfüllung ihres Auftrags ausschließlich die Interessen des Auftraggebers, nämlich des Bauherrn, verfolgt habe, dem gegenüber sie im Fall einer Fehlleistung auch gehaftet hätte. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb sie bei Erfüllung des Auftrags bereits erkennbar die Interessen der Klägerin hätte mitverfolgen sollen. Die Klägerin verfüge schließlich über einen eigenen vertraglichen Anspruch gegenüber ihrem Auftraggeber, dem Generalunternehmer.

Dazu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

1. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter: In Lehre und Rechtsprechung ist heute allgemein anerkannt, dass Schutz- und Sorgfaltspflichten aus einem Vertragsverhältnis nicht nur zwischen den Vertragsparteien, sondern auch gegenüber bestimmten dritten Personen bestehen, die durch die Vertragserfüllung erkennbar in erhöhtem Maße gefährdet werden und der Interessensphäre eines Vertragspartners angehören. In diesem Fall erwirbt der Dritte unmittelbare vertragliche Ansprüche gegen den Schuldner, der dann auch gemäß § 1313a ABGB für das Verschulden jener Personen haftet, deren er sich zur Erfüllung bediente. Begünstigte Personen in diesem Sinne sind Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung beim Vertragsabschluss vorhersehbar war und die der Vertragspartner entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte oder an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat, oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist („Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter"). Der begünstigte Personenkreis ist aufgrund einer objektiven Auslegung des Vertrags zu bestimmen (RIS-Justiz RS0034594).

2. Interessenwahrung:

2.1. Der Oberste Gerichtshof judiziert in Fällen der „erweiterten Sachverständigenhaftung" als besonderer Ausgestaltung der Drittschutzproblematik, dass die Sorgfaltspflichten des Sachverständigen dann auf den Dritten zu erstrecken seien, wenn nach dem dem Sachverständigen erkennbaren Zweck des Gutachtensauftrags gerade auch die Interessen eines oder mehrerer bestimmter Dritter mitverfolgt würden (RIS-Justiz RS0017178; RS0026552; zuletzt 8 Ob 51/08w).

2.2. Im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Vertrag zwischen dem Bauherrn und der Beklagten die Interessen der Klägerin (mit-)verfolgte. Die konkret vereinbarten Leistungen - ua Herstellung der Ausschreibungsunterlagen, Mitwirkung bei der Vergabe, Bauaufsicht - dienten ganz eindeutig dem Interesse des Bauherrn und nicht jenem der erst vom Generalunternehmer zu beauftragenden Hersteller der Einzelgewerke (zur Bauaufsicht vgl RIS-Justiz RS0108535). Es ist nicht davon auszugehen, dass die Hauptleistung der Beklagten „gerade einem Dritten" (der Klägerin als künftiger Subunternehmerin des Generalunternehmers) zukommen sollte. Dies wäre aber erforderlich, um vom allgemeinen Grundsatz abgehen zu können, dass das bloße Vermögen dritter Personen nicht in den Schutzbereich von Verträgen einbezogen wird (2 Ob 191/06m mwN). Die allgemeine Pflicht, Rechte des Dritten nicht zu verletzen, genügt für die Annahme eines besonderen Naheverhältnisses zwischen dem Gläubiger (hier dem Bauherrn) und dem Dritten (hier der Klägerin) nicht (vgl Janoschek in Bamberger/Roth, Beck OK BGB [2009] § 328 Rz 52).

3. Subsidiarität:

3.1. Um eine uferlose Ausweitung der Vertragshaftung hintanzuhalten, wird in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Kreis der geschützten Personen, denen statt deliktsrechtlicher auch vertragsrechtliche Schadenersatzansprüche zugebilligt werden, eng gezogen. Voraussetzung für die Einbeziehung des (geschädigten) Dritten in den Schutzbereich eines Vertrags ist ua ein schutzwürdiges Interesse. Ein solches wird regelmäßig dann verneint, wenn der Dritte kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den späteren Schuldner vertraglich als Erfüllungsgehilfen beizog, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat. Steht daher dem Geschädigten ein Anspruch aus eigener vertraglicher Beziehung zum Geschäftsherrn zu, hindert dies die Geltendmachung der Vertragshaftung des Gehilfen; er muss seinen unmittelbaren Vertragspartner in Anspruch nehmen (vgl 2 Ob 226/05g, worin die in der Lehre [insb Schmaranzer, JBl 2005, 267] geäußerte Kritik am Subsidiaritätsprinzip ausdrücklich abgelehnt wurde).

3.2. Auch in Deutschland wird - nach der Rechtsprechung des BGH und der überwiegenden Meinung in der Literatur - vertreten, dass eine Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich eines Vertrags dann abzulehnen sei, wenn kein Schutzbedürfnis des Dritten bestehe. Dies sei dann zu verneinen, wenn dem Dritten eigene vertragliche Ansprüche - gleich gegen wen - zustünden, die denselben oder zumindest einen gleichwertigen Inhalt hätten wie diejenigen Ansprüche, die ihm über eine Einbeziehung in den Schutzbereich eines Vertrags zukämen (Jagmann in Staudinger, BGB [2009] § 328 Rz 106 mwN; BGH in NJW 1996, 2927).

3.3. Im vorliegenden Fall ist die Beklagte nicht Erfüllungsgehilfin des Auftraggebers der Klägerin; dieser stünden für Mehrleistungen infolge unrichtiger Vorgaben vertragliche Ansprüche gegen ihren Auftraggeber zu, die jenen gegen die Beklagte erhobenen zumindest gleichwertig sind.

4. Ergebnis:

Aus dem oben Gesagten resultiert das Fehlen der Passivlegitimation der Beklagten. Das Berufungsgericht hat daher deren Einstandspflicht für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden im Ergebnis zu Recht verneint. Der Revision der Klägerin war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO.

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