OGH 8Ob51/08w

OGH8Ob51/08w10.7.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rupert Johann S*****, vertreten durch Mag. Christian Kras, Rechtsanwalt in Obertrum am See, gegen die beklagte Partei Christian F*****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 5.524,66 EUR sA (Rekursinteresse 3.738,86 EUR sA), über den Rekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 6. Dezember 2007, GZ 53 R 389/07y-26, womit über Berufung des Beklagten das Urteil des Bezirksgerichts Neumarkt bei Salzburg vom 23. August 2007, GZ 2 C 804/06s-18, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 1. Oktober 2007, GZ 2 C 804/06s-21, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen einschließlich ihrer bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile insgesamt wie folgt zu lauten haben:

„1. Das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, dem Kläger 5.524,66 EUR samt 4 % Zinsen seit 7. 4. 2006 binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen.

2. Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 1.814,14 EUR (darin enthalten 213,83 EUR USt, 531,15 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Der Kläger ist weiters schuldig, dem Beklagten die mit 2.204,70 EUR (darin enthalten 192,28 EUR USt, 1.051 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 8. 11. 2004 ereignete sich in S***** ein Verkehrsunfall, an welchem Sabine N***** mit ihrem PKW Audi A80 Avant sowie Sonja K*****, die das Alleinverschulden am Verkehrsunfall trifft, mit ihrem bei der G***** AG (in der Folge immer: Versicherung) haftpflichtversicherten PKW beteiligt waren.

Das Fahrzeug Audi A80 Avant wurde in der Werkstatt des Klägers von einem Sachverständigen der Versicherung begutachtet. Der entstandene Streifschaden an der rechten Seite des Fahrzeugs wurde durch Lichtbilder dokumentiert und die zu erwartenden Reparaturkosten mit 1.919,69 EUR ermittelt. Bei Ermittlung dieser Reparaturkosten ging der Sachverständige von einer Erneuerung der rechten vorderen Tür (Beifahrertür) und einer Instandsetzung der rechten hinteren Tür aus.

Nach Durchführung der Reparatur beauftragte die in Deutschland ansässige Gruppe G*****, die ihrerseits von der Versicherung beauftragt worden war, den beklagten KFZ-Sachverständigen mit der Prüfung der Reparaturrechnung des Klägers.

Der Beklagte kam in dem von ihm nach Besichtigung des Fahrzeugs erstatteten Gutachten zum Schluss, dass eine in der Rechnung des Klägers verzeichnete Leistung, nämlich die Erneuerung der vorderen rechten Tür, nicht erbracht worden sei; es sei lediglich die alte Tür ausgerichtet und lackiert worden. Dieses Gutachten erstattete der Beklagte, ohne vorher eine - an sich übliche - Lackschichtmessung vorzunehmen.

Die Versicherung übermittelte hierauf unter Vorlage der beiden Gutachten eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft S*****. Aufgrund dieser Sachverhaltsdarstellung stellte die Staatsanwaltschaft nach Durchführung von Vorerhebungen gegen den Kläger einen Strafantrag wegen des Vergehens des versuchten schweren Betrugs nach den §§ 15 Abs 1, 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB.

In einem Zivilverfahren, das die durch den Verkehrsunfall geschädigte Eigentümerin des PKW Audi A80 Avant gegen ua die Versicherung eingeleitet hatte, wurde ein KFZ-Sachverständiger bestellt, der zum Ergebnis kam, dass die rechte vordere Tür des Audi A80 Avant erneuert wurde.

In dem gegen den Kläger zu 40 Hv 124/05t des Landesgerichts S***** geführten Strafverfahren wurde der Kläger - nach Vorlage des im Zivilverfahren eingeholten Gutachtens - am 14. 3. 2006 gemäß § 259 Z 3 StPO „mangels Schuldbeweises" rechtskräftig freigesprochen.

Der Kläger begehrt mit der am 19. 5. 2006 eingebrachten Klage 5.524,66 EUR sA an ihm im Strafverfahren entstandenen Vertreterkosten. Der Beklagte, der zum Kreis der Sachverständigen gemäß § 1299 ABGB zähle, habe schuldhaft ein falsches Gutachten erstattet. Er habe nicht einmal Lackschichtmessungen durchgeführt, sondern sein Gutachten grob fahrlässig nur auf eine äußere Besichtigung der vorderen Beifahrertür gestützt.

Der Beklagte wendet ein, dass nicht er selbst, sondern die Versicherung eine Sachverhaltsdarstellung erstattet habe. Der im Zivilverfahren bestellte Sachverständige habe die vorgelegte beschädigte Türe nicht zweifelsfrei identifiziert. Tatsächlich sei die Türe zunächst vom Kläger lediglich repariert worden. Da der Beklagte nur als Subunternehmer für die Gruppe G***** tätig geworden sei, mangle es auch an seiner Passivlegitimation.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 4.222,95 EUR sA und wies ein Mehrbegehren von 1.301,71 EUR sA (betreffend im Strafverfahren entstandene Verteidigerkosten für ein zunächst einbezogenes Urkundendelikt, das in keinem Zusammenhang mit dem gegen den Kläger erhobenen Vorwurf des versuchten Betrugs steht) ebenso wie ein Zinsenmehrbegehren rechtskräftig ab. Es traf ua folgende weitere Feststellungen:

Der Beklagte führte definitiv keine Lackschichtmessung an der Beifahrertür durch, weil sein Lackschichtmesser aufgrund der kalten Temperaturen im Dezember 2004 flackerte und objektiv nicht benützbar war. Seine Ausführungen in dem Gutachten beruhten auf dem optischen Erscheinungsbild der Tür. Eine Lackschichtmessung ist selbstverständlich üblich. Die Lackschichtmessung selbst ist wiederum nur ein Indiz und erleichtert die Entscheidung, ob eine alte oder ob eine neue Tür vorliegt.

Der Beklagte kam zum Ergebnis, dass eine reparierte Türe vorliegt, weil bei einer neuen Autotür dieses Modells unten keine Dichtmasse angebracht ist. Da aber die Karosseriedichtmasse, welche nicht lackiert war, ersichtlich und am Holm eine kleine Delle an der Tür sichtbar gewesen ist, die Oberfläche an der Tür auf der Außenhaut rau geschliffen war und Abplatzungen an der Türkante, über welche darüber lackiert worden war, ersichtlich waren, sowie mangelhafte Lackierungen im Türgriffbereich vorhanden waren, ist der Beklagte zu dem Schluss gekommen, dass die Tür instand gesetzt und nicht erneuert worden ist. Ausschlaggebend für ihn war zudem, dass auch andere Positionen in der Rechnung nicht gepasst haben. Der Beklagte hat aufgrund der Tröpfchenbildungen eine Lackstärke von über 300 µ angenommen und daher eine Lackschichtmessung nicht durchgeführt. Der Beklagte befundete dieselbe Tür wie der Sachverständige im Zivilverfahren. Der Beklagte begutachtete eine neue Tür. Hätte er eine Lackschichtmessung durchgeführt, hätte sich objektiv eindeutig ergeben, ob die Tür repariert oder durch eine neue ersetzt worden ist. Der Beklagte erstattete das Gutachten nicht fachgerecht, weil keine Schichtdickmessung vorgenommen worden war.

Rechtlich gelangte das Erstgericht zu dem Schluss, dass ein Sachverständiger aufgrund seiner objektiv rechtlichen Sorgfaltspflicht zugunsten Dritter bei Verletzung dieser Pflichten hafte, wenn er damit rechnen müsse, dass sein „Statement" nach außen dringen könne. Das sei gerade bei einem Sachverständigen, der von einer Versicherung mit der Rechnungsprüfung beauftragt worden sei, der Fall. Er müsse damit rechnen, dass seine Beanstandung einer Reparaturrechnung jedenfalls zu einer Rückmeldung an die Werkstatt führen und allenfalls bei Vorliegen eines Betrugsverdachts eine Strafanzeige erstattet werde.

Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten gegen die Klagestattgebung erhobenen Berufung Folge, hob das angefochtene Urteil im Umfang eines Begehrens von 3.738,86 EUR samt 4 % Zinsen seit 8. 4. 2006 und im Kostenpunkt auf und änderte das Urteil des Erstgerichts im Übrigen als Teilurteil dahin rechtskräftig ab, dass es im klageabweisenden Teil unter Bedachtnahme auf die bereits erfolgte Abweisung durch das Erstgericht insgesamt ein Begehren von 1.785,80 EUR sA abwies. Die weitere Abweisung eines Teilbegehrens gründet sich darauf, dass das Erstgericht bei seinem Zuspruch den dem Kläger im Strafverfahren zuerkannten (und von ihm selbst bereits in der Klage abgezogenen) Kostenbeitrag nicht berücksichtigte. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig, der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss jedoch zulässig sei, weil zur Frage der Haftung von Sachverständigen gegenüber Dritten für ein im Auftrag einer Haftpflichtversicherung erstattetes Gutachten Rechtsprechung fehle.

Rechtlich gelangte das Berufungsgericht zur Auffassung, dass der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit der Einholung eines Gutachtens in einem Strafverfahren erkannt habe, dass dieses der Erforschung der materiellen Wahrheit diene, also die Grundlagen dafür schaffen solle, die Schuld oder Unschuld eines Angeklagten festzustellen. Ergebe sich im Zuge eines Strafverfahrens aus dem dem Sachverständigen erteilten Auftrag oder aber auch im Zuge der Befundaufnahme, dass ein Verdacht bestehe, dass ein anderer als der Beschuldigte bzw Angeklagte als Haupt- oder als Nebentäter in Betracht komme, so müsse wegen der amtswegigen Verpflichtung zur Verfolgung von Straftaten mit dessen Verfolgung gerechnet werden. Dabei sei auch eine Haftung des in einem Strafverfahren bestellten gerichtlichen Sachverständigen für bloße Vermögensschäden angenommen worden.

Gerade im Zusammenhang mit der im vorliegenden Fall vom Beklagten vorgenommenen Überprüfung, ob der Kläger die verrechneten Arbeiten tatsächlich erbracht habe, müsse davon ausgegangen werden, dass vom Schutzzweck der Bestellung des Sachverständigen letztlich auch der Reparaturunternehmer mitumfasst sei, soweit das Gutachten eine Verrechnung nicht erbrachter Leistungen und damit den Verdacht einer betrügerischen Handlung zum Ausdruck bringe. Bei Erstellung eines derartigen Gutachtens müsse der Sachverständige damit rechnen, dass es nicht nur in einem Zivilprozess zur Nachprüfung der Schadenshöhe komme, sondern allenfalls auch zu einem Strafverfahren. Die Erstellung eines richtigen Gutachtens liege daher auch im Interesse des Reparaturunternehmers. Bei diesem stünden überdies „die Ehre und der wirtschaftliche Ruf" auf dem Spiel, sodass durch ein unrichtiges Gutachten auch in absolut geschützte Rechte eingegriffen werde.

Allerdings erachtete das Berufungsgericht die Rechtssache im Umfang der Aufhebung als nicht spruchreif, weil die vom Beklagten gerügte primäre Mangelhaftigkeit (mangelnde Erörterung des erstatteten schriftlichen Sachverständigengutachtens) vorliege.

Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts wendet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag „auf Abänderung dahin, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde".

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass die Frage des anzuwendenden Rechts in den Rechtsmittelschriftsätzen von keiner der Parteien releviert wird. Da die Parteien schon im bisherigen gesamten Verfahren erster und zweiter Instanz die Anwendung österreichischen Rechts nie in Zweifel gezogen, sondern vielmehr sich selbst wechselseitig ausdrücklich darauf berufen und die Unterinstanzen solches unbeanstandet angewendet haben, muss darauf seitens des Obersten Gerichtshofs nicht weiter eingegangen werden (RIS-Justiz RS0040169; RS0009300; 2 Ob 80/99z; 2 Ob 18/00m; 8 Ob 14/08d; Verschraegen in Rummel³ § 2 IPRG Rz 5). Die Ansprüche des Klägers sind daher nach österreichischem Recht zu beurteilen.

Die Ersatzpflicht des Sachverständigen nach den §§ 1299, 1300 ABGB ist grundsätzlich auf den aus dem Schuldverhältnis Berechtigten beschränkt (RIS-Justiz RS0026234; 2 Ob 191/06m = JBl 2007, 518 = ZVR 2007/211 [Ch. Huber]). Eine deliktische Haftung gegenüber Dritten für reine Vermögensschäden kommt daher idR nur bei zumindest bedingtem Vorsatz („wissentlich") des Beklagten in Betracht (Karner in KBB² § 1300 Rz 4; 3 Ob 67/05g = JBl 2006, 178). Bedingten Vorsatz des Beklagten machte der Kläger nicht geltend.

Eine darüber hinaus gehende Haftung gegenüber Dritten wird von der Rechtsprechung und der überwiegenden Lehre allerdings dann anerkannt, wenn der Besteller des Gutachtens für den Sachverständigen erkennbar gerade auch die Interessen des Dritten mitverfolgt (2 Ob 191/06m = JBl 2007, 518 = ZVR 2007/211 [Ch. Huber]; 7 Ob 273/00y = ÖBA 2001/1000 [Karner, Haftung des Gutachters gegenüber Dritten und deren Treugebern, ÖBA 2001, 893]; RIS-Justiz RS0026552; Karner in KBB² § 1300 Rz 3; Welser, Die Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten [1983] 84 ff; Reischauer in Rummel³, § 1300 Rz 9; Koziol, Schadenersatz für reine Vermögensschäden, JBl 2004, 273 [276]; krit Harrer in Schwimann, ABGB³ § 1300 Rz 10). In diesem Fall sind nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die objektiv rechtlichen Sorgfaltspflichten auf den Dritten zu erstrecken. Das ist dann der Fall, wenn der Sachverständige damit rechnen muss, dass sein Gutachten Dritten zur Kenntnis gelangen und diesen als Grundlage für ihre Dispositionen dienen wird (7 Ob 513/96 = SZ 69/258; 3 Ob 67/05g = JBl 2006, 178; RIS-Justiz RS0106433). Geschützt ist demnach der Dritte, wenn eine Aussage erkennbar drittgerichtet ist, also ein Vertrauenstatbestand vorliegt, der für den Dritten eine Entscheidungsgrundlage darstellen soll (3 Ob 67/05g; 1 Ob 78/07p; Karner ÖBA 2001, 893). Wesentlich ist daher vor allem, zu welchem Zweck das Gutachten erstattet wurde. Mangels ausdrücklicher Bestimmung im Vertrag kann sich die Beurteilung nach der Verkehrsübung richten (7 Ob 513/96; 3 Ob 67/05g; vgl auch 6 Ob 39/06p = ecolex 2006/240 [Kapsch in ecolex 2006, 578]).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen eine Haftung des Beklagten zu verneinen:

Die Interessen der Versicherung als (mittelbare) Gutachtensauftraggeberin und jene des Klägers sind positionell gegenläufig. In einem solchen Fall kommt aber eine Haftung des Sachverständigen nach der Rechtsprechung nur dann in Betracht, wenn der Gutachter gegenüber dem Dritten (= Kläger) durch die Erstellung einer verkehrsfähigen Expertise einen Vertrauenstatbestand gesetzt hat, das Gutachten also dem Dritten als Vertrauensgrundlage für seine Dispositionen dienen soll (7 Ob 513/96; 2 Ob 191/06m; 3 Ob 67/05g). Daran fehlt es hier jedoch, weil das vom Beklagten erstattete Gutachten, das die Überprüfung der vom Kläger gelegten Reparaturrechnung zum Gegenstand hatte, nicht nur nicht im Interesse des Klägers erstattet wurde, sondern auch keinen Vertrauenstatbestand für diesen begründen konnte. Es handelt sich vielmehr um den in der Praxis der Kfz-Schadensabwicklung sehr häufigen Fall, dass eine Versicherung durch ein von ihr eingeholtes Privatgutachten in die Lage versetzt werden soll, eine ihr verrechnete Ersatzleistung auf die Richtigkeit und Angemessenheit zu überprüfen, woraus bereits die Verfolgung bloß eigener (wirtschaftlicher) Interessen erhellt (vgl Ch. Huber in ZVR 2007, 337 f [Anm zu 2 Ob 191/06m]). Dem Dritten gegenüber soll gerade kein Vertrauenstatbestand geschaffen werden, der als Grundlage für dessen eigene Dispositionen dient. Wollte man den Sachverständigen auch in einer solchen Konstellation dem Dritten gegenüber haftbar machen, würde das letztlich zum Ergebnis führen, dass der Privatsachverständige bei jeder inhaltlichen Unrichtigkeit seines Gutachtens, die zu (bloßen) Vermögensschäden eines Dritten (etwa wegen durch das Gutachten verursachter Zahlungsverzögerungen des Vertragspartners des Dritten) führt, zur (persönlichen) Haftung herangezogen werden könnte. Die Unterscheidung zwischen Vertrags- und Deliktshaftung würde damit weitgehend obsolet (vgl hiezu auch Harrer, Auskunft, Vertrauen und Haftung, Zak 2006, 403 ff).

Der bloße Umstand, dass die Sphäre eines Dritten durch ein Privatgutachten berührt wird, ist somit noch nicht haftungsbegründend. Es müssen vielmehr nach dem dem Sachverständigen erkennbaren Zweck des Gutachtensauftrags gerade auch die Interessen eines oder mehrerer bestimmter Dritter mitverfolgt werden.

Dieser Beurteilung steht auch die Entscheidung 5 Ob 18/00h (JBl 2001, 227 = RdW 2001, 77), die im Übrigen auf Kritik gestoßen ist (Reischauer in Rummel³, § 1295 Rz 30e), nicht entgegen: Dort wurde betont, dass der Zweck eines in einem Strafverfahren eingeholten Gutachtens die Erforschung der materiellen Wahrheit sei. Ergebe sich im Zuge eines Strafverfahrens aus dem dem Sachverständigen erteilten Auftrag oder im Zuge der Befundaufnahme, dass ein Verdacht bestehe, dass ein anderer als der Beschuldigte bzw Angeklagte als Täter in Betracht komme, so müsse wegen der amtswegigen Verpflichtung zur Verfolgung von Straftaten mit dessen Verfolgung gerechnet werden, sodass auch jener vom Schutzzweck der gerichtlichen Bestellung eines Sachverständigen mitumfasst sei. Der Gutachtensauftrag umfasse in einem solchen Fall Tatsachenermittlungen zur Aufklärung einer bestimmten Straftat, mit deren Verfolgung vom Sachverständigen auch gegenüber einem anderen gerechnet werden müsse.

Davon unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall grundlegend dadurch, dass der Beklagte mit der Überprüfung einer Reparaturrechnung beauftragt wurde, nicht aber im Strafverfahren ein Gutachten erstattete, das zur Grundlage für die strafgerichtliche Verfolgung eines Dritten (eines anderen als des bisher Verdächtigen) führen konnte.

Dass der Beklagte bei Erstellung des Gutachtens damit habe rechnen müssen, dass der Vorwurf, der Kläger habe die Beifahrertür nicht erneuert, zu strafrechtlichen Konsequenzen führen werde - welchem Umstand die Vorinstanzen entscheidende Bedeutung beimaßen -, reicht selbst bei Unterstellung der Richtigkeit dieser Annahme nicht aus, eine Haftung des Beklagten zu begründen, weil - anders als in der Entscheidung 5 Ob 18/00h - der Zweck des dem beklagten Sachverständigen erteilten Gutachtensauftrags gerade nicht darin lag, in einem der materiellen Wahrheitserforschung dienenden Strafverfahren einen Tatverdacht zu be- oder widerlegen. Der Hinweis des Berufungsgerichts auf „absolute Persönlichkeitsrechte" des Klägers, die verletzt worden sein sollen („Ehre und Ruf"), lässt außer Acht, dass selbst derjenige, der unmittelbar eine Strafanzeige einbringt, nur dann zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn er eine Beschuldigung wider besseres Wissen erhob (RIS-Justiz RS0031957; 6 Ob 226/05m). Auf eine vom Berufungsgericht ebenfalls ins Treffen geführte Verletzung seines wirtschaftlichen Rufs hat der Kläger im Übrigen sein Klagebegehren auch nicht gestützt.

Aus den dargelegten Gründen war dem Rekurs des Beklagten Folge zu geben, der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts zu beseitigen und in der Sache selbst das Klagebegehren im Umfang des vom Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts erfassten Begehrens abzuweisen, ohne dass es der vom Berufungsgericht für notwendig erachteten Verfahrensergänzung auf Sachverhaltsebene, welche Tür der Beklagte tatsächlich vor Gutachtenserstattung besichtigte, bedürfte.

Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gründet sich ebenso wie jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO. Die Vollmachtsbekanntgabe samt Verlegungsantrag ON 4 war lediglich nach TP1 des RATG zu honorieren.

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