OGH 24Ds7/23y

OGH24Ds7/23y13.9.2023

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 13. September 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Grohmann und die Anwaltsrichter Dr. Niederleitner und Mag. Vas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Maringer in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen vorläufiger Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß § 19 Abs 3 Z 1 lit d DSt über die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 17. Februar 2023, GZ D 1/23‑30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0240DS00007.23Y.0913.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Standes- und Disziplinarrecht der Anwälte

 

Spruch:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Beschluss untersagte der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien dem Disziplinarbeschuldigten – nach dessen schriftlicher Stellungnahme und Anhörung in mündlicher Verhandlung – aus dem Grund des § 19 Abs 1 Z 3 lit d DSt bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Disziplinarverfahren D 1/23 vorläufig, längstens jedoch für die Dauer von sechs Monaten, die Ausübung der Rechtsanwaltschaft (§ 19 Abs 3 Z 1 lit d DSt).

[2] Anlass für die Verhängung der einstweiligen Maßnahme war das gegen den Disziplinarbeschuldigten wegen des Vorwurfs des Suspensionsbruchs nach § 17 zweiter Fall DSt anhängige Disziplinarverfahren D 1/23, in dem der Disziplinarbeschuldigte mit (nicht rechtskräftigem) Erkenntnis vom 2. Februar 2023 für schuldig erkannt und dessen Streichung von der Liste (§ 16 Abs 1 Z 4 DSt) ausgesprochen worden war.

[3] Danach hat der Disziplinarbeschuldigte in Verletzung des am 6. Dezember 2022 in seinem persönlichen Beisein mündlich verkündeten Erkenntnisses des Obersten Gerichtshofs als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, GZ 24 Ds 6/22z‑10, mit welchem ihm – in Abänderung der erstinstanzlich ausgesprochenen Streichung von der Liste gemäß § 16 Abs 1 Z 4 DSt – die Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von sechs Monaten (davon zwei Monaten unbedingt) untersagt wurde, rechtsanwaltliche Tätigkeiten ausgeführt, indem er in drei vor Bezirksgerichten anhängigen Streitverfahren am 9. und 15. Dezember 2022 jeweils einen Schriftsatz sowie am 14. Dezember 2022 eine Berufung eingebracht hat.

Der Disziplinarrat ging dabei von folgenden Erwägungen aus:

[4] Art und Gewicht des Suspensionsbruchs ergeben sich bereits aus § 17 DSt, der die Streichung von der Liste anordnet, außer es kann nach den besonderen Umständen des Falls mit einer geringeren Strafe das Auslangen gefunden werden. Der in Rede stehende mehrfache Suspensionsbruch stelle eines der schwersten standesrechtlichen Disziplinarvergehen dar (BS 3). Die Handlungen hätten das Ansehen des Standes verletzt, zumal die Suspension bei den Gerichten und wohl auch Behörden bekannt war, da er von den jeweiligen Gerichten angezeigt wurde (BS 5). Die vom Disziplinarbeschuldigten für sich reklamierte „Unwissenheit“ hinsichtlich des Eintritts der Rechtswirkungen des Erkenntnisses GZ 24 Ds 6/22z‑10 exkulpiere ihn nicht, da von ihm als Rechtsanwalt auch in eigener Sache zu verlangen sei, die angeblich offenen Fragen für sich selbst so vorsichtig wie nur möglich zu beurteilen. Dem Disziplinarbeschuldigten sei insofern extreme Sorglosigkeit und ein bedingter Vorsatz vorzuwerfen (BS 7).

Rechtliche Beurteilung

[5] Dagegen richtet sich die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten.

[6] Vorweg ist festzuhalten, dass der Umstand, dass eine einstweilige Maßnahme – zufolge Ablaufs der Befristung gemäß § 19 Abs 4 DSt – bereits vollzogen ist (ON 30, Zustellung am 20. Februar 2023), keine Auswirkung auf die Zulässigkeit der Beschwerde hat, weil bei Prüfung der Rechtmäßigkeit auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Disziplinarrat abzustellen ist (28 Ds 7/19x; RIS‑Justiz RS0131252 [T2]).

[7] Die vom Disziplinarbeschuldigten erhobene Beschwerde erschöpft sich inhaltlich im Wesentlichen in der Wiedergabe seiner Stellungnahmen vom 10. und 13. Februar 2023, der daran anknüpfenden Behauptung, dass seine Argumente nicht gewürdigt worden seien, sowie in diversen – teils unsachlichen – Vorwürfen gegen die Rechtsanwaltskammer bzw den Disziplinarrat.

[8] Eine einstweilige Maßnahme kann der Disziplinarrat gegen einen Rechtsanwalt ua dann beschließen, wenn – wie hier – die (noch nicht rechtskräftige) Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste (§ 16 Abs 1 Z 4 DSt) ausgesprochen wurde (§ 19 Abs 1 Z 3 DSt; Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 19 DSt Rz 16; Gartner in Csoklich/Scheuba, Standesrecht der Rechtsanwälte3 119). Dabei kommt definitionsgemäß vor allem die vorläufige Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft (§ 19 Abs 3 Z 1 lit d DSt) in Betracht.

[9] Fallbezogen ist im Hinblick auf die besondere Schwere des – dem Disziplinarbeschuldigten mehrfach zur Last gelegten – Suspensionsbruchs und die damit verbundene massive Beeinträchtigung des Standesansehens (vgl Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 17 DSt Rz 2; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 § 17 DSt, 904; s insbesondere BS 4 f und 6 f) die vom Disziplinarrat beschlossene einstweilige Maßnahme – mit Blick auch auf die Besorgnis schwerer Nachteile für die Interessen der rechtsuchenden Bevölkerung oder für das Standesansehen (RIS‑Justiz RS0078293) – nicht zu beanstanden.

[10] Der Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – nicht Folge zu geben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte