European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00098.21Z.0622.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 551,86 EUR (darin 91,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil darin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird.
[2] 2.1. Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klageerzählung gemeint ist. Das Gericht hat ein versehentlich unrichtig formuliertes Urteilsbegehren richtig zu fassen (RIS‑Justiz RS0037440), insbesondere wenn dessen Wortlaut das Begehren unzulässig machen würde (vgl RS0037440 [T17] = 1 Ob 25/15f). Die Auslegung des Parteienvorbringens sowie des Klagebegehrens begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0042828 [T31]; RS0037440 [T6]).
[3] 2.2. Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass die von den Beklagten erklärte Aufkündigung eines 2013 geschlossenen Vertrags, mit dem der Klägerin zugunsten der Allgemeinheit die Benutzung eines über das Grundstück der Beklagten verlaufenden Gehwegs gestattet wurde, rechtsunwirksam sei. Bei der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses handelt es sich aber um eine keine
Feststellung zugängliche Rechtshandlung (vgl RS0039036; RS0028586), weshalb es keiner Korrektur bedarf, dass die Vorinstanzen das Klagebegehren im Zusammenhang mit dem Klagevorbringen dahin interpretierten, dass in Wahrheit die Feststellung des aufrechten Bestehens des Vertrags begehrt werde, zumal es auch die Beklagten in diesem Sinn verstanden, wandten sie doch die Unwirksamkeit des Vertrags wegen eines ihnen unterlaufenen – von der Klägerin verursachten – Irrtums ein; die Klägerin berief sich auch in diesem Zusammenhang auf die Wirksamkeit des Vertrags.
[4] 3. Zur Irrtumsanfechtung erachtete das Berufungsgericht die Rechtsrüge der Beklagten als nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil darin nicht von den erstinstanzlichen Feststellungen ausgegangen worden sei. Dem ist zuzustimmen, wichen die Berufungsausführungen doch sowohl zur Frage, ob die Beklagten einem (bloßen Motiv‑)Irrtum darüber unterlagen, dass die beabsichtigte Verlegung des Gehwegs auf das Grundstück eines Dritten als vereinbarter Grund für die Vertragsbeendigung bei Vertragsabschluss noch nicht absehbar war, als auch zur Kausalität des behaupteten Irrtums für den Abschluss des Vertrags von den erstinstanzlichen Negativfeststellungen ab. Entgegen der Ansicht der Revisionswerber ist bei der Vertragsanfechtung sowohl für das Vorliegen des Irrtums als auch für dessen Wesentlichkeit (Ursächlichkeit für den Vertragsabschluss) derjenige behauptungs- und beweispflichtig, der sich auf den Irrtum beruft (vgl RS0098986 [T8]; RS0093831).
[5] 4.1. Dauerschuldverhältnisse können durch einseitige Erklärung aufgelöst werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für eine Vertragspartei unzumutbar erscheinen lässt (RS0027780), wobei bei – wie hier – vereinbarter Unkündbarkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist (RS0027780 [T63]). Welche schwerwiegenden Gründe die Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Dauerschuldverhältnisses bewirken und zu dessen Auflösung berechtigen, ist jeweils im Einzelfall – nach umfassender Abwägung aller dafür und dagegen sprechenden Gegebenheiten (RS0027780 [T41]) – zu beurteilen und begründet typischerweise keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0042834; RS0111817).
[6] 4.2. Die Beklagten behaupteten nur insoweit eine Beeinträchtigung durch die unberechtigte Benutzung des Gehwegs durch Radfahrer, als es dadurch – beim Ausfahren von ihrer Hoffläche – zu gefährlichen Verkehrssituationen komme und sich bereits Unfälle ereignet hätten. Fest steht, dass es drei Mal zu Kollisionen der Beklagten mit Radfahrern kam (die dabei unverletzt blieben), wobei sich nicht klären ließ, wann sich diese ereignet hatten. Da die Beklagten 2016 zusätzlich zu einem bereits bestehenden Tor am nördlichen Ende des Wegs auch im südlichen Bereich ihrer Hoffläche ein solches errichteten, ging schon das Erstgericht davon aus, dass nunmehr verhindert werde, dass Radfahrer mit höherer Geschwindigkeit in den Gefahrenbereich (der Hoffläche) gelangen. Auch das Berufungsgericht entgegnete den Beklagten, dass die zunächst bestehende Gefahrensituation durch das Anbringen der beiden Tore entschärft wurde. Diesem (überzeugenden) Argument treten die Beklagten nur insoweit entgegen, als sie – gänzlich unkonkret und ohne sich mit den Erwägungen der Vorinstanzen auseinanderzusetzen – behaupten, es sei zu „weiteren gefährlichen Situationen“ gekommen. Damit zeigen sie aber keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[7] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, steht ihr der Ersatz der Kosten ihrer als zweckentsprechend anzusehenden Revisionsbeantwortung zu (RS0112296).
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