OGH 1Ob92/20s

OGH1Ob92/20s24.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Mag. H***** W*****, vertreten durch die HOSP, HEGEN Rechtsanwaltspartnerschaft, Salzburg, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, sowie die Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei 1. ***** Dr. R***** F*****, und 2. ***** Mag. B***** V*****, vertreten durch Pallauf Meißnitzer Staindl & Partner, Rechtsanwälte, Salzburg, wegen 114.423,73 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. März 2020, GZ 4 R 143/19f‑50, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 10. Juli 2019, GZ 3 Cg 2/17a‑45, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00092.20S.0624.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist mängelfrei, wenn es sich mit dieser befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft, nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS‑Justiz RS0043150). Allerdings ist das Berufungsgericht im Rahmen der Überprüfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung nicht genötigt, sich mit jedem einzelnen Beweisergebnis und jedem Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (RS0043162). Eine bloß mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht (RS0043371) oder nur so mangelhaft befasst hätte, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind (RS0043371 [T13]), ist sein Verfahren mangelhaft.

§ 500a Satz 2 ZPO beschränkt die Möglichkeit einer verkürzten Begründung nicht auf bestimmte Berufungsgründe. Es kann daher in geeigneten Fällen auch in Fragen der Beweiswürdigung mit dem Hinweis auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts und einer kurzen Zusatzbegründung das Auslangen gefunden werden (RS0122301). Ob den Anforderungen des § 500a ZPO dabei genügt wurde, ist eine Einzelfallfrage, die vom Obersten Gerichtshof nur bei einer fehlerhaften Anwendung der dem Berufungsgericht eingeräumten Möglichkeit der Begründungserleichterung aufgegriffen werden könnte (RS0123827). Das ist hier nicht der Fall.

Das Berufungsgericht hat die sorgfältige und eingehende Beweiswürdigung des Erstgerichts für denklogisch, nachvollziehbar und einwandfrei begründet erachtet, sodass es gemäß § 500a ZPO darauf verweisen konnte. Überdies hat es der Beweisrüge des Klägers zu den von ihm bekämpften Feststellungen und den begehrten Ersatzfeststellungen eine Reihe inhaltlicher Argumente entgegengehalten. Abgesehen davon, dass sich das zweitinstanzliche Urteil ausreichend mit den Berufungsausführungen des Klägers auseinandergesetzt hat, ist der Argumentation der Revision entgegenzuhalten, dass Art 6 Abs 1 EMRK nicht einmal Anspruch auf einen mehrinstanzlichen Rechtsweg gewährt (RS0043962).

2. Soweit der Kläger mit nicht getroffenen Feststellungen argumentiert (zB Ausführungen zu seiner „Weltanschauung“, womit er seine Charaktereigenschaften meint; Darlegungen zu einer „überschießenden“ Ausübung der Dienstaufsicht), führt er die Revision nicht gesetzmäßig aus (RS0043603).

Die Beweiswürdigung und die darauf beruhenden Feststellungen der Vorinstanzen sind im Revisionsverfahren nicht mehr anfechtbar (RS0043371 [T22, T24]; RS0069246 [T1]).

3. Der Eintritt von Gesundheitsschäden – auf die der Kläger seine Ansprüche stützt – steht im Allgemeinen nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dienstrechtlichen Maßnahmen oder Unterlassungen, selbst wenn sie sich als unberechtigt erweisen, es sei denn, es handelt sich dabei um Mobbing (1 Ob 214/15z; 1 Ob 173/17y = RS0131739; 1 Ob 71/19a).

Entgegen der Ansicht des Klägers wurde er durch den Suspendierungsbescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 16. 5. 2014, der nachfolgend über seine Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben wurde, nicht in seiner „menschlichen Würde“ verletzt. Der darin geäußerte Verdacht der Begehung schwerwiegender Dienstpflichtverletzungen verletzt ihn – entgegen seiner Meinung – nicht in seiner „Menschenwürde“, auch wenn im Bescheid eine etwas schärfere Ausdrucksweise gebraucht wurde. Auf sein subjektives Verständnis des Bescheidsinhalts kommt es nicht an. Mangels Verletzung der Menschenwürde stellt sich die vom Kläger angesprochene Frage nicht, ob auch eine einmalige, schwerwiegende Handlung dem Mobbingverbot widersprechen kann und ob ein Verhalten außerhalb des Schutzbereichs des § 43a BDG (er argumentiert, die Disziplinarkommission stehe in „keinem dienstlichen Verhältnis“ im Sinn dieser Bestimmung) die Menschenwürde verletzen kann. Selbst wenn sein Parteiengehör zu einzelnen Anschuldigungen im Suspendierungsbescheid wie auch zu zwei Beschlüssen der Disziplinarkommission über die Einleitung von (weiteren) Disziplinarverfahren nicht gewahrt worden sein sollte, würde sich aus diesen Unterlassungen kein Verhalten ableiten, das als Mobbing zu werten wäre. Zudem vermag der Revisionswerber nicht darzulegen, was er im Fall der Einräumung eines Parteiengehörs konkret vorgebracht hätte. Selbst wenn die Disziplinaranzeigen vom Vorgesetzten des Klägers nicht im Dienstweg der Dienstbehörde, sondern direkt an die Disziplinarkommission übermittelt worden sein sollten (vgl § 109 Abs 1 BDG), ist nicht ersichtlich, inwiefern darin eine „Mobbingmaßnahme“ gegenüber dem Kläger gelegen wäre.

3.1. Beim Mobbing handelt es sich um eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen und Kolleginnen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen („Bossing“), bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder mehreren Personen systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet (1 Ob 56/18v mwN). Für Mobbing ist das systematische, ausgrenzende und prozesshafte Geschehen typisch, etwa durch systematische Verweigerung jeder Anerkennung, Isolation, Zurückhalten von Informationen, Rufschädigung und dergleichen (RS0124076 [T2]). Die Beurteilung, ob Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz Mobbing (oder „Bossing“) zugrunde liegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0124076 [T4, T6]). Mangels einer über den konkreten Fall hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zur Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine Fehlbeurteilung unterlaufen, die zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte (zuletzt 1 Ob 39/20x mwN). Das ist hier nicht der Fall.

3.2. Das Berufungsgericht argumentierte, von einer objektiven Eignung von Maßnahmen, die die Verdrängung aus dem Arbeitsverhältnis bewirken sollen, könne nicht gesprochen werden, wenn diese sachlich gerechtfertigt waren, also etwa in der notwendigen und gebotenen Dienstaufsicht wurzelten oder sonst zur Gewährleistung eines rechtskonformen Dienstbetriebs geboten waren. Aufgrund der Amtsführung des Klägers (im Strafamt einer Landespolizeidirektion), den dabei aufgetretenen Unregelmäßigkeiten, seiner Ankündigung, Weisungen nicht befolgen zu wollen, seinen Äußerungen, sein Vorgesetzter sei inkompetent und habe ohnehin nichts zu tun, sei es geboten gewesen, ihn „strenger“ zu kontrollieren als etwa andere Bedienstete. Auch das Faktum, dass gegen ihn zahlreiche Disziplinaranzeigen erstattet worden seien, die nur teilweise zu Verurteilungen geführt hätten, und der Umstand, dass das Strafverfahren mit einem teilweisen Freispruch (und teilweise mit Einstellung) geendet habe, könnten keinen Mobbing‑ oder Bossingvorwurf begründen. Aus der Nichteinleitung von Disziplinarverfahren könne nämlich nicht der Schluss gezogen werden, dass ex ante betrachtet kein begründeter Verdacht vorgelegen sei. Immerhin seien gegen den Kläger in zahlreichen Fällen Disziplinarverfahren eingeleitet worden; er sei auch zu Geldstrafen verurteilt worden. Wenn das Berufungsgericht ausgehend vom eingehend festgestellten Sachverhalt zum Ergebnis gelangte, dass weder Mobbing noch Bossing vorgelegen sei, ist diese Beurteilung nicht korrekturbedürftig.

Ebenfalls nicht korrekturbedürftig ist dessen Rechtsansicht, dass der Kläger selbst die Anlässe für die Erstattung der Disziplinaranzeigen geliefert habe, habe er doch als Beamter seinen Vorgesetzten als inkompetent, überfordert und dessen Anordnungen als „Blödsinn“ bezeichnet, ihm krankhaftes Kontrollverhalten unterstellt und seinerseits Dienstanweisungen nicht befolgt und auch bekanntgegeben, sie nicht befolgen zu wollen. Dadurch habe er ausreichende Gründe geliefert, seine Amtsführung engmaschiger und genauer zu überwachen, als jene von anderen Mitarbeitern. Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger selbst eine Führungsposition in der Hoheitsverwaltung bekleidet habe, die ein gewisses Maß an Eingliederung in den Dienstbetrieb erfordere, zu welcher der Kläger nicht willens oder nicht in der Lage gewesen sei.

3.3. Die Darlegungen des Klägers für den Zeitraum von 14 Tagen nach der Aufhebung seiner Suspendierung und des Beginns seines Krankenstandes, wo er mit seiner Zustimmung eine andere Tätigkeit übernahm und wie allgemein üblich zunächst keine eigenen Akten zugeteilt erhielt, übergeht den Umstand, dass er sich erst in die neue Materie einarbeiten musste. Zwar war ihm zu dieser Zeit die Kontaktaufnahme zu ehemaligen Kollegen im Strafamt untersagt, jedoch diente diese Maßnahme ausschließlich der Deeskalation. Es behauptet auch gar nicht, dass diese (kurzfristige) Verwendung seinen Gesundheitszustand nachteilig beeinflusst hätte.

Wenn er damit argumentiert, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, mit dem Schuldsprüche zu bestimmten Spruchpunkten eines ihn betreffenden Disziplinarerkenntnisses bestätigt wurden, sei noch nicht rechtskräftig, unterlässt er es anzuführen, dass seine dagegen erhobene Revision gegen die Bestätigung der Schuldsprüche zu drei Spruchpunkten vom Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen und das Erkenntnis lediglich im Umfang der Bestätigung eines Schuldspruchs sowie den Aussprüchen über die Strafe aufgehoben wurde (VwGH Ra 2018/09/0080). Allein der Umstand, dass die Disziplinarkommission in bestimmten Fällen einen Nichteinleitungsbeschluss fasste, bedeutet nicht, dass bei einer ex‑ante‑Beurteilung die Disziplinaranzeigen gegen ihn „überzogene“ und unsachliche Maßnahmen gewesen oder aus sachfremden Motiven ohne ausreichende Verdachtsgründe erstattet worden wären. Nach den Feststellungen führten die Vorgesetzten des Klägers regelmäßig persönliche Gespräche mit ihm und auch zumindest drei Mal der Landespolizeidirektor. Letzterer bot dem Kläger bereits Anfang 2013 eine andere Dienstzuteilung an, die er aber ablehnte, weil er stattdessen eine fixe Planstelle haben wollte. Weiters wurde ein Mediationsverfahren zwischen dem Kläger und seinem unmittelbaren Vorgesetzten eingeleitet, das er aber ablehnte, weil er (aus nicht festgestellten Gründen) den dafür herangezogenen Mediator für voreingenommen und unqualifiziert hielt. Wenn der Kläger in der Revision diese Maßnahmen der Dienstbehörde im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht als „zweifellos nicht in ausreichendem Maße“ qualifiziert, ist dies nicht nachvollziehbar.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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