OGH 1Ob72/12p

OGH1Ob72/12p26.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer. und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter K*****, vertreten durch Dr. Hans Jalovetz und Dr. Paul Wachschütz, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagten Parteien 1. Land Steiermark, vertreten durch Dr. Arno R. Lerchbaumer, Rechtsanwalt in Graz und 2. G***** AG, *****, vertreten durch Siegl, Choc & Axmann Rechtsanwaltspartnerschaft in Graz, wegen 42.923,91 EUR sA und Feststellung (14.000 EUR) über die außerordentliche Revision der erstbeklagten Partei gegen das Teil-Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 23. Februar 2012, GZ 5 R 238/11a-40, mit dem das Teil-Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. September 2011, GZ 10 Cg 124/10m-32, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 3 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Wird ein Schwertransport durch den Landeshauptmann bewilligt und dabei eine Transportbegleitung durch ein „ermächtigtes Straßenaufsichtsorgan“ angeordnet, so wird bei dieser Transportbegleitung hoheitlich gehandelt (1 Ob 49/95, 1 Ob 54/95 = RIS-Justiz RS0087678). Dass dies hier der Fall war, zieht das erstbeklagte Land nicht in Zweifel. Es ordnet aber das Verhalten des Transportbegleiters (eines mit Bescheid bestellten Straßenaufsichtsorgans [§ 97 Abs 2 StVO]), dessen PKW beim Einfahren auf eine Autobahn (dem Schwertransport nachfolgend) mit dem bevorrangten PKW des Klägers kollidierte, dem Kompetenztatbestand Kraftfahrwesen (Art 10 Abs 1 Z 9 B-VG) zu, innerhalb dessen gemäß Art 10 Abs 1 B-VG die Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache ist, und bestreitet deshalb seine Passivlegitimation. Mit diesen Ausführungen zeigt es aber keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1.1 Die Vollziehung von Angelegenheiten der Straßenpolizei ist Landessache (Art 11 Abs 1 Z 4 B-VG), sodass daraus abgeleitete Amtshaftungsansprüche gegen das Land zu richten sind (1 Ob 7/75 = SZ 48/29 = RIS-Justiz RS0049942; RS0023035 [T1]). Entscheidend für die Frage der Zuordnung des schädigenden Organhandelns war nach der Funktionstheorie, in wessen Namen und für wen der Transportbegleiter funktionell im Unfallszeitpunkt tätig war (RIS-Justiz RS0087680 [T1]). Im Fall der Transportbegleitung sind nur Maßnahmen, welche das Fahrzeug selbst oder seine Fortbewegung auf der Straße betreffen, wie die Verwendung von Signalflaggen, besondere Begrenzungsleuchten oder die Anordnung, eine bestimmte Geschwindigkeit dürfe nicht überschritten werden, dem Kompetenztatbestand „Kraftfahrwesen“ zuzuordnen; Maßnahmen, welche die Sicherung des allgemeinen Verkehrs auf der Straße betreffen und die dazu erforderlichen verkehrspolizeilichen Anordnungen bzw das Unterlassen solcher Maßnahmen sind hingegen dem Kompetenztatbestand „Straßenpolizei“ zuzuordnen (1 Ob 4/79 = SZ 52/103; 1 Ob 25/81; RIS-Justiz RS0053252). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das die Unterlassung von Maßnahmen des Transportbegleiters zur Sicherstellung eines gefahrlosen Einfahrens des gesamten Transports (einschließlich des „Begleit-PKW“) nicht dem Betrieb des begleiteten Schwertransports selbst und damit nicht dem Kompetenztatbestand Kraftfahrwesen, sondern jenem der Straßenpolizei zuordnete, hält sich im Rahmen der vom Obersten Gerichtshof zur Abgrenzung dieser Kompetenztatbestände entwickelten Kriterien.

2. Die von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängige (RIS-Justiz RS0087606 ua) Beurteilung des Mitverschuldens des Klägers ist vom Obersten Gerichtshof nicht zu korrigieren. Dem Transportbegleiter ist eine Verletzung des Vorrangs des auf dem rechten Fahrstreifen der Autobahn fahrenden Klägers, der auf das Einfahren des Unfallsgegners in den ersten Fahrstreifen der Autobahn um 1,1 Sekunden zu spät reagierte, anzulasten. Entgegen der Argumentation des Revisionswerbers bedeutete der vorangegangene Stillstand des „Begleit-PKW“ außerhalb der Aktivfahrbahn der Autobahn ungeachtet seiner eingeschalteten Drehlichter und Warntafel nicht zwingend einen Anlass für eine sofortige Reaktion des Klägers. Der Revisionswerber geht ja selbst davon aus, dass der „Begleit-PKW“ nicht als Einsatzfahrzeug iSd § 2 Abs 1 Z 25 StVO zu qualifizieren war. Warum der Kläger nicht nach § 3 Abs 1 StVO auf die Einhaltung seines Vorrangs hätte vertrauen dürfen, kann der Revisionswerber nicht überzeugend darlegen. Ein Mitverschulden des Klägers im Ausmaß von einem Drittel ist in dieser Situation ein vertretbares Ergebnis.

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