OGH 1Ob64/08f

OGH1Ob64/08f16.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** AG, *****, vertreten durch Scherbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wider die beklagte Partei Gemeinde F***** vertreten durch Reif und Partner, Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 58.333,33 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 11. Februar 2008, GZ 5 R 24/08a-41, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 16. November 2007, GZ 22 Cg 154/05d-37, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.018,88 EUR (darin enthalten 336,48 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Versicherungsgesellschaft ist Haftpflichtversicherer jenes Architekten, der mit der Planung, Erarbeitung der Baugenehmigung sowie der Bauaufsicht für den Neubau eines Seniorenheims beauftragt war. Mit Bescheid des Bürgermeisters der beklagten Gemeinde vom 21. 4. 1999 wurde dem Bauwerber antragsgemäß die Baubewilligung zur Errichtung des Seniorenheims erteilt. Im Bescheid ist darauf hingewiesen, dass die vom Architekten erstellten Einreichpläne einen wesentlichen Bestandteil des Bescheids bilden. Die Bauausführung erfolgte den Einreichplänen entsprechend. Nach Erteilung der Benützungsbewilligung stellte ein Vertreter des Arbeitsinspektorats fest, dass die im Keller des Seniorenheims situierte Betriebsküche über keine der Arbeitsstättenverordnung entsprechende Sichtverbindung ins Freie verfügte. Später stellte sich noch heraus, dass auch die Raumhöhe der Küche der Arbeitsstättenverordnung widersprach. Aus diesen Gründen erteilte das Arbeitsinspektorat keine Genehmigung für die Fortführung des Küchenbetriebs.

Die klagende Versicherungsgesellschaft begehrte aus dem Titel der Amtshaftung von der beklagten Gemeinde 58.333,33 EUR sA an Schadenersatz wegen des erforderlichen Umbaus der Betriebsküche. Der Ersatzanspruch ihres Versicherungsnehmers sei im Umfang der erbrachten Versicherungsleistung auf sie übergegangen. Sowohl die im Widerspruch zur Arbeitsstättenverordnung stehende (zu geringe) Raumhöhe als auch die mangelnde Sichtverbindung ins Freie seien im Einreichplan ersichtlich gewesen. Es wäre an der Baubehörde erster Instanz gelegen gewesen, die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften - auch jener der Arbeitsstättenverordnung - zu prüfen und die Baubewilligung zu versagen. Der Schaden sei sohin in Vollziehung der Gesetze schuldhaft zugefügt worden. Der Umstand, dass das Baurecht in der Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers und der Arbeitnehmerschutz in der Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers liege, sei irrelevant, da das Bauverfahren in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde falle und diese dabei an die Gesetze und Verordnungen sowohl des Bundes als auch der Länder gebunden sei. Unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Architekten werde nur ein Drittel des Gesamtschadens geltend gemacht.

Die beklagte Partei wendete - soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich - ein, die Baubehörde erster Instanz sei verpflichtet, ein Bauansuchen dann zu genehmigen, wenn dieses den Vorschriften des stmk BauG entspreche. Mit einer Baubewilligung sei jedoch keine Aussage darüber zu treffen, ob das Vorhaben den sonstigen Vorschriften öffentlich-rechtlicher Natur (zB dem Gewerberecht, Forstrecht oder den Arbeitnehmerschutzgesetzen) widerspreche. Die Wahrnehmung von Belangen des Arbeitnehmerschutzes falle nicht in den Kompetenzbereich der Baubehörden, sodass diesen keine Möglichkeit offen stehe, arbeitnehmerschutzrechtliche Aspekte in ein Baubewilligungsverfahren einzubeziehen. Das stmk BauG selbst nehme in keiner Weise Bezug auf arbeitnehmerschutzrechtliche Belange. Da das gegenständliche Bauansuchen sämtlichen Vorschriften des stmk BauG entsprochen habe, sei das Ansuchen zu bewilligen gewesen. Bei der Verhandlungsführung seien die Vorschriften des Arbeitsinspektoratsgesetzes eingehalten worden. So sei die Kundmachung der Ladung zur Bauverhandlung rechtzeitig erfolgt und sei der Baubewilligungsbescheid an das Arbeitsinspektorat zugestellt worden. Es könne nicht zu Lasten der beklagten Partei gehen, wenn das Arbeitsinspektorat zur Bauverhandlung keinen Vertreter entsandt habe. Der beklagten Partei sei auch keine Verletzung der Manuduktionspflicht vorwerfbar, zumal sich die Anleitungspflicht lediglich auf verfahrensrechtliche Angelegenheiten beziehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus weiters fest:

Der letztlich zur Ausführung gelangte Einreichplan weist im Grundriss des Kellergeschoßes einen Raum mit der Bezeichnung „Küche" mit einem Ausmaß von 74,91 m² aus. An die Küche schließt ein Kühllager in der Größe von 11,53 m² an. Die daneben befindliche Wäscherei ist 76,79 m2 groß. Diese Räume sind „dergestalt", dass sich im Rahmen eines Bauverfahrens die Vermutung aufdrängt, es handle sich um gewerblich genutzte Flächen. Laut Einreichplan weist der als „Küche" bezeichnete Raum vier Fenster auf, die in Lichtschächte führen. Aus der Plandarstellung lässt sich entnehmen, dass von der Küche keine Sichtverbindung ins Freie besteht, sondern nur auf die Lichtschächte und allenfalls auf das die Lichtschächte abdeckende Gitter. Der Lichteinfall (Glasfläche) zur Bodenfläche der Küche verhält sich wie 1,52 m² zu 74,91 m²; das sind etwa 2,03 % der Bodenfläche. Die Raumhöhe im Kellergeschoß ist im Einreichplan mit (nur) 2,60 m eingetragen. Zur Bauverhandlung wurde das Arbeitsinspektorat (rechtzeitig) geladen; kein Vertreter dieser Behörde leistete jedoch der Ladung Folge. Auch der Baubewilligungsbescheid wurde dem Arbeitsinspektorat zugestellt. Der Widerspruch des Einreichplans zur Arbeitsstättenverordnung hätte „einem durchschnittlichen Amtssachverständigen" auffallen müssen, da hinlänglich bekannt ist, dass die Arbeitsstättenverordnung besondere Anforderungen an Arbeitsräume stellt. Wäre der Verhandlungsleiter der beklagten Gemeinde vom Amtssachverständigen auf den Widerspruch zur Arbeitsstättenverordnung hingewiesen worden, hätte er den Bauwerber eingeladen, eine entsprechende Änderung vorzunehmen. Diesfalls hätte der Bauwerber entsprechende Umplanungen vornehmen lassen, sodass der gegenständliche Schaden nicht eingetreten wäre.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht ein Fehlverhalten der Organe der beklagten Partei. Die Baubehörde habe einem Bauansuchen mit schriftlichem Bescheid stattzugeben, wenn die nach dem Baugesetz für die Bewilligung geforderten Voraussetzungen erfüllt seien. Sie habe ein Bauvorhaben in baurechtlicher Hinsicht für zulässig zu erklären, wenn dieses mit den von ihr wahrzunehmenden Bauvorschriften übereinstimme bzw die Übereinstimmung durch Auflagen hergestellt werden könne. Die Prüfungspflicht der Baubehörde erschöpfe sich demnach in der Prüfung der Übereinstimmung des Bauvorhabens mit den Bestimmungen des Baugesetzes. Ob das Vorhaben sonstigen Vorschriften öffentlich-rechtlicher Natur entspreche oder widerspreche, sei von der Baubehörde nicht zu berücksichtigen. Das stmk BauG selbst verlange keine Bedachtnahme auf Arbeitnehmerschutzvorschriften. Die vorgesehene Raumhöhe von 2,60 m entspreche der von § 67 Abs 1 des stmk BauG geforderten Mindestraumhöhe, sodass der Einreichplan in diesem Punkt von der Baubehörde nicht zu beanstanden gewesen sei. Eine Sichtverbindung ins Freie sei nach dem stmk Baugesetz nicht gefordert, sondern wäre allein in der Arbeitsstättenverordnung festgelegt. Zwar sei gemäß § 43 des stmk BauG die Nutzungssicherheit eines Bauwerks zu prüfen; diese bedeute aber nur, dass das Bauwerk so geplant und ausgeführt sein müsse, dass sich bei seiner Nutzung oder seinem Betrieb keine unannehmbaren Unfallgefahren wie Verletzungen durch Rutsch-, Sturz- und Aufprallunfälle, Verbrennungen, Stromschläge oder Explosionsverletzungen etc ergäben. Dabei handle es sich lediglich um die Pflicht zur Vermeidung bauwerksbedingter Unfallverletzungen. Dass aus der - der Arbeitsstättenverordnung nicht entsprechenden - Ausführung des Küchenraums eine derartige Unfallgefahr ableitbar wäre, sei nicht ersichtlich. Richtig sei, dass das festgestellte Verhältnis der Lichteintrittsflächen zur Bodenfläche den in § 67 Abs 2 des stmk BauG festgelegten Voraussetzungen widerspreche. Dennoch vermöge auch § 67 stmk BauG den Entschädigungsanspruch nicht zu tragen, da sich die Klägerin auf einen Schadenseintritt wegen eines allfälligen Verstoßes der Baubewilligung (nur) gegen § 67 des stmk BauG nicht gestützt habe. Zudem hätten die dem § 67 Abs 2 stmk BauG nicht entsprechenden Lichteintrittsflächen nicht dazu geführt, dass dem Bauwerber gerade wegen dieser Baugesetzwidrigkeit von der Baubehörde Änderungsmaßnahmen aufgetragen und damit schädigende Kosten verursacht worden seien.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es billigte die Rechtsausführungen des Erstgerichts und führte ergänzend aus, es könne dahingestellt bleiben, ob dem beigezogenen Amtssachverständigen der Widerspruch zwischen dem Einreichplan und der Arbeitsstättenverordnung hätte auffallen müssen, da für die Erteilung der Baubewilligung die Einhaltung von Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung ohne Bedeutung sei. Da sich die Vollzugstätigkeit der Baubehörde auf die ihr vom Gesetz eingeräumte Kompetenz zu beschränken habe, seien deren Organe nicht verpflichtet, darauf zu achten, dass das Bauvorhaben auch anderen als baurechtlichen Vorschriften genüge. Auch aus dem Umstand, dass die Lichteinfallsflächen in den Arbeitsräumen im Kellergeschoß nicht den Bestimmungen des BauG entsprachen, sei für die klagende Partei nichts zu gewinnen, weil sie den Schadenseintritt nur auf einen Verstoß gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften zurückgeführt habe; auf einen Schadenseintritt wegen eines allfälligen Verstoßes der Baubewilligung (nur) gegen § 67 des stmk BauG habe sie sich niemals gestützt. Außerdem sei ihr aus einem allfälligen Verstoß gegen § 67 Abs 2 stmk BauG kein unmittelbarer Schaden entstanden. Des weiteren haben ein zu geringes Verhältnis der Fensterfläche zur Grundfläche eines Raumes nicht zwingend die Versagung der Baubewilligung zur Folge, da nach § 67 Abs 3 des stmk BauG unter bestimmten Voraussetzungen sogar Aufenthaltsräume ohne Fenster zulässig seien, wenn dies durch besondere Maßnahmen ausgeglichen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Wenngleich seit der Entscheidung zu 1 Ob 362/98m (= SZ 72/29) klargestellt ist, dass den vom Bauwerber geltend gemachten Ansprüchen wegen antragsgemäßer Bewilligung fehlerhafter Bauvorhaben der Haftungsausschluss des § 2 Abs 2 AHG nicht entgegengehalten werden kann, bedeutet dies noch nicht, dass einem Bauwerber Amtshaftungsansprüche wegen jeglicher Art von Vermögensschäden zustehen, die ihm im Zuge der Ausführung des bewilligten Bauwerks entstanden sind. Neben dem Umstand, dass auch der Bauwerber selbst in den Schutzbereich des öffentlichen Baurechts einbezogen ist, hat vielmehr noch zu treten, dass der von ihm geltend gemachte Vermögensschaden in den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht fällt. Generell wird nämlich nur für solche Schäden gehaftet, die sich als Verwirklichung derjenigen Gefahr darstellen, deretwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten gefordert oder untersagt hat. Es muss also nicht nur der Schutz (gerade) des Geschädigten bezweckt werden, sondern auch die spezielle Art des Schadens und dessen Entstehungsart vom Schutzzweck der Norm umfasst sein. Die Frage, vor welcher Art von Schäden der Bauherr durch Erteilung der Baubewilligung geschützt werden soll, kann nicht generell beantwortet, sondern muss im Einzelfall norm- und fallbezogen geprüft werden (Helmberg, Amtshaftung im Baurecht, bbl 1998, 151 f [157]).

Die Revisionswerberin vertritt nun den Standpunkt, ein Bauwerber müsse grundsätzlich darauf vertrauen können, dass die Baubehörde vor Erteilung der Baubewilligung die Prüfung der Konformität mit allen öffentlich-rechtlichen Vorschriften vorgenommen habe, die sein Bauvorhaben betreffen. Nach ihrer Ansicht treffe die Baubehörde eine umfassende Prüfungspflicht hinsichtlich sämtlicher öffentlich-rechtlichen, für ein Vorhaben relevanten Vorschriften. Werde daher eine Baubewilligung - wie hier - ohne Berücksichtigung der Ausführungsvorgaben nach der Arbeitsstättenverordnung erteilt, begründe dies Amtshaftungsansprüche des Bauwerbers, sofern diesem Kosten infolge nachträglich notwendig gewordener Umbauarbeiten entstanden seien.

Diesem bereits von Seebacher/Sorger in einem Aufsatz („Amtshaftung gegenüber dem Bauwerber trotz Baubewilligung?") in bbl 2006, 89 gleichlautend vertretenen Standpunkt widersprach Schwaighofer in seinen in bbl 2006, 185 dazu veröffentlichten Anmerkungen. Nach Ansicht dieses Autors haben die Baubehörden bei ihr einlangende Ansuchen ausschließlich auf ihre Vollständigkeit und inhaltliche Übereinstimmung mit den ihnen zur Vollziehung zugewiesenen baurechtlichen Bestimmungen hin zu prüfen. Die Beurteilung von Sachverhalten, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht erforderlich bzw ihrer Zuständigkeit überhaupt entzogen sind, habe hingegen zu unterbleiben. Zur Begründung führt er aus, Art 18 Abs 1 BVG bestimme als einen der tragenden Grundsätze der österreichischen Verfassungsordnung die strikte Bindung hoheitlichen Handelns an eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung. Die Angelegenheiten des Bauwesens seien aufgrund der Generalklausel des Art 15 Abs 1 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung alleinige Sache der Länder. Wegen der aus dem Legalitätsprinzip erfließenden Gesetzesbindung seien die landesgesetzlich eingerichteten Baubehörden nur zur hoheitlichen Vollziehung der ihnen zugewiesenen Aufgaben - im eigenen Wirkungsbereich der betreffenden Gemeinden - befugt. Eine Vollziehung bundesrechtlicher Vorschriften - wie es etwa die dem Kompetenztatbestand „Arbeitsrecht" in Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG zugeordneten Maßnahmen des Arbeitnehmerschutzes seien - komme aufgrund des zwingenden Charakters der kompetenzrechtlichen Zuständigkeitsschranken nicht in Betracht. Mangels Kompetenz der Baubehörde zur Vollziehung von Bundesrecht könne eine Baubewilligung wegen Widerspruchs zu den Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung nicht versagt werden, sobald die rechtlichen und technischen Bauvorschriften des jeweiligen Landes erfüllt seien. Beziehe die Baubehörde dennoch kompetenzfremde Tatbestände in ihre Entscheidung ein, handle sie nicht in Vollziehung der Gesetze im Sinne des Art 18 Abs 1 B-VG.

Diesen Ausführungen ist beizupflichten und ergänzend festzuhalten:

Der Zweck des Bauverfahrens liegt - im Zusammenhang mit der Beurteilung von Amtshaftungsansprüchen - grundlegend darin, die Allgemeinheit vor Gefahren zu bewahren, die mit der Aufführung von Bauten verbunden sind (SZ 53/61; SZ 68/156). So wurden die Aufgaben der Baubehörden in der Wahrung öffentlicher Interessen im Zuge der Beurteilung der Standfestigkeit von Gebäuden, gesundheitlicher (sanitärer) und feuerpolizeilicher Belange, sowie in der Wahrung von Stadtplanungs- und Verkehrsrücksichten gesehen (vgl SZ 50/24; SZ 53/61; SZ 60/177; SZ 68/156). Der Oberste Gerichtshof hat aber auch ausgesprochen, dass der einzelne Bauwerber insoweit in den Schutzzweck der Normen des Baurechts einbezogen sein kann, als er darauf vertrauen darf, dass eine rechtskräftig erteilte Baugenehmigung in der Folge nicht wegen Widerspruchs zu zwingenden Vorschriften des öffentlichen Rechts wieder beseitigt und ihm dadurch ein Schaden zugefügt wird (1 Ob 77/97y = SZ 70/144). Die Wahrnehmung von vom Bauwerber nicht überschaubaren öffentlich-rechtlichen Rücksichten fällt nämlich grundsätzlich nicht in dessen Risikobereich, sondern in den vom Rechtsträger zu verantwortenden Aufgabenbereich der Baubehörde (SZ 72/29). So hat die Baubehörde im Zuge des Baubewilligungsverfahrens beispielsweise auch auf die durch eine massive Hochwassergefährdung des Bauplatzes beeinträchtigten Interessen des Bauwerbers Rücksicht zu nehmen, wenn ihr die Hochwassergefährdung zwischenzeitig (nach Erteilung der Bauplatzbewilligung) bekannt geworden ist (1 Ob 178/06t).

Die Beantwortung der Frage, ob die von der Baubehörde zu wahrenden „öffentlich-rechtlichen Rücksichten" auch Normen aus dem Bereich des Arbeitnehmerschutzes umfassen bzw ob der Bauwerber in seinem Vertrauen darauf schützenswert ist, die Baubehörde werde etwaige Widersprüche zu Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung wahrnehmen und entweder entsprechende Auflagen erteilen oder die Baubewilligung versagen, ergibt sich - wie auch die Vorinstanzen richtig erkannt haben - schon aus dem stmk BauG. Gemäß dessen § 29 Abs 1 hat die Behörde einem Ansuchen mit schriftlichem Bescheid stattzugeben, wenn die nach diesem Gesetz für die Bewilligung geforderten Voraussetzungen erfüllt sind. Schon seinem Wortlaut nach beschränkt § 29 Abs 1 des stmk BauG die Baubehörde in eindeutiger Weise auf die Prüfung, ob ein Verstoß gegen baurechtliche Bestimmungen vorliegt. § 29 Abs 1 stmk BauG ist als Ausdruck des Grundsatzes zu verstehen, dass sich die allen Behörden obliegende Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung in der Pflicht jedes Organs konkretisiert, die Grenzen seiner Zuständigkeit einzuhalten.

Das stmk BauG selbst sieht eine Bedachtnahme auf Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht vor. So bestimmt dessen § 43, dass jedes Bauwerk in all seinen Teilen nach den Regeln der Technik und den bautechnischen Vorschriften so geplant und ausgeführt werden muss, dass es nach seinem Verwendungszweck und den örtlichen Verhältnissen den in Abs 2 dieser Bestimmung angeführten Anforderungen entspricht. Als allgemeine Anforderungen an Bauwerke werden unter anderem die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, Brand- und Schallschutz, Energieeinsparung und Wärmeschutz etc genannt, ohne dass Belange des Arbeitnehmerschutzes Erwähnung finden. Auch unter die in § 43 Abs 2 Z 3 des stmk BauG genannten Anforderungen (Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz) sind (spezielle) Belange des Arbeitnehmerschutzes nicht subsumierbar, werden doch nur Einwirkungen (etwa giftige Gase oder die Emission gefährlicher Strahlen etc) aufgezählt, die von keinem Bauwerk ausgehen dürfen, unabhängig davon, ob dieses Arbeitsräume beinhaltet oder nicht. Ebenso umfasst die in § 43 Abs 2 Z 4 des stmk BauG genannte „Nutzungssicherheit" nur allgemeine Anforderungen an Bauwerke, um „unannehmbare Unfallgefahren" wie etwa Verletzungen durch Stromschläge, Verbrennungen etc zu vermeiden, nicht aber Anforderungen, die speziellen arbeitnehmerschutzrechtlichen Rücksichten gerecht werden sollen. Ein Bauwerber darf nach Erhalt einer Baubewilligung demnach ausschließlich darauf vertrauen, die Baubehörde habe sein Vorhaben in baurechtlicher Hinsicht für zulässig erklärt, weil es mit den von ihr wahrzuhabenden Vorschriften übereinstimmt bzw diese Übereinstimmung durch gleichzeitig angeordnete Auflagen herbeigeführt wurde (siehe Hauer/Trippl, Steiermärkisches Baurecht4 323). Eine Aussage dazu, ob das Vorhaben sonstigen Vorschriften öffentlich- oder privatrechtlicher Natur entspricht, ist aus einer Baubewilligung nicht abzuleiten. Hat die Baubehörde im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens andere Gesetze als das Baugesetz nicht zu vollziehen, ist das Vertrauen eines Bauwerbers nicht schutzwürdig, die Baubehörde hätte (dennoch) andere Gesetze oder Verordnungen - wenngleich ohne normative Grundlage - „mitvollzogen".

Diesem Ergebnis steht Art 118 Abs 4 B-VG nicht entgegen. Gemäß dieser Verfassungsnorm haben die Gemeinden die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung zu besorgen. Durch diese Bestimmung ist nur klargestellt, dass auch im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden das Legalitätsprinzip gilt und die Gemeindeorgane an jene Rechtsvorschriften gebunden sind, die der Rechtsunterworfene in gleicher Weise zu beachten hat (Mayer, B-VG4 Art 118 IV.1). Eine Kompetenz der Baubehörde zur Vollziehung anderer als der Bauvorschriften ist aus Art 118 Abs 4 B-VG nicht ableitbar.

Auch eine Verletzung der sich aus § 13a AVG ergebenden Manuduktionspflicht ist zu verneinen. Grundsätzlich ist es nicht Sache einer Behörde, die um die Erteilung einer bestimmten Bewilligung angegangen wird, den Antragsteller anzuleiten, dass er die noch erforderlichen weiteren Bewilligungen erwirken müsse, oder diesen darüber zu belehren, wie sein Ansuchen inhaltlich zu gestalten sei, um diese weiteren Bewilligungen problemlos zu erlangen. Vielmehr obliegt es dem jeweiligen Antragsteller, die erforderlichen Erkundigungen darüber einzuholen, ob noch weitere Genehmigungen erforderlich sind; ebenso, auf welche Weise diese bestmöglich zu erreichen sind, ohne dass Kosten (etwa durch nachträgliche Umbauarbeiten) entstehen. Daran kann auch § 13a AVG nichts ändern. Nach dieser Gesetzesstelle hat die Behörde Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren. Eine umfassende allgemeine Belehrungspflicht würde die Behörden vor nicht zu bewältigende Aufgaben stellen, weswegen die sich aus § 13a AVG ergebende Rechtsbelehrungspflicht auf verfahrensrechtliche Angelegenheiten eingeschränkt ist. Sie bezieht sich nicht auch auf eine Belehrung in der Sache selbst. Insbesondere hat sie nicht zum Inhalt, eine Partei darüber zu belehren, wie diese ihre Anträge inhaltlich zu gestalten hätte, um - etwa im Hinblick auf die Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung - im Nachhinein erforderliche Umbauarbeiten zu vermeiden und alle gesetzlich erforderlichen Bewilligungen ohne weiteres zu erreichen (vgl 1 Ob 77/98z mwN).

Dem Umstand, dass die Mitberücksichtigung kompetenzfremder Interessen im Baugenehmigungsverfahren in vielen Fällen - wenngleich ohne im Gesetz verankerte rechtliche Verpflichtung - geboten erscheint (Mell/Schwimann, Grundriss des Baurechts, 264) wurde im vorliegenden Fall ohnedies dadurch Rechnung getragen, dass ein Vertreter des Arbeitsinspektorats zur Bauverhandlung geladen und der Baubewilligungsbescheid dem Arbeitsinspektorat zugestellt wurde.

Letztlich bringt die Revisionswerberin vor, es wäre möglicherweise zu keinem oder einem geringeren Schaden in der Sphäre des Bauherrn gekommen, wenn im Zuge des Baubewilligungsverfahrens ein Hinweis darauf erfolgt wäre, dass die Größe der Fensterflächen nicht der Bauordnung entspricht. Auch dieses Vorbringen kann ihrem Rechtsstandpunkt nicht zum Durchbruch verhelfen:

Besteht die (angebliche) Amtspflichtverletzung in einer Unterlassung, so kann ein Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nur bejaht werden, wenn der Schadenseintritt bei pflichtgemäßem Handeln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre (Schragel, AHG3 Rz 141). Eine bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Schon das Vorbringen der Klägerin beschränkte sich aber darauf, gerade auf eine solche (abstrakte) Möglichkeit hinzuweisen, ohne dass ihre Annahme eine Grundlage in den Feststellungen finden könnte, steht doch lediglich fest, der Bauwerber hätte sich dann zu entsprechenden Umplanungen veranlasst gesehen, wenn er auf die Widersprüche zur Arbeitsstättenverordnung (hinsichtlich Raumhöhe und Sichtverbindung ins Freie) hingewiesen worden wäre.

Die Revision erweist sich somit insgesamt als nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte