OGH 1Ob505/94

OGH1Ob505/9414.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst, Dr. Graf, Dr. Schiemer und Dr. Gerstenecker als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Gert G*****, vertreten durch Dr.Peter Rohracher, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Dipl. Ing. Franz C*****, vertreten durch Dr.Herwig Grosch und Partner, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen 253.600,- - S sA, infolge Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 29. Juli 1993, GZ 2 R 190/93-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 9. April 1993, GZ 10 Cg 1151/92s-19, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Keiner der beiden Revisionen wird Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte und seine Ehegattin sind seit 1989 gemeinsam je zur Hälfte Eigentümer der benachbarten, in unterschiedlichen EZ verbücherten Grundstücke 300/2 Garten und 301/2 Garten, je Grundbuch K*****-Stadt. Der klagende Baumeister hat aufgrund des Mietvertrages vom 28.Dezember 1941 Bestandrechte am Grundstück 301/2. Er stellte Ende 1982 im Bereich der Grenze der beiden Grundstücke ohne Baubewilligung eine etwa 3,5 m x 4,5 m große Bauhütte, die vorher auf verschiedenen Baustellen im Einsatz gewesen war, zur Verwendung als Büroraum auf. Mit Urteil des Bezirksgerichtes K***** vom 6.März 1991 wurde er unter anderem für schuldig erkannt, das Grundstück 300/2 ... zu räumen, insbesondere die darauf gelagerten Baumaterialien und die darauf errichtete Bauhütte zu entfernen und entfernt zu halten; dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft. Mit Schreiben vom 27.August 1991 verwies der Beklagtenvertreter darauf, die Leistungsfrist sei bereits abgelaufen, und setzte dem Kläger eine Nachfrist zur Erfüllung der urteilsmäßigen Verpflichtung bis 30.August 1991. Da der Kläger die auf dem Grundstück 300/2 befindlichen Teile der Bauhütte nicht entfernte, bewilligte das Bezirksgericht K***** dem Beklagten (und dessen Ehegattin) mit rechtskräftigem Beschluß vom 14.Oktober 1991 zur Erwirkung der Entfernung der Baumaterialien und der Bauhütte die Exekution und ermächtigte die betreibenden Parteien, auf Kosten des Beklagten (als Verpflichteten), die Baumaterialien und die Bauhütte durch einen befugten Unternehmer entfernen zu lassen. Weiters wurde den betreibenden Parteien die Fahrnisexekution zur Hereinbringung der durch die Ersatzvornahme entstehenden und vorläufig mit 10.000 S bemessenen Kosten dieser Handlungen bewilligt. Die Exekutionsbewilligung wurde dem Kläger am 18.November 1991 zugestellt. Da der Beklagte im Bezirk K***** kein Bauunternehmen fand, die das Urteil vollstrecken wollte, und die Bauunternehmen im Nachbarbezirk Z***** dafür Angebote über etwa 30.000 S stellten, beauftragte er eine Gesellschaft mbH, deren Mitgesellschafter und Geschäftsführer er ist, mit der Entfernung der Bauhütte. Diese Gesellschaft ist Inhaberin folgender Gewerbe: Erdarbeiten unter Ausschluß jeder einem konzessionierten Baugewerbe vorbehaltenen Tätigkeit, Schneeräumung, Verleih von Baumaschinen sowie Sand- und Schottergewinnung. Am 8.Februar 1992 fuhr der Beklagte mit drei Arbeitern zur Bauhütte und gab diesen den Auftrag, eine Fensterscheibe einzuschlagen, das Fenster zu öffnen und alle darin befindlichen Sachen, die Buchhaltungsunterlagen und EDV-Anlage, vorsichtig aus der Bauhütte zu entfernen, um den Schaden so gering wie möglich zu halten. Nachdem die Bauhütte, die einen Zeitwert von S 196.000,-- hatte, bis auf einen Schreibtisch und einen fix montierten Kasten geräumt worden war, wurde die Bauhütte über ausdrückliche Anordnung des Beklagten mit der Motorsäge etwa in der Mitte auseinandergesägt, hiedurch unbrauchbar gemacht und zerstört. Der abgesägte, früher auf dem Grundstück 300/2 befindliche Teil der Bauhütte wurde vom Beklagten und seinen Leuten auf das Grundstück 301/2 gestellt. Dem Kläger entstanden für Aufräumungsarbeiten Folgekosten von rund 69.600 S. Um eine Abbruchbewilligung war nicht angesucht worden.

Ein fachgerechtes Zerlegen der Bauhütte und ihre Wiederaufstellung an einem anderen Ort hätte etwa 44.000 S gekostet, eine fachgerechte Zerlegung und deren Abtransport 14.800 S zuzüglich 20 % USt: Bei fachgerechter Versetzung der Bauhütte mit einem Hubstapler oder Kranwagen um einige Meter wäre die Bauhütte nicht auseinander gebrochen, nur die Computeranlage hätte aus der Bauhütte entfernt werden müssen; dies hätte rund 10.000 S gekostet. Ob der Kläger einem Verschieben der Bauhütte mittels Krans oder Hubstaplers durch den Beklagten zugestimmt hätte, kann nicht festgestellt werden.

Der Kläger begehrt vom Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes zuletzt 253.600 S sA (Wert der Hütte von 196.000 S sowie Aufräumungsarbeiten von 69.600 S) mit dem wesentlichen Vorbringen, der Exekutionstitel habe den Beklagten keinesfalls zu derartigen gewaltsamen Eingriffen ins Eigentumsrecht des Klägers berechtigt. Vielmehr hätte sich der Beklagte zur Entfernung der Bauhütte, unter möglichster Schonung der Substanz, eines befugten Unternehmers bedienen müssen; es hätte genügt, die Bauhütte geringfügig nach Westen zu verschieben. Der Beklagte habe über keine Abbruchbewilligung der Baubehörde verfügt. Ein befugter Unternehmer hätte auch eine fachgerechte Zerlegung vorgenommen. Das vom Beklagten beauftragte Unternehmen habe über keine Konzession verfügt, die sie zum Abtragen der Hütte berechtigt hätte.

Der Beklagte wendet im wesentlichen ein, er habe in Bestandrechte des Klägers auf dem Grundstück 301/2 nicht eingreifen dürfen, weshalb die Bauhütte genau an der Grenze fachgerecht von oben nach unten durchschnitten und der auf dem Grundstück 300/2 befindliche Teil entfernt worden sei. Das Wesen eines Abbruches bestehe nicht darin, ein konsenslos errichtetes Bauwerk unversehrt abzutransportieren, sondern es zu beseitigen. Es sei nicht Aufgabe der Ersatzvornahme, das zu entfernende Bauwerk anderweitig zu lagern und damit neuerlich eine bewilligungspflichtige Bauführung vorzunehmen. Die Entfernung eines „Schwarzbaues“ bedürfe keiner baubehördlichen Bewilligung. Das vom Beklagten beauftragte Unternehmen habe in der Vergangenheit in zahlreichen Fällen Abbrucharbeiten fachgerecht und anstandslos durchgeführt. Nachdem der Kläger nicht einmal eine gerichtliche Entscheidung respektiert habe, habe er sich ins Unrecht gesetzt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im wesentlichen aus folgenden Erwägungen ab: Daß sich der Beklagte keines Unternehmens mit der erforderlichen gewerbebehördlichen Bewilligung bedient habe, könne ihm nicht vorgeworfen werden, weil er bemüht gewesen sei, ein geeignetes Bauunternehmen zu beauftragen, doch sei das nicht oder nur mit höheren Kosten möglich gewesen. Das vom Beklagten beauftragte Unternehmen habe schon bisher Abbrucharbeiten durchgeführt; im übrigen wäre angesichts der Anweisung des Beklagten, die Bauhütte zu zersägen, der entstandene Schaden auch bei Beauftragung eines zum Abbruch befugten Unternehmens der gleiche gewesen. Der Beklagte hätte nicht in die Bestandrechte des Klägers an der Grundparzelle 301/2 eingreifen dürfen, sodaß eine andere Möglichkeit als die von ihm gewählte und von der Ermächtigung umfaßte Entfernung eines Teils der Bauhütte durch Absägen nicht bestanden habe. Dem Beklagten sei es nicht zumutbar gewesen, den Kläger um Einwilligung zur Verschiebung der gesamten Bauhütte zu fragen, weil sich der Kläger der Erfüllung des Urteils im Titelverfahren trotz Kenntnis von der bewilligten Exekution und nochmaligen Aufforderung durch den Beklagtenvertreter beharrlich entzogen habe. Die fehlende Abbruchgenehmigung für die ohne Baugenehmigung errichtete Bauhütte begründe keine Schadenersatzpflicht, weil die Abbruchgenehmigung nicht Voraussetzung für die Exekutionsführung sei. Der Beklagte habe von seiner Ermächtigung innerhalb der rechtlichen Schranken Gebrauch gemacht und sei dem Kläger mangels rechtswidrigen Verhaltens für den entstandenen Schaden nicht ersatzpflichtig. Daß dem Kläger durch die Zersägung der Bauhütte ein nicht unwesentlicher Schaden entstanden sei, habe er sich durch sein Verhalten selbst zuzuschreiben. Er hätte den Schaden durch rechtzeitige Befolgung des Räumungsurteiles leicht abwenden können.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von 126.800 S sA statt und wies das Mehrbegehren von 126.800 S sA ab. Die Revision erachtete es als zulässig. Rechtlich ließ sich die zweite Instanz im wesentlichen von folgenden Überlegungen leiten:

Ohne Berücksichtigung des Umstandes, daß ein Teil der Bauhütte auf dem Grundstück 301/2 gestanden sei, habe die Exekutionsbewilligung nach § 353 EO den Beklagten zwar zur Entfernung der Bauhütte (durch Abtransport in unzerlegtem Zustand oder fachgerechte, einen Wiederzusammenbau ermöglichende Zerlegung) berechtigt, jedoch nicht zu einem, einen Wiederzusammenbau unmöglich machenden Zersägen. Dies wäre auch mit dem Grundsatz der Freiheit des Eigentums - der einen Eingriff in ein fremdes Eigentumsrecht nur insoweit vorsehe, als dies durch Gesetze für zulässig erklärt werde - unvereinbar. Wenn die Zwangsvollstreckung des Titels unmöglich gewesen sei, weil eine zur Gänze auf dem Grundstück 300/2 befindliche Bauhütte nicht vorhanden gewesen sei und man wohl von einer „perplexen“ Exekution sprechen müsse, hätte die bewilligte Exekution zu keinem Erfolg führen können. Der Beklagte, dem zumindest zum Zeitpunkt der Ersatzvornahme bekannt gewesen sei, daß ein Exekutionsobjekt, wie im Exekutionstitel beschrieben, nicht existiere, hätte dann die Ersatzvornahme nicht mehr durchführen dürfen. Wenn dagegen der Exekutionstitel die Entfernung jenes Teils der Bauhütte ermöglicht habe, der tatsächlich auf dem Grundstück 300/2 gestanden sei, was als minus gegenüber dem Exekutionstitel gedeutet werden könnte, dann sei nur Unzulässigkeit des beantragten Exekutionsmittels - Ersatzvornahme nach § 353 EO - vorgelegen. Denn ein Auseinanderschneiden der Bauhütte habe zu ihrer Zerstörung führen müssen. Es sei daher nur ein Abtransport ohne Zerlegung oder eine fachgerechte Zerlegung möglich gewesen, die naturgemäß nicht exakt an der Grundstücksgrenze habe erfolgen können. Für derartige Handlungen wäre die Zustimmung des Verpflichteten (nunmehrigen Klägers) erforderlich gewesen und hätte mit einer Exekution zur Erwirkung unvertretbarer Handlungen nach § 354 EO durchgesetzt werden müssen. Auch in einem solchen Fall sei das Zerschneiden der Bauhütte schon im Hinblick auf den Grundsatz der Freiheit des Eigentums nicht gedeckt und damit rechtswidrig. Der Einwand des Beklagten, der Kläger habe sich von Anfang an ins Unrecht gesetzt, nachdem er nicht einmal das Urteil im Titelprozeß respektiert habe, enthalte sinngemäß auch die Einwendung eines Mitverschuldens des Klägers und sei berechtigt. Dem Kläger sei die Rechtskraft des Exekutionstitels und auch die Exekutionsbewilligung nach § 353 EO bekannt gewesen und er habe sogar die Kosten der Exekutionsbewilligung aufgrund der zu ihrer Hereinbringung geführten Fahrnisexekution bezahlt, aber dennoch nichts unternommen, um den auf dem Grundstück 300/2 befindlichen Teil der Bauhütte zu entfernen oder Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung, die von einem nicht mit den gegebenen Verhältnissen übereinstimmenden Sachverhalt - Situierung der Bauhütte auch auf dem Grundstück 301/2 - ausgegangen sei, zu erheben. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1:1 angemessen.

Die Revisionen beider Parteien sind nicht gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängel- und Aktenwidrigkeitsrüge des Klägers wendet sich in unzulässiger Weise gegen bereits von der Berufungsinstanz verneinte Verfahrensmängel erster Instanz und die nicht revisible Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen. In welchem Ausmaß die Bauhütte auf den beiden Grundstücken stand, ist angesichts ihrer Zerstörung beim Zersägen unerheblich. Zutreffend weist dagegen der Beklagte in seiner Revision darauf hin, daß die Urteilsannahme der zweiten Instanz, weder im Titelverfahren noch im Zeitpunkt der Fassung des Exekutions-Bewilligungsbeschlusses sei aktenkundig gewesen, daß sich die Bauhütte nicht zur Gänze auf dem Grundstück 300/2 befunden habe und durch ein gänzliches Entfernen derselben in Bestandrechte des Klägers an dem Grundstück 301/2 eingegriffen werde, unrichtig sei. Denn im Titelverfahren hatten der Beklagte und seine Ehegattin (als Kläger) ausdrücklich vorgebracht, der Kläger beanspruche das Grundstück 300/2 zumindest teilweise für eine nur zum Teil auf dem vom Bestandrecht erfaßten Grundstück 301/2 errichtete Bauhütte, wogegen der Kläger vorgetragen hatte, die Bauhütte rage mit keinem Teil auf das Grundstück oder in den Luftraum des Grundstücks 300/2 hinein. Im Titelverfahren hatte sich das Erstgericht der vom Beklagten behaupteten Tatsachenvariante angeschlossen, daß zumindest ein Teil der Bauhütte auf dem Grundstück 300/2 errichtet sei; diese Feststellung wurde von der zweiten Instanz gebilligt.

Gegenstand des Schadenersatzbegehrens ist die Zerstörung einer vom Kläger auf zwei - nun im Miteigentum des Beklagten und dessen Ehegattin stehenden - Grundstücken errichteten hölzernen Bauhütte, somit eines unbestritten im Eigentum des Klägers (§§ 418, 435 ABGB) stehenden Grenz-Überbaus als einer beweglichen Sache durch den Beklagten als damaligen betreibenden Gläubiger im Zuge einer Exekution nach § 353 EO. Die Zerstörung der Bauhütte war aus folgenden Erwägungen rechtswidrig:

a) Die Räumung einer Liegenschaft von einem Überbau ist nach Lehre und Rechtsprechung nicht nach § 349 Abs 1 EO, sondern nach § 353 EO über die Exekution zur Erwirkung vertretbarer Handlungen vollstreckbar (MietSlg 38/29, 19.588; SZ 25/117; 3 Ob 114/87 ua; Heller-Berger-Stix EO4 2558). Dies hat auch für die Entfernung eines Grenz-Überbaus bloß von einem der beiden Grundstücke wie hier zu gelten. Falls mehrere Möglichkeiten bestehen, der begehrten vertretbaren Handlung zu entsprechen, ist es zunächst Sache des Verpflichteten, auf geeignete Weise seiner Verpflichtung nachzukommen. Führt der Gläubiger infolge Säumnis des Verpflichteten Exekution nach § 353 EO, so muß er im Exekutionsantrag gemäß § 54 Abs 1 Z 2 EO genau anführen, zur Vornahme welcher Handlungen er an Stelle des Verpflichteten ermächtigt werden soll, worin also die vertretbare Handlung besteht (MietSlg 31.820; EvBl 1971/333; Heller-Berger-Stix aaO 2551 f; Rechberger-Simotta, Exekutionsverfahren2 Rz 823; Feil, EO Rz 6 zu § 353). Vorliegend erwuchs der antragsgemäß erlassene Exekutionsbewilligungsbeschluß, mit dem der Beklagte und seine Ehegattin als betreibende Gläubiger ermächtigt wurden, auf Kosten des Klägers als Verpflichteten, die auf dem Grundstück 300/2 gelagerten Baumaterialien und die darauf errichtete Bauhütte durch einen befugten Unternehmer entfernen zu lassen, mangels Anfechtung in Rechtskraft. Die Art der Entfernung der Bauhütte ist weder dem Exekutionsantrag noch dem Exekutionsbewilligungsbeschluß zu entnehmen. Aus dem Exekutionstitel ergab sich aber völlig eindeutig, daß nur der auf dem Grundstück 300/2 befindliche Teil der Bauhütte entfernt werden durfte. So wurde dies vom Beklagten auch verstanden, ließ er doch die Bauhütte beim „Entfernen“ vom Grundstück 300/2 an der (von ihm vermuteten) Grenze zum Grundstück 301/2 auseinandersägen. Der Exekutionstitel nach § 353 EO berechtigte den Beklagten schon nach seinem Text nur zur Entfernung der Bauhütte von seinem Grundstück, jedoch nicht zur Zerstörung der Bauhütte. Eine Reihe von Bestimmungen der EO (§§ 14, 27 Abs 1, 41 Abs 2, 96, 263 ua) lassen überdies die Absicht des Gesetzgebers in bezug auf den Zweck jeder Exekutionsführung erkennen: Einerseits soll dem Gläubiger möglichst rasch zur Befriedigung seines Anspruchs verholfen werden, andererseits aber soll gegen den Verpflichteten nicht mehr Zwang ausgeübt werden als der beabsichtigte Zweck, die Exekution erfolgreich zu gestalten, erfordert. Dies ist bei der Exekutionsbewilligung, beim Exekutionsvollzug und auch nachher zu beachten (BankArch 1993, 732; SZ 57/39 = JBl 1985, 103; EvBl 1967/33; Heller-Berger-Stix aaO 283, 341 f). Dieser Gesichtspunkt, den Verpflichteten nicht stärker zu belasten als nötig, wozu auch die Verpflichtung gehört, die zu erwirkende vertretbare Handlung mit einem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ausreichenden Minimalaufwand an Kosten auszuführen (MietSlg 31.820), spricht entscheidend dafür, den Eingriff in das Eigentumsrecht des Verpflichteten auf das notwendige Maß zu beschränken. Wenn dem titelmäßigen Gebot zum „Entfernen“ der Bauhütte vom Grund des Beklagten auf andere Weise als durch deren Zerstörung entsprochen werden konnte, also Alternativen bestanden (wie der Abtransport in unzerlegtem Zustand, etwa durch Verschieben auf das Grundstück 301/2, oder die fachgerechte, einen Wiederzusammenbau ermöglichende Zerlegung der Bauhütte), stellt das Zersägen und damit die Zerstörung der Bauhütte ein rechtswidriges Handeln des Beklagten dar.

b) Die vom Kläger ohne Baubewilligung errichtete Bauhütte bedurfte als Gebäude (vgl ZfVB 1987/1/56 zu § 60 Abs 1 lit a Wiener BauO; Schwaighofer-Sallinger, Handbuch des Tiroler Baurechts 91, 181) iS des § 3 Abs 2 TirBauO (LGBl 1989/33) auch zu ihrem Abbruch gemäß § 25 lit c TirBauO als bewilligungspflichtiges Bauvorhaben einer behördlichen Bewilligung, die hier aber fehlte. Der betreibende Gläubiger ist erst dann zum Ansuchen um Erteilung der erforderlichen baubehördlichen Abbruchbewilligung berechtigt; sobald ihm mit der Exekutionsbewilligung die Ermächtigung erteilt wurde, das Bauwerk auf Kosten des Verpflichteten entfernen zu lassen; die Ermächtigung nach § 353 Abs 1 EO verschafft dem betreibenden Gläubiger somit auch das Recht, die sonst dem Verpflichteten obliegenden Ansuchen um Erteilung der erforderlichen behördlichen Bewilligungen - hier nach § 25 lit c Tiroler BauO - nunmehr selbst zu stellen (RZ 1993/93 mwN; Feil aaO Rz 6 zu § 353).

c) Wenn ein Überbau noch bewohnt oder mit Fahrnissen ausgestattet ist, bedarf es vor dem Vollzug der Exekution nach § 353 EO zwar zwingend der zwangsweisen Räumung nach § 349 EO, ehe mit dem Abreißen begonnen werden kann (EvBl 1969/105; MietSlg 19.588; SZ 25/117 ua; Heller-Berger-Stix aaO 2558), doch werden hier aus der unterlassenen Freimachung der Bauhütte von Fahrnissen des Klägers keine Schadenersatzansprüche abgeleitet.

Sofern eine Mitwirkung bzw Zustimmung des Klägers als Verpflichteten erforderlich gewesen wäre, wäre dies durch Urteil und Exekution (§ 354 EO, § 367 Abs 1 EO) zu erzwingen gewesen.

Das Verschulden des Beklagten ist evident, das Mitverschulden des geschädigten Klägers liegt darin, daß er trotz nochmaliger Aufforderung dem Exekutionstitel nicht entsprach, obwohl ihm dies als Baumeister zweifellos leicht möglich gewesen wäre. Nach herrschender Auffassung hat das Mitverschulden iS des § 1304 ABGB kein Verschulden im technischen Sinn zur Voraussetzung; nicht einmal Rechtswidrigkeit des Verhaltens ist nötig, sondern nur eine, für den Schadenseintritt kausale Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern (SZ 64/126, SZ 54/85, SZ 51/88; Reischauer in Rummel 2 Rz 1 zu § 1304 ABGB mwN, Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht AT3 304 f). Der Einwand des Mitverschuldens des Geschädigten muß nicht ausdrücklich erhoben werden, es genügt, wenn sich dem Vorbringen des Schädigers eine entsprechende Behauptung entnehmen läßt (ZVR 1978/167; EvBl 1962/248; Harrer in Schwimann, Rz 90 zu § 1304 ABGB). Das Vorbringen des Beklagten entsprach noch diesen Voraussetzungen. Die von der zweiten Instanz vorgenommene Gewichtung des beiderseitigen Verschuldens entspricht der Sach- und Rechtslage und wird von keiner der Parteien konkret bekämpft.

Die Entscheidung über die gegenseitige Kostenaufhebung fußt auf § 43 Abs 1 und § 50 ZPO.

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