OGH 2Ob277/52

OGH2Ob277/522.5.1952

SZ 25/117

Normen

ABGB §435
ABGB §451
EO §349
EO §353
ABGB §435
ABGB §451
EO §349
EO §353

 

Spruch:

Räumung einer Liegenschaft von einem Überbau (Baracke) gemäß § 353 EO. vollstreckbar. Allenfalls kann dieser Exekution eine Räumung nach § 349 EO. vorausgehen, wenn der Überbau bewohnt ist.

Entscheidung vom 2. Mai 1952, 2 Ob 277/52.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der Verpflichtete ist mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteile vom 11. Oktober 1951 schuldig erkannt worden, ein von ihm benütztes Grundstück von der darauf befindlichen, ihm gehörigen Wohnbaracke geräumt den betreibenden Parteien zu übergeben. Diese haben zur Hereinbringung ihres Anspruches die Exekution durch ihre Ermächtigung, die Baracke auf Kosten des Verpflichteten zu entfernen, begehrt und im Zusammenhang damit den weiteren Antrag gestellt, dem Verpflichteten die Bezahlung eines Kostenvorschusses von 3000 S für die Räumungsarbeiten an sie aufzutragen.

Das Erstgericht hat den Antrag, ohne den Verpflichteten hiezu vernommen zu haben, bewilligt.

Das Rekursgericht hat den Antrag abgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof hat beide Beschlüsse aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach der Vernehmung des Verpflichteten aufgetragen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Revisionsrekurse kann Berechtigung nicht abgesprochen werden, wenn er darauf verweist, daß die für die Räumung von unbeweglichen Sachen im Sinne des § 349 EO. vorgesehene Exekutionsart auf den gewöhnlichen Fall der Räumung einer Liegenschaft von Personen und beweglichen Sachen zugeschnitten ist, nicht aber auf den Fall der Räumung einer Liegenschaft von einem Überbau. Solche Überbauten werden zwar von der Gesetzgebung selbst und nicht minder von der herrschenden Lehre und Rechtsprechung als bewegliche Sachen aufgefaßt, weshalb ihnen das Grundbuch verschlossen bleibt. Gleichwohl müssen sie in den meisten Beziehungen nach den für unbewegliche Sachen geltenden Rechtssätzen behandelt werden; denn diese sind, wo überhaupt ein Unterschied gemacht wird, auf Gebäude berechnet. Dies gilt z. B. hinsichtlich der Vorschriften über das Bestandverfahren, die Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung. Die neue Fassung der §§ 435, 451 und 481 ABGB. stellt sie auch hinsichtlich des Erwerbes dinglicher Rechte den (nicht verbücherten) Liegenschaften gleich (Ehrenzweig, Sachenrecht 1923, S. 29 ff.). Die Überbauten nehmen also gewiß unter den beweglichen Sachen eine Sonderstellung ein, weshalb die Entfernung (Abtragung) einer Wohnbaracke vom Gründe der betreibenden Gläubiger nicht ohne weiteres mit der Entfernung beweglicher Sachen, wie sie § 349 EO. im Auge hat, gleichgesetzt werden kann. Zu erwägen ist auch, daß die Abtragung der Baracke und Entfernung ihrer Teile vom Gründe der betreibenden Gläubiger mit einem bedeutenden Kostenaufwand verbunden sein kann. Würden die Beschwerdeführer bei Wegräumung der Baracke nur auf die Exekution nach § 349 EO. gewiesen sein, so hätte dies zur Folge, daß sie zunächst zu einem dem Verpflichteten obliegenden Aufwand genötigt sein würden, dessen Hereinbringung bei ihm möglicherweise fraglich ist. Soweit also die Entfernung der Baracke angestrebt wird, kann die von den betreibenden Parteien gewählte Exekutionsart nicht von vornherein als unzulässig abgelehnt werden. Unter den Beispielen von Handlungen, die nach § 353 EO. erzwungen werden können, führt Neumann - Lichtblau auf Seite 1099 ausdrücklich auch die Beseitigung (Demolierung) von Bauten an. Denkbar ist eine Kombination von zwei und mehr Exekutionsarten, wie sie auch dem im angefochtenen Beschluß bezogenen Judikat, Nr. 12 neu, allerdings in anderem Zusammenhang, vorschwebt. Da Gefahr im Verzuge nicht vorliegt, auch nicht behauptet wurde, war vor der Entscheidung über den Antrag der betreibenden Gläubiger der Verpflichtete im Sinne des § 358 EO. zu vernehmen. Dies schon deshalb, weil aus den Aktenunterlagen überhaupt kein Bild über Bauart und Größe der Baracke und damit über die Angemessenheit des begehrten Kostenvorschusses zu gewinnen und vor allem nicht einmal behauptet ist, daß die Baracke Wohnzwecken nicht mehr dient. Trifft letzteres zu, muß der Antrag auf Exekutionsführung nach § 353 EO. als verfrüht bezeichnet werden, denn solange die Baracke bewohnt und nicht geräumt ist, kann mit ihrer Demolierung nicht begonnen werden, was aber die vorläufige Abweisung des Antrages oder zumindest den Vorbehalt der Entscheidung über die Exekution auf Entfernung der Baracke bis zur erfolgreichen Durchführung einer Exekution nach § 349 EO. zur Freimachung der Baracke, auf welche die betreibenden Gläubiger zunächst zu verweisen sein würden, zur Folge haben müßte. Stellt sich heraus, daß die Baracke von Personen und beweglichen Sachen bereits geräumt ist, so steht einer Exekutionsführung im Sinne des § 353 EO. zur Entfernung der Baracke nichts im Wege. Dem Verpflichteten wird bei Erlassung des Auftrages, einen Kostenvorschuß zu erstatten, eine entsprechende Leistungsfrist zu setzen sein. Der Ansicht des angefochtenen Beschlusses, daß der Exekutionstitel unklar, undeutlich und zur Exekutionsführung nicht geeignet sei, kann sich der Oberste Gerichtshof nicht anschließen. Nach dem Inhalt des Exekutionstitels hat der Verpflichtete die Liegenschaft von der ihm gehörigen Baracke zu räumen, wozu deren Entfernung samt Inhalt (allenfalls Personen und bewegliche Sachen) gehört. Der Exekutionstitel läßt deutlich genug erkennen, was gewollt und bezweckt ist.

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