European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00044.15Z.0319.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Die Kläger sind seit 1998 je zur Hälfte „Eigentümer eines Baurechts“ an einer bestimmten Liegenschaft mit einem darauf befindlichen Wohnhaus. Im Zeitpunkt des Erwerbs bestand bereits die Gashauptleitung auf der Liegenschaft. Dem von den Klägern mit der Energielieferantin im März 1998 abgeschlossenen Gasbezugsvertrag für ihr Objekt liegen vereinbarte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AVB) zugrunde. Z III. der AVB („Vertragsabschluss und Verpflichtungen des Abnehmers“) lautet auszugsweise:
„ 3. Der Abnehmer ist verpflichtet, falls er zugleich Grundstückseigentümer ist, die Zu‑ und Fortleitung von Gas durch seine Grundstücke, somit die Verlegung von Rohrleitungen und den Einbau von Verteilungsanlagen für die Zwecke der örtlichen Versorgung ohne besonderes Entgelt zuzulassen und die Durchführung nach Kräften zu erleichtern, an den [von der Energielieferantin] erstellten Einrichtungen kein Eigentumsrecht geltend zu machen, sie nach Wahl [der Energielieferantin] nach Aufhören der Gasabnahme aus dem Rohrnetz noch fünf Jahre zu belassen oder ihre Entfernung zu gestatten und diese sämtlichen Verpflichtungen auf seine Rechtsnachfolger zu übertragen.
4. Ist der Antragsteller nicht zugleich Grundstückseigentümer, so ist die schriftliche Zustimmung des Grundstückseigentümers zur Grundstücksbenützung im Umfang der Ziffer III.3. sowie zur Herstellung des Hausanschlusses unter gleichzeitiger Anerkennung der Bedingungen zu IV. bei der Anmeldung beizubringen.“
Im Anlassprozess begehrten die Kläger mit der im Mai 2009 eingebrachten Klage von der Energielieferantin, das unter „ihrem“ Grundstück verlegte Gashauptrohr zu beseitigen und den vorherigen Zustand durch Auffüllen des abgetragenen Erdreichs und Wiederbegrünung der planierten Oberfläche wiederherzustellen und auf eigene Kosten den Gasanschluss neu herzustellen. Das Berufungsgericht des Anlassverfahrens führte in der Berufungsverhandlung eine Beweiswiederholung zur Frage des Verlaufs der Gasleitung bzw ihrem technischen Zweck und zur Frage, inwieweit die Situation der Kläger durch diese Gasleitung von einer technisch „normalen“ Ausführung abweicht, durch. Es traf dazu ‑ abweichend vom Erstgericht ‑ andere und ergänzende Feststellungen und wies das Klagebegehren in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil, worin es aussprach, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR nicht übersteige, ab.
Die Kläger begehren aus dem Titel der Amtshaftung von der Beklagten infolge unvertretbarer schadenskausaler Rechtsverletzungen des Berufungsgerichts den Ersatz der durch die eingeschränkte Baumöglichkeit hervorgerufenen Minderung des Verkehrswerts der Liegenschaft, der ihnen im Anlassverfahren entstandenen Prozesskosten sowie des ihnen auferlegten Kostenersatzes an die Prozessgegnerin und erhoben ein Feststellungsbegehren.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger, die keine Rechtsfragen von der erforderlichen Erheblichkeit des § 502 Abs 1 ZPO geltend machen.
Rechtliche Beurteilung
1. Im Anlassprozess führte das Berufungsgericht eine Berufungsverhandlung durch, beschloss eine Beweiswiederholung zur Frage des Verlaufs, der Ausführung und dem technischen Zweck der Gasleitung, verlas zwei Pläne und vernahm einen Zeugen. Die Kläger stellten dazu, obwohl sie die Möglichkeit gehabt hätten, keinen weiteren Beweisantrag. Der von ihnen gestützt auf § 488 Abs 4 und § 281a ZPO behauptete Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz liegt schon deshalb nicht vor, weil das Berufungsgericht kein Protokoll über einen in erster Instanz unmittelbar aufgenommenen Beweis verlas. Das Erstgericht hatte die vom Berufungsgericht später abgeänderten Feststellungen auf eine Planurkunde gestützt, die vom Berufungsgericht auch dargetan wurde. Nimmt das Berufungsgericht mit einer Verlesung einen Beweis in derselben Weise auf, wie es das Erstgericht getan hat, dann liegt kein Verstoß gegen § 488 Abs 4 ZPO vor (RIS‑Justiz RS0042533). Das Berufungsgericht hat auch nur die in der Berufungsverhandlung aufgenommenen Beweise verwertet.
Dass die beiden (in der Berufungsverhandlung) nicht zugelassenen Fragen des Rechtsvertreters der Kläger an den Zeugen ohne rechtliche Bedeutung sind, hat das Berufungsgericht im Amtshaftungsprozess nachvollziehbar dargelegt. Mit der Behauptung, dass diese Fragen „einer rechtlich relevanten Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage gedient hätten“, wird keine Fehlbeurteilung aufgezeigt.
2. Das Berufungsgericht im Anlassprozess zog als Begründung für die Abweisung des Beseitigungs‑ und Wiederherstellungsbegehrens die von den Klägerin in Z III.3. der AVB übernommene Duldungsverpflichtung heran.
Das Baurecht ist ein zeitlich begrenztes dingliches Recht, auf oder unter der Bodenfläche eines Grundstücks ein Bauwerk zu haben (§ 1 Abs 1 BauRG). Die Liegenschaft und das Baurecht sind zwei als Rechtsobjekte verschiedene unbewegliche Sachen. Der Grundeigentümer kann die Liegenschaft weiterhin frei veräußern, belasten und vererben, allerdings nur soweit der Baurechtsvertrag keine Einschränkungen vorsieht. Der Bauberechtigte ist auf Dauer des Baurechts Eigentümer des Bauwerks, er kann über das Baurecht frei verfügen und es auch unabhängig vom Grundstück belasten. Am Grund stehen ihm nach § 6 Abs 2 BauRG die Rechte eines Nutznießers zu. Eine räumliche oder inhaltliche Beschränkung der mit dem Baurecht verbundenen Nutzungsbefugnis an der Stammliegenschaft wurde von den Klägern nicht behauptet. Es ist daher grundsätzlich vom Regelfall einer unbeschränkten Nutzungsbefugnis gemäß § 6 Abs 2 BauRG auszugehen (5 Ob 94/09y = NZ 2010/750 [ Hoyer ]; RIS‑Justiz RS0125005; RS0115311 [T2]).
Wenn das Berufungsgericht aufgrund dieser Rechtssituation die klagenden Bauberechtigten als dinglich Berechtigte vom Sinn des Z III.3. der AVB umfasst ansah, ist dies zumindest vertretbar. Nicht verständlich sind die Darlegungen der Kläger, wonach diese Bestimmung mangels Zustimmung des Grundstückseigentümers nicht Vertragsbestandteil geworden sei und daher ihre Duldungsverpflichtung nicht wirksam vereinbart worden sei. Wenn sie damit argumentieren, dass die von ihnen nach Z III.4. AVB zugesagte Beibringung der erforderlichen (schriftlichen) Zustimmung der Grundstückseigentümerin zur Grundstücksbenützung im Umfang der Z III.3. AVB nicht vorliegt, ist nicht ersichtlich, warum deswegen die sie selbst als dinglich Berechtigte treffende Duldungsverpflichtung (Z III.3. der AVB) nicht gelten sollte.
3. Die Gasleitung auf der Liegenschaft wurde auf der Grundlage einer Übereinkunft einer Rechtsvorgängerin der Kläger mit der Rechtsvorgängerin der Energielieferantin im Jahr 1979 errichtet. Die Niederdruckleitung wird als sogenannte Ringleitung über die Liegenschaft geführt. Bei dieser Versorgungsart handelt es sich um die wirtschaftlich sinnvollste Lösung, welche so auch zwischen den Rechtsvorgängern vereinbart wurde.
Die über das Baurechtsgrundstück verlaufende Niederdruckleitung dient nicht ausschließlich der Versorgung dritter Abnehmer (vgl zur gröblichen Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB durch eine vergleichbare Klausel, sofern die unentgeltlich zu duldende Leitung ausschließlich der Stromversorgung dritter Abnehmer dient und zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Nutzung des betroffenen Grundstücks führt: 7 Ob 184/07w, dazu Th. Rabl , OGH: Schluss mit der entschädigungslosen Grundinanspruchnahme durch Elektrizitäts-Versorgungsunternehmen!, ecolex 2008, 122), sondern auch dem eigenen Versorgungsinteresse der Kläger. Die Beurteilung des Berufungsgerichts im Amtshaftungsprozess, dass der Fortleitung des Gases bis an die Grenze des Baurechtsgrundstücks das eigene Versorgungsinteresse der Kläger an der Zuleitung des Gases gegenüberstehe, die über den Hausanschluss hinausgehende Beeinträchtigung durch eine Fortleitung an die Grundstücksgrenze unter Beachtung des Grundsatzes der möglichsten Schonung im Rahmen der Sozialbindung des Grundeigentums entschädigungslos zu dulden sei und es sich bei der quer über das Baurechtsgrundstück verlaufenden Niederdruckgasleitung um die wirtschaftlich sinnvollste Lösung handle, sodass Z III.3. AVB nicht gegen § 879 Abs 3 ABGB verstoße, ist nicht zu beanstanden. Diese Rechtsansicht wird auch von Aicher (Konsumentenschutz im Bereich der öffentlichen Energieversorgung, in Schilcher / Bretschneider , Konsumentenschutz im öffentlichen Recht [1984], 17 [64]; diesem folgend F. Bydlinski , Allgemeine Versorgungs-bedingungen und Energielieferungsverträge in Österreich, in FS Neumayer [1985], 115 [137]) vertreten. Wenn die Kläger mit ihren Interessen als Bauberechtigte argumentieren, ist darauf zu verweisen, dass die Gasleitung bereits im Zeitpunkt ihres Erwerbs des Baurechts und des Abschlusses des Gasbezugsvertrags vorhanden war und seitdem auch keine Veränderung erfuhr. Ein von ihnen behaupteter, nunmehr eingetretener erheblicher Wertverlust ist damit nicht verbunden, besteht doch die Gasleitung seit 1979.
4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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