European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00039.15I.1022.000
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Zweitbeklagte (vormals M***** Ltd, kurz M*****) ist eine Gesellschaft mit Sitz auf der Kanalinsel Jersey. An der Wiener Börse notierten von der Österreichischen Kontrollbank AG (OeKB) ausgestellte Zertifikate, die von der OeKB gehaltene Namensaktien der Zweitbeklagten vertreten. Die Zweitbeklagte hatte mit der M***** Bank AG (kurz MB) einen Placement‑ und Market‑Maker‑Vertrag abgeschlossen. Nach diesem sollte die MB das „Market Making“ für die Zweitbeklagte übernehmen und für ausreichende Liquidität und geringe Volatilität der Wertpapiere sorgen, wofür sie von der Zweitbeklagten eine Gebühr erhielt. Ab 12. 7. 2005 war mit der MB eine Erhöhung der ihr mit dem Placement‑ und Market‑Maker‑Vertrag erteilten Befugnis, anstelle von ursprünglich 10 % nunmehr bis zu 29,9 % der Zertifikate im Namen und auf Rechnung der Beklagten oder der MB selbst zurückzukaufen, vereinbart worden. Dies sollte der Kurspflege dienen und es ermöglichen, mit eigenen Aktien Kursgewinne zu erzielen. Dem Board der Zweitbeklagten war klar, dass man mit einem Rückkauf von knapp 30 % aller emitierten Zertifikate deren Kurs an der Börse beeinflussen kann.
Die Klägerin wollte ihr Geld sicher zur Pensionsvorsorge anlegen. Ihr Berater empfahl die Investition in M*****. Die Klägerin kaufte daher am 14. 12. 2005 1.344 M*****‑Zertifikate für 20.684,76 EUR (inklusive Spesen) und eröffnete dafür ein Depot bei der MB, bei der sie alleinige Depotinhaberin und ihre Tochter zeichnungsberechtigt ist. Sie erhielt im Februar ein Schreiben von der MB mit dem Anbot, ihre Bezugsrechte bei der anstehenden Kapitalerhöhung der Zweitbeklagten auszuüben (bzw auch Bezugsrechte hinzuzukaufen). Sie und ihre Tochter entschlossen sich ‑ ohne neue Beratung ‑ diese Gelegenheit wahrzunehmen. Die Klägerin zeichnete per Valuta 27. 2. 2006 (dem Tag der vorzeitigen Schließung der Kapitalerhöhung) 672 Zertifikate für 10.676,23 EUR (inklusive Spesen) über ihr bereits bestehendes Depot bei der MB. Der dafür aufgewendete Betrag stammte zum Teil aus dem Eigentum der Klägerin, zum Teil aus dem ihrer Tochter.
Die Klägerin begehrt die Zahlung von 29.324,83 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe von 2.016 Zertifikaten der Zweitbeklagten (Book Entry Interests). Sie lastet der Zweitbeklagten eine im Zusammenwirken mit dem Erstbeklagten vorsätzlich bewirkte Schädigung durch irreführende Werbung an und wirft ihr Verstöße gegen die Publikationspflicht (Ad-hoc-Meldepflicht) gemäß § 48d Abs 1 BörseG über Insiderinformationen nach § 48a Abs 1 Z 1 BörseG und Marktmanipulationen nach § 48 Abs 1 Z 2 lit c BörseG vor.
Dazu brachte sie ‑ für das Rekursverfahren verkürzt und auf das Wesentliche beschränkt dargestellt ‑ vor, es sei im Sommer 2007 über die Medien bekannt geworden, dass bei M***** viele Unklarheiten bestünden. Der Kurs der M*****‑Zertifikate sei an der Wiener Börse in der Folge stark gesunken. Die Klägerin habe vorerst, insbesondere wegen des guten Rufs des Namens M***** und aufgrund des soliden Investments der M***** in Immobilien, angenommen, dass die Kurse zwangsläufig wieder steigen würden und habe die Zertifikate bislang nicht verkauft.
Die Änderung der Bestimmung im Market‑Maker-und Placement‑Vertrag mit der MB dahin, dass diese auf Rechnung der Zweitbeklagten bis zu 29,9 % aller emittierten Zertifikate aufkaufen könne, sei erfolgt, da bereits im Jahr 2005 der Kurs der M*****‑„Aktie“ zu fallen gedroht habe und dies durch Aktienrückkauf verhindert werden sollte. Ab 2005 habe die Zweitbeklagte den Kursverlauf durch diese Aktienrückkäufe manipuliert und ihr Aktienrück-kaufprogramm lange verheimlicht. So habe sie erst am 28. 7. 2007 und unvollständig dargestellt, dass die Gesellschaft beabsichtige, 10 % des Grundkapitals zu erwerben, wobei in Wirklichkeit ca 30 % zurückgekauft worden seien. Ebenso seien die zu den Kapitalerhöhungen veröffentlichten Ad‑hoc‑Meldungen verspätet und inhaltlich falsch gewesen, sei doch darin jeweils angegeben worden, die Kapitalerhöhungen hätten erfolgreich platziert werden können. Im Gegenteil seien aber diese Kapitalerhöhungen im Februar/März 2006, Oktober/November 2006 und Februar 2007 gescheitert, weil sie nicht hätten voll platziert werden können. Es seien mit dem Geld der Zweitbeklagten unter Einschaltung der S***** (kurz S*****) jene Zertifikate aufgekauft worden, die bei der Kapitalerhöhung nicht hätten platziert werden können, wodurch der Kurs manipuliert worden sei. Hätten die Klägerin und ihre Tochter gewusst, dass der Kurs nur das Resultat einer groß angelegten Marktmanipulation gewesen sei, hätte die Klägerin M*****‑„Aktien“ gar nicht gekauft bzw früher verkauft. Die Werbung sei irreführend gewesen, weil sie dem Anleger suggeriere, dass er in Immobilien investiere und die Veranlagung deshalb nicht die Risiken einer gewöhnlichen Aktie habe. Die Ansprüche seien schon wegen des listigen Zusammenwirkens des Erstbeklagten als Vorstandsvorsitzenden der MB und der Zweitbeklagten nicht verjährt, zum anderen aber deswegen, weil die Zusammenhänge erst nach und nach hervorgekommen seien, sodass frühestens Mitte 2008 und nicht erst bereits im Zeitpunkt der Kursstürze von einem Tatsachensubstrat ausgegangen hätte werden können, welches dicht genug gewesen wäre, um darauf eine Klage aufzubauen. Überdies könne die Klägerin durch ihren am 20. 6. 2010 erklärten Privatbeteiligtenanschluss im gegen die Zweitbeklagte geführten Strafverfahren dieselbe Unterbrechungswirkung für sich in Anspruch nehmen wie bei Einbringung einer Klage.
Die Zweitbeklagte, beantragte Klagsabweisung und wandte im Kern ein, die Erhöhung der im Emissionsprospekt ohnehin offengelegten Übernahmeverpflichtung hätte keiner weiteren Ad‑hoc‑Meldungen bedurft. Es sei unklar, auf Basis welcher Werbung sich die Klägerin letztlich zum Kauf entschlossen habe oder wodurch sie sich in Irre geführt erachte. Von der Klägerin gar nicht gelesene Ad‑hoc‑Meldungen könnten auch bei deren Unterlassung nicht kausal für einen Schaden sein. Wenn überhaupt, könne die Klägerin nur den Differenzschaden zwischen dem Kurs, der durch die angeblich falsche Ad‑hoc‑Meldung ausgelöst worden sei, und dem hypothetischen Kurs, der bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Ad‑hoc‑Publizität zustande gekommen wäre, geltend machen, sei doch Schutzzweck nicht das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen Anlegers, sondern nur die geordnete Preisbildung. Sie sei von der MB immer von einer vollen Platzierung der Kapitalerhöhungen informiert worden. Ihre Vermögensverwaltung sei der M***** Ltd (kurz ME*****), einer 100%igen Tochtergesellschaft der MB, deren Vorstand mit Letzterer nahestehenden bzw überhaupt bei dieser beschäftigten Personen besetzt gewesen sei, übertragen gewesen. Ihr Board sei bis Februar 2007 nicht in spezielle Investments involviert gewesen, insbesondere nicht in die Zeichnung von Anleihen der S*****. Da die Vermögensverwaltung funktioniert habe, immer Liquidität bei Bedarf vorhanden gewesen sei und die S***** die Anleihen korrekt bedient habe, habe für das Board kein Anlass bestanden, der Vermögensverwaltung der ME***** zu misstrauen. Zwischen ihr und der S***** habe keinerlei vertragliche Beziehung bestanden insbesondere keine Treuhandvereinbarung. Falls richtig sein sollte, dass die S***** die Kapitalerhöhung(en) teilweise gezeichnet habe ‑ was sich ihrer Kenntnis entziehe und von ihr auch nicht überprüft werden hätte können ‑ bewirke dies keine Haftung. Sie habe nicht gewusst und hätte auch nicht wissen müssen, dass die Ad‑hoc‑Meldung unrichtig oder irreführend gewesen sei.
Der Anspruch der Klägerin sei überdies verjährt, weil bereits im Sommer 2007 in den Medien ausführlich über „die Angelegenheit“ berichtet worden sei und im nicht ausreichend individualisierten Privatbeteiligtenanschluss weder die Ad‑hoc‑Meldung zur Kapitalerhöhung Februar 2006 noch die Werbung vor 2006 vorkomme. Überdies sei die Klägerin für von ihrer Tochter investierte Gelder nicht aktivlegitimiert.
Im ersten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Anspruch der Klägerin gegenüber der Zweitbeklagten (mit Ausnahme der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens) mit Teilurteil vom 28. 11. 2013 statt. Über die Berufung der Zweitbeklagten hob das Berufungsgericht das Urteil im (angefochtenen) klagsstattgebenden Teil als nichtig auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung mit der Begründung auf, dieses habe bei seinen Feststellungen Urkunden verwertet, die nach dem maßgeblichen Inhalt der Verhandlungsprotokolle nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen seien und zu denen die Zweitbeklagte nicht habe Stellung nehmen können.
Mit dem im zweiten Rechtsgang gefällten Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren gegenüber der Zweitbeklagten mit Teilurteil neuerlich statt. Es ging dabei im Tatsächlichen ‑ stark zusammengefasst und auf den Verfahrenskern beschränkt ‑ unter näherer Darstellung der personellen Verflechtungen davon aus,
dass bei den Kapitalerhöhungen 2006 und 2007 nicht alle Zertifikate am Markt platziert werden konnten und die Übernahmeverpflichtung der MB schlagend geworden war, die S*****, eine 100%ige Tochtergesellschaft der J***** M***** AG, die nicht platzierten Zertifikate zeichnete, die von der Zweitbeklagten gezeichneten Anleihen der S***** nur dazu dienten, um diese Übernahmeverpflichtung zu finanzieren und K***** R***** als „Director“ der S***** und Boardmitglied der Zweitbeklagten von diesen Vorgängen wusste, sodass die Zweitbeklagte wirtschaftlich betrachtet selbst das Geld für weite Teile ihrer Kapitalerhöhungen stellte und 37,8 % der neu ausgegebenen Zertifikate von der S***** am 3. 3. 2006 gezeichnet wurden, bei der Kapitalerhöhung im Herbst 2006 29,3 % und bei jener im Februar 2007 sogar 42 %;
dass diese Informationen nicht veröffentlicht worden waren, da man einen negativen Einfluss auf den Kurs befürchtete und demgegenüber in den Ad‑hoc‑Meldungen zu den Kapitalerhöhungen mitgeteilt worden war, dass diese jeweils erfolgreich abgeschlossen und alle angebotenen „Aktien“ bei privaten und institutionellen Investoren platziert worden seien, und überdies in der Ad‑hoc‑Meldung vom 27. 2. 2006 sogar behauptet worden war, dass aufgrund des starken Interesses von Privatanlegern und institutionellen Investoren die Kapitalerhöhung wegen Überzeichnung vorzeitig habe geschlossen werden müssen;
dass Zahlungen Ende September 2007 in Höhe von 1,8 Milliarden EUR an die S***** als „Darlehen“ tituliert worden waren, wiewohl es keine Darlehensverträge gegeben hatte, was dem Boardmitglied der Zweitbeklagten Dr. S***** ebenso klar war, wie dass das Geld zur Abdeckung der Rückkäufe dienen sollte;
dass der Berater der Klägerin alle Ad‑hoc‑Meldungen gelesen hatte und davon ausgegangen war, dass bei den Kapitalerhöhungen 2006 und 2007 eine echte Nachfrage bestanden hatte, er bei pflichtgemäßer Veröffentlichung der Änderung des Placement‑ und Market‑Maker‑Vertrags (der Erhöhung der Rückkaufmöglichkeit von 10 % auf über 29 %) der Klägerin M***** gar nicht erst empfohlen hätte, der Erwerb durch diese unterblieben wäre und es auch zur Investition der Tochter gar nicht gekommen wäre, die Klägerin ihr Geld ansonsten auf ein Sparbuch gelegt und keine Verluste erlitten, sondern vielmehr Zinsen lukriert hätte;
dass er der Klägerin zum Verkauf geraten hätte, wenn er von negativen Entwicklungen erfahren hätte und diese seinem Rat gefolgt wäre und auch dann ihr Geld auf ein Sparbuch gelegt hätte.
Demgegenüber konnte das Erstgericht nicht feststellen, dass die Tochter der Klägerin überhaupt auf die Idee gekommen wäre, in irgendetwas zu investieren, wenn der Berater M*****‑Zertifikate nicht empfohlen hätte oder ob auch diese einer Verkaufsempfehlung gefolgt wäre;
wann die Klägerin und ihre Tochter von den „Vorgängen“ bei der Zweitbeklagten erfahren hatten oder bei entsprechender Sorgfalt hätten erfahren können oder
dass die Zweitbeklagte an der Erstellung der Werbebroschüren mitgewirkt, sonst irgendwie Einfluss auf diese genommen oder sie bezahlt hatte, diese aber MMag. P***** W*****, der auch Boardmitglied der Zweitbeklagten gewesen war, bekannt war.
Das Erstgericht verwarf den Einwand der Verjährung, da der Beginn der Verjährungsfrist nicht feststellbar gewesen sei, erachtete eine Haftung der Zweitbeklagten für die Werbebroschüre mangels Mitwirkung nicht für berechtigt und stütze den Zuspruch auf die von der Zweitbeklagten durch die mit eigenem Geld finanzierten Rückkäufe begangene Marktmanipulation und einen Verstoß gegen ihre Ad‑hoc‑Meldepflichten. Die Zweitbeklagte habe gegen § 48d Abs 1 BörseG verstoßen, indem sie es unterlassen habe, die Anhebung des Volumens der rückkaufbaren Zertifikate von 10 % auf 29,9 % zu veröffentlichen. Bei pflichtgemäßer Veröffentlichung der Änderung wäre es gar nicht zum Erwerb durch die Klägerin und ihrer Tochter gekommen. Überdies hätte die Klägerin bei richtiger und vollständiger Ad‑hoc‑Meldungen zu den Kapitalerhöhungen ihre Zertifikate verkauft. Da die Klägerin dann ihr Geld auf einem Sparbuch veranlagt hätte und bei der Tochter keinerlei Hinweise darauf bestanden hätten, dass diese einen vorgefassten Anlageentschluss gehabt hätte ‑ derartiges habe die Zweitbeklagte gar nicht behauptet ‑ sei der Rückzahlungsbetrag mit durchschnittlich 1 % Zinsen pa zu verzinsen, da die Zinsen zum damaligen Zeitpunkt noch deutlich höher gewesen seien (§ 273 ZPO).
Über die Berufung der Zweitbeklagten hob das Berufungsgericht das Ersturteil auch im zweiten Rechtsgang ‑ nun als mangelhaft ‑ auf und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.
Es verwarf den Einwand, das Erstgericht habe nicht schlüssig dargelegt, weshalb es die Ansprüche der Klägerin nicht für verjährt und diese für aktivlegitimiert gehalten habe, folgte aber der Argumentation der Zweitbeklagten, dass ein primärer Verfahrensmangel darin liege, dass der OeNB‑Bericht und der UVS‑Akt [gemeint Kopien von Auszügen aus Verfahren vor dem UVS] verwertet worden seien. Das Berufungsgericht legte dazu dar, der im Rahmen der Bankaufsicht erstellte OeNB‑Bericht führe zu deren gutachterlichen Äußerung und diene dazu, der FMA ‑ ohne sie zu präjudizieren ‑ eine geeignete Grundlage durch die erhobenen Tatsachen (Befund) und die daraus gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen (Gutachten) für ihre Beurteilung und Entscheidung, ob bzw welcher behördliche Handlungsbedarf bestehe, zu bieten. Eine öffentliche Urkunde stelle ein solches Gutachten nicht dar, könne aber auch ein Sachverständigengutachten nicht ersetzen, weil mit einem Urkundenbeweis die Regeln über den Sachverständigenbeweis nicht umgangen werden könnten. In der Verwertung des Berichts liege ein Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz. Dem Erstgericht sei es offengestanden, die durch Verwertung des Berichts festgestellten Tatsachen durch unmittelbare Beweisaufnahme zu erheben. Es sei im konkreten Fall davon auszugehen, dass sämtliche Erkenntnisquellen, die dem Bericht der OeNB zugrunde lägen, in Form von unmittelbaren Personalbeweisen oder Urkunden zur Verfügung stünden. Die Zweitbeklagte habe sich gegen die Verlesung des UVS‑Akts ausgesprochen, worauf dieser auch nicht verlesen worden sei. Die Verwertung der Aussagen von Boardmitgliedern der Zweitbeklagten in diesem Verwaltungsverfahren verstoße daher ebenfalls gegen die Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit des Zivilprozesses. Nach herrschender Ansicht gehe die Prozessleitungspflicht des Verhandlungsleiters gemäß § 182 ZPO nicht so weit, dass dieser zu weiteren Beweisanträgen anzuleiten hätte, weil er etwa bisher aufgenommenen Beweisen keinen Glauben schenke, doch werde eine solche Belehrungspflicht gerade in dem Fall angenommen, in dem sich zeige, dass aus einer beantragten Beweisaufnahme wenig (oder nichts) zu gewinnen und zu vermuten sei, sodass die Parteien in Kenntnis der Wertlosigkeit des beantragten Beweises wahrscheinlich zielführende Beweisanträge gestellt hätten. Der Klägerin sei daher Gelegenheit zu geben, dem Unmittelbarkeitsgrundsatz Rechnung tragende Beweisanträge zu stellen.
Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil schon angesichts der Vielzahl der anhängigen Verfahren, in denen sich dieselbe Problematik stelle, nämlich die Beurteilung der Zulässigkeit der Verwertung eines Berichts der OeNB über gemäß § 70 Abs 1 BWG vorgenommene Erhebungen in einem Zivilprozess im Rahmen eines Urkundenbeweises unter dem Gesichtspunkt des den Zivilprozess beherrschenden Unmittelbarkeits-grundsatzes, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung darstelle.
In ihrem Rekurs, mit dem sie die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts anstrebt, wiederholt die Klägerin ihren Standpunkt, ein solcher Bericht der OeNB sei als öffentliche Urkunde iSd § 292 ZPO zu qualifizieren. Sie weist aber auch darauf hin, dass die getroffenen Feststellungen nicht nur auf der Beweisgrundlage des Berichts der OeNB, sondern auch auf der Aussage eines Zeugen, der (Mit-)Ersteller dieses OeNB‑Berichts sei, beruhten und behauptet, der UVS‑Akt sei verlesen worden.
Die Zweitbeklagte unterstreicht in ihrer Rekursbeantwortung, dass der OeNB‑Bericht ohne ihre Beteiligung erstellt worden sei und es in diesem Verwaltungsverfahren für sie auch keinerlei Rechtsschutz gegeben hätte, sodass schon daraus abzuleiten wäre, dass der Bericht nicht zu ihren Lasten verwertet werden dürfe. Ein solcher Bericht könne überdies nur den Beweis erbringen, dass Mitarbeiter der OeNB das darin Beschriebene von Mitarbeiteren der MB mitgeteilt oder gezeigt bekommen hätten, nicht aber, dass es sich tatsächlich so zugetragen habe. Eine Auslagerung der richterlichen Beweiswürdigung auf die OeNB sei nicht zulässig. Im Verwaltungsverfahren komme der Klägerin weder Parteistellung noch das Recht auf Akteneinsicht zu ‑ dies werde bei Verlesung völlig unterlaufen. Der Zeugenbeweis sei nach den Regeln der ZPO aufzunehmen und dürfe nicht dadurch umgangen werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und im Ergebnis auch berechtigt.
1. Bei der Beurteilung der Verwertbarkeit des Berichts der OeNB handelt es sich um eine Rechtsfrage des Verfahrensrechts. Durch die Anführung des Verfahrensrechts neben dem materiellen Recht (vgl § 502 Abs 1 ZPO, hier iVm § 519 Abs 2 ZPO) ist gewährleistet, dass nicht nur das Verfahrensrecht weiterentwickelt und konkreter ausgelegt werden kann, sondern auch Verfahrensfehler der zweiten Instanz von erheblicher Bedeutung der Prüfung durch den Obersten Gerichtshof unterliegen. Erhebliche Bedeutung kommt einer Entscheidung jedenfalls dann zu, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stehen (RIS‑Justiz RS0041365). In diesem Zusammenhang können vom Obersten Gerichtshof freilich nur allgemeine Grundsätze vorgegeben werden; deren Anwendung auf den Einzelfall im Rahmen der Stoffsammlung und Beweiswürdigung muss den Tatsacheninstanzen vorbehalten bleiben.
2.1. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) ist Zentralbank der Republik Österreich. Ihre Kernaufgabe ist die Erhaltung der Preisstabilität sowie die Umsetzung einer stabilitätsorientierten Geldpolitik, die Versorgung mit sicherem Bargeld und die Verwaltung der Währungsreserven. Ihr kommt aber auch im Rahmen der Bankenaufsicht eine Rolle zu (vgl § 2 NationalbankG; Grabovickic/Dugonjic/Zinnöcker, Bankenaufsicht in Österreich, ÖBA 2009, 425). Derzeit besteht im zuletzt genannten Bereich eine Aufgabenteilung zwischen der OeNB und der FMA. Während die OeNB sämtliche Vor‑Ort‑Prüfungen, Gutachten und Analysen durchzuführen hat, bleibt das behördliche Verfahren und die Entscheidungskompetenz bei der FMA (Hrdlicka in Dellinger, BWG 7. Lfg § 79 Rz 9).
2.2. Gemäß § 79 Abs 4 BWG hat sich die FMA dabei weitestmöglich auf die Prüfungen, Gutachten und Analysen der OeNB sowie die in die Datenbank (nach Abs 3 leg cit) eingestellten Daten zu stützen und kann sich auf deren Richtigkeit und Vollständigkeit verlassen, es sei denn, sie hat begründete Zweifel an deren Richtigkeit oder Vollständigkeit (§ 79 Abs 4 Satz 2 BWG). Die Prüfungsfeststellungen der OeNB gelten im (Verwaltungs‑)Verfahren als Sachverständigengutachten; die Beauftragung der OeNB gemäß § 70 Abs 1 Z 3 und § 70a Abs 2 BWG steht jedoch einer allenfalls erforderlichen ergänzenden Beweisaufnahme durch eigene Erhebungen der FMA oder durch Wirtschaftsprüfer und sonstige Sachverständige nicht entgegen (§ 79 Abs 4 Satz 4 BWG).
3.1. Gemäß § 292 Abs 1 ZPO begründen Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form errichtet sind (öffentliche Urkunden) vollen Beweis dessen, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt oder von der Behörde oder der Urkundsperson bezeugt wird.
3.2. Damit ist Voraussetzung für die Anwendung der Beweisregel des § 292 Abs 1 ZPO nicht nur, dass die Urkunde von einer öffentlichen Behörde oder mit öffentlichem Glauben versehenen Person errichtet wurde, sondern auch, dass die betreffende Behörde bzw mit öffentlichem Glauben versehene Person darin etwas verfügt, erklärt oder bezeugt. Die Beweisregel des § 292 Abs 1 ZPO bezieht sich nur auf dasjenige, was in der betreffenden Urkunde verfügt, erklärt oder bezeugt (zu Letzterem Bittner in Fasching/Konecny², § 292 ZPO Rz 32) wird. Demnach kommt die Beweisregel nicht jeder von einer Behörde oder mit öffentlichem Glauben versehenen Person ausgestellten Urkunde zugute, sondern nur dann und nur insoweit, als darin etwas verfügt, erklärt oder bezeugt wird. In diesem Sinne stellt etwa ein Gerichtsurteil zwar hinsichtlich des Spruchs eine öffentliche Urkunde dar, nicht aber hinsichtlich der darin getroffenen Feststellungen und sonstigen Bestandteile der Begründung, ist das Urteil doch nicht bestimmt, insoweit Tatsachen mit allgemeinverbindlicher Wirkung zu „erklären“ oder zu „bezeugen“ (vgl Bittner aaO Rz 31, 43).
3.3. Dies lässt sich auf den Prüfbericht der OeNB übertragen. Dieser dient als (etwa nach Parteiengehör) erforderlichenfalls zu ergänzende Sachverhaltsgrundlage für etwaige von der FMA angeordnete Verfügungen oder Erklärungen (behördliche Maßnahmen), nicht jedoch dazu, selbst bestimmte Tatsachen zu beurkunden, zu erklären bzw zu bezeugen (insoweit zutreffend Oberhammer, Anlegeransprüche ‑ kapitalmarktrechtliche und prozessuale Fragen, GA zum 19. ÖJT [2015] 100 FN 47). In diesem Sinn ist der Prüfbericht der OeNB daher keine öffentliche Urkunde iSd § 292 ZPO (so auch Hrdlicka in Dellinger, BWG 7. Lfg § 79 Rz 15 FN 59; Oppitz in Chini/Oppitz, BWG § 79 Rz 5; Laurer in Laurer/Borns/Strobl/M. Schütz/O. Schütz, BWG³ § 79 Rz 3; Pimmer, Ist die Prozessökonomie eine Rechtfertigung für die Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes? ecolex 2015, 286 [289]).
4.1. Die Zweitbeklagte steht wie das Berufungsgericht auf dem Standpunkt, die Verwertung des OeNB‑Berichts verstoße gegen den Unmittelbarkeits-grundsatz. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden.
4.2. Die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahmen gehört zu den tragenden Grundsätzen des Zivilprozesses (RIS‑Justiz RS0041365). In der ZPO ist in § 412 ZPO nur die persönliche Unmittelbarkeit ausdrücklich gesetzlich verankert. Danach hat die Aufnahme der Beweise im Regelfall durch den erkennenden Richter selbst zu erfolgen (Rechberger in Rechberger 4 § 412 ZPO Rz 1; Fucik in Rechberger 4 Vor § 171 Rz 6).
4.3. Der ‑ in der ZPO nicht ausdrücklich statuierte ‑ Grundsatz der sachlichen Unmittelbarkeit (vgl zB Fasching, Lehrbuch² Rz 678, 912; ders in Fasching/Konecny,ZPG² II/1 Einl Rz 39; ebenso Konecny in der 3. Auflage) besagt, dass der Richter nicht nur die größtmögliche Eigenwahrnehmung anzustreben, sondern auch ‑ unter mehreren möglichen Beweismitteln ‑ das beweiskräftigste auszuwählen hat (Rechberger in Fasching/Konecny³ Vor § 266 Rz 92; Fasching, Lehrbuch² Rz 912, spricht von „tatsachennahen“ Beweismitteln). In diesem Sinne liegt auch dann ein Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz vor, wenn statt der (möglichen) Vernehmung eines unmittelbaren Zeugen ein „Beweis vom Hörensagen“ oder statt der Vernehmung eine „schriftliche Aussage“ oder ohne durch § 281a ZPO begründete Zulässigkeit Zeugenaussagen oder Parteiaussagen von Vorakten zur Feststellung solcher Tatsachen, die durch unmittelbare Beweisaufnahme erhoben werden könnten (RIS‑Justiz RS0043010; vgl 7 Ob 301/00s = RS0114723), zugelassen werden. Schriftliche Zeugenaussagen laufen sowohl dem Grundsatz der Unmittelbarkeit als auch dem Gebot der Mündlichkeit zuwider und sind somit in der Regel als Beweismittel unzulässig (1 Ob 28/86 = SZ 59/93 = EvBl 1987/1 = JBl 1986, 583 [dazu Ortner, AnwBl 1986, 616]; RIS‑Justiz RS0036711; Mohr, Urkundliche Angaben eines Zeugen ‑ Gedanken zur Zulässigkeit einer Urkunde als derivatives Beweismittel, ÖJZ 1985, 524, der aber die Mündlichkeit nicht verletzt sieht; Rechberger in Fasching/Konecny³ Vor § 266 ZPO Rz 92).
4.4. Allerdings ist der Grundsatz der (sachlichen) Unmittelbarkeit „kein Gut an sich, kein sogenannter Selbstzweck“ (OBDK RIS‑Justiz RS0056185); er ist vielmehr Mittel zur Wahrheitsfindung, steht in einem Spannungsfeld zur Prozessökonomie und ist daher unter gewissen Voraussetzungen auch verzichtbar (vgl RIS‑Justiz RS0041499). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die ZPO kaum Beweisverbote kennt. Die Beweismittel sind in der ZPO nicht taxativ aufgezählt (Rechberger aaO Rz 100 mwN). Vielmehr kommt auch im Zivilverfahren ‑ wie dies § 46 AVG für das Verwaltungsverfahren statuiert ‑ als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falls zweckdienlich ist (Rechberger aaO). Demgemäß plädiert Rechberger (aaO Rz 100, Vor §§ 351 ff Rz 12) überzeugend dafür, sich von der strikten Zuordnung zu einem in der ZPO angeführten Beweismittel zu lösen.
Bei der „Lage“ des zu beurteilenden „einzelnen Falles“ ist zu berücksichtigen, dass es sich um eines aus einer großen Zahl von gegen die Beklagten angestrengten (Massenverfahren) handelt. Entgegen der Ansicht von Oberhammer (der bloß auf Gerüchte gestützt, pauschal „einer nicht unbedeutenden Anzahl von Richtern“ Parteilichkeit unterstellt [aaO 97 f]) geht es auf Basis der derzeitigen (auf Massenverfahren nicht Rücksicht nehmenden) Verfahrensvorschriften nicht nur um ein Ressourcenproblem der Justiz, sondern vielmehr um den Zugang der Parteien zu Informationen, um die Kosten des Verfahrens und damit letztlich um den effektiven Zugang zum Recht, sowie um die Belastung der Zeugen und Verfahrensparteien, insbesondere auch der Beklagten, die sich in einer Vielzahl von Verfahren denselben Fragen im Zuge der Zeugen- oder Parteienvernehmung stellen müssen (vgl G. Kodek, Möglichkeiten zur gesetzlichen Regelung von Massenverfahren, in BMSG [Hrsg], Massenverfahren ‑ Reformbedarf für die ZPO? [2005] 311, 383 f]; ders,Kollektiver Rechtsschutz in Europa ‑ Diskussionsstand und Perspektiven, FS Nowotny [2015] 127 [138]). Diese Gesichtspunkte erfordern nicht zuletzt in Hinblick auf das Grundrecht auf ein faires Verfahren (Art 6 EMRK) ein möglichst rationelles Vorgehen bei der Beweisaufnahme, das Dauer und Kosten der Verfahren im Rahmen hält.
4.5. Der offene Zugang gegenüber allen in Betracht kommenden Erkenntnisquellen ist in gewisser Weise Korrelat zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Ebenso wie der Beweiswert einzelner Beweismittel im Gegensatz zu früheren Rechtsordnungen nicht gesetzlich geregelt ist, sind auch die zur Gewinnung von Feststellungen heranzuziehenden Quellen kaum gesetzlichen Beschränkungen unterworfen. Letztlich geht es stets um die Frage, welchen Stellenwert derartige Beweismittel im Rahmen des gesamten Prozessstoffes haben und inwieweit die Aufnahme zusätzlicher mittelbarer oder unmittelbarer Beweise geboten ist. Dies ist aber regelmäßig nur im Einzelfall zu beantworten. Die Frage, inwieweit durch Aufnahme unmittelbarer Beweise ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten ist, fällt in den den Tatsacheninstanzen vorbehaltenen Bereich der Beweiswürdigung (vgl RIS‑Justiz RS0043414; RS0043320).
4.6. In aller Regel wird ein Rückgriff auf das „sachnächste“, „unmittelbare“ Beweismittel wünschenswert sein, doch lassen sich hier keine absoluten Aussagen treffen. So wird niemand die Verwendung eines Unfallberichts der Polizei oder die schriftlich bekanntgegebenen Auskünfte über Wetterzustände der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik nur aus der Erwägung für unzulässig ansehen, dass die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten oder die die Auskunft verfassenden Mitarbeiter der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik ja als Zeugen vernommen werden könnten. Zu Recht wird auch in der Praxis schriftlichen ‑ weil und soweit zeitlich näher zu den relevanten Tatsachen und aus besserer Erinnerung verfassten ‑ Aufzeichnungen eines Zeugen oft größerer Beweiswert zugemessen, als dessen ‑ manchmal Jahre später ‑ im Prozess abgelegten vagen Aussage (vgl Fucik, Mittelbare Beweisaufnahme im Zivilverfahren, ÖJZ 2010, 53, der in diesem Zusammenhang von der „zeitlichen“ Unmittelbarkeit spricht).
4.7. Gerade bei öffentlichen Stellen ist bereits seit langem anerkannt, dass schriftliche Angaben ein zulässiges Beweismittel darstellen; das Bestehen auf der Einvernahme eines informierten Vertreters würde nämlich in aller Regel keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn verschaffen. So entspricht es völlig herrschender Auffassung, dass es sich auch bei der schriftlichen Beantwortung einer Anfrage um ein zulässiges Beweismittel handelt, das entweder als Urkunden- oder als Sachverständigenbeweis qualifiziert werden kann (Bittner aaO § 292 ZPO Rz 44; Rechberger aaO Vor § 266 ZPO Rz 102; [nur für Urkundenbeweis] G. Kodek in Fasching/Konecny³, § 301 ZPO Rz 13).
4.8. Für den vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass vor allem die gegenüber Privatgutachten geäußerten (strukturellen) Bedenken gegen ihre Richtigkeit bei im Rahmen der staatlichen Bankenaufsicht über gesetzlichen Auftrag tätigen Prüfern nicht zum Tragen kommen. Weder stammt wie beim Privatgutachten der Auftrag von einer der Streitparteien, noch wird die OeNB von einer dieser Parteien bezahlt. Sie erbringt damit ihren Bericht nicht einseitig bloß in Verpflichtung gegenüber einer der Prozessparteien. Ebenso kann davon ausgegangen werden, dass der Staat im Rahmen der Ausübung der Bankenaufsicht kompetente Prüfer einsetzt, während beim Privatgutachter die Auswahl und Überprüfung dessen fachlicher Qualität allein dem (privaten) Auftraggeber zukommt, der in seiner Wahl vom gewünschten Inhalt seines angestrebten Beweisergebnisses geleitet sein mag. Auch ist zu berücksichtigen, dass dem Prüfer der zeitnahe unmittelbare Zugang zu Auskunftspersonen und Urkunden offenstand, während dies ‑ entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht, es sei davon auszugehen, dass die dem Bericht der OeNB zugrundeliegenden Beweise in Form von (nicht näher spezifizierten) Urkunden oder Personalbeweisen dem Kläger zur Verfügung ständen ‑ nicht pauschal als gesichert angenommen werden kann. Nicht zuletzt in Anbetracht der strukturellen Beweisprobleme auf Seiten des Anlegers, was Vorgänge beim Emittenten angeht, geht es daher nicht an, das Gutachten der OeNB in einem Zivilverfahren einfach zu ignorieren. Aus diesem Grund erachtet es der erkennende Senat ‑ entgegen Oberhammer (aaO 111 f) ‑ im Übrigen auch nicht als unzulässig, in der hier gegebenen Konstellation den Prüfer zu vernehmen. Es kann freilich dem Gutachten der OeNB im Gerichtsverfahren nicht größere Bedeutung zukommen, als im Verwaltungsverfahren nach der FMA. Demnach kann auch im Gerichtsverfahren der OeNB‑Bericht, der weder schriftliche Zeugenaussage noch Gerichtsgutachten ist und für den Zivilprozess am ehesten ‑ eine streng kategorische Einordnung zu den nicht taxativ aufgezählten Beweismitteln ist wie dargelegt nicht zwingend erforderlich ‑ dem Urkundenbeweis gleichgestellt werden kann, ergänzt oder widerlegt werden.
4.9. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens muss immer ein „Zuwenig“ sein; ein „Zuviel“ ist schon begrifflich nicht geeignet, die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (§ 503 Z 2 ZPO; G. Kodek, Die Verwertung rechtswidriger Tonbandaufnahmen und Abhörergebnisse im Zivilverfahren ‑ Zugleich ein Beitrag zur Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel [Teil II], ÖJZ 2001, 334 [344]). Insoweit kann die Aufnahme eines einzelnen Beweismittels als solche nie eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darstellen (vgl Kodek aaO). Entscheidend ist vielmehr, ob andere beantragte Beweise nicht aufgenommen wurden und deswegen eine zu bemängelnde Unvollständigkeit der Entscheidungsgrundlage besteht.
5.1. Vor diesem Hintergrund bestehen keine Bedenken gegen die Verwertung des Prüfberichts der OeNB, weil es an einer solchen Unvollständigkeit der Entscheidungsgrundlage fehlt.
Weder werden von Berufungsgericht (vgl Rüffler , Der Sachverständige im Zivilprozess 55) oder Zweitbeklagter die pauschal behaupteten „zur Verfügung stehenden unmittelbaren Beweise (Personalbeweise oder Urkunden)“ näher bezeichnet, noch legen sie dar, für welche Erfahrungssätze eines Fachgebiets, unter deren Anwendung hier streitige Tatsachen festgestellt oder daraus Schlussfolgerungen gezogen werden sollten ( Rüffler aaO 7 f), ein Sachverständiger notwendigerweise beizuziehen wäre. Auf die Fragen, wie sich der einzelne Anleger überhaupt Zugang zu dem Material beschaffen sollte, das von einem Sachverständigen einer Prüfung unterzogen werden könnte, und ob daher bei realitätsnaher Betrachtung die Verwertung des Prüfberichts in den durch die einzelnen Anleger angestrengten Einzelverfahren mittels beizuziehender Sachverständige ersetzt werden könnte, braucht damit gar nicht näher eingegangen zu werden. Unterstrichen sei nur, dass demgegenüber die Prüfer der OeNB aufgrund des staatlichen Imperiums im Rahmen der Prüfung (und zeitlich darauf auch beschränkt) Einblick hatten.
5.2. Das Erstgericht vernahm zudem ohnehin über Antrag der Klägerin nicht nur sie und ihren Berater, sondern auch zwei Vorstandsmitglieder der MB, von denen eines bis 21. 6. 2005 auch Vorstandsmitglied der Zweitbeklagten gewesen war und danach ins Board der ME***** gewechselt hatte. Beide beriefen sich weitgehend auf ein „Entschlagungsrecht“. Daraufhin wurde dem zuerst vernommenen Vorstandsmitglied ein Aussageverweigerungs-recht mit in der Verhandlung mündlich verkündetem Beschluss zu Gesprächen über die Kursbildung und zum eigenen Kenntnisstand zu den Werbeunterlagen zuerkannt und dem zweiten ein solches offenbar einfach faktisch zugestanden. Es wurden die in anderen Streitverfahren vor dem Handelsgericht Wien aufgenommenen Aussagen eines der Ersteller des Berichts der OeNB, einer Angestellten der MB, eines Mitarbeiters der mit der forensischen Rechnungsprüfung von der Zweitbeklagten beauftragten Firma und eines ehemaligen Boardmitglieds der Zweitbeklagten (der auch im Verwaltungsverfahren vor dem UVS ausgesagt hatte) einvernehmlich verlesen. Sie alle waren von der erkennenden Richterin selbst (wenn auch in anderen Verfahren, in denen die Zweitbeklagte zudem Parteistellung hatte) vernommen worden.
5.3. Der OeNB‑Prüfbericht ist demnach grundsätzlich bei der Beurteilung der Streitsache zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall hängt es nun vom Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge des Berufungsgerichts zu den die Sphäre der Klägerin betreffenden Feststellungen (deren Beratung und Anlageentscheidung etc) ab, ob sich das Berufungsgericht mit dessen Beweiskraft auseinandersetzen muss, wobei auch die Frage, ob zur Gewinnung der erforderlichen Feststellungen noch weitere Beweise notwendig sind, wie schon ausgeführt, ein Akt der Beweiswürdigung ist (RIS‑Justiz RS0043414).
6.1. Zutreffend hat das Berufungsgericht dagegen erkannt, dass in der Verwendung des „UVS‑Akts“ ein Verfahrensmangel liegt:
6.2. Das Erstgericht erörterte unmittelbar vor Schluss der Verhandlung, dass es beabsichtige, den „UVS‑Akt zum VwGH Erkenntnis 2009/17/0234‑8“ zu verlesen, worin auch Protokolle der Vernehmungen von fünf (ehemaligen) Boardmitgliedern der Zweitbeklagten enthalten waren. Diese erstattete ein Vorbringen zur Irrelevanz und fehlenden Beweiskraft des Akts und sprach sich mit der Begründung, dass sie an diesem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei, gegen die Verlesung aus.
6.3. § 281a ZPO erlaubt die Verlesung von über streitige Tatsachen in einem gerichtlichen Verfahren aufgenommene Beweise unter Abstandnahme von einer neuerlichen Beweisaufnahme, wenn 1.) die Parteien an diesem gerichtlichen Verfahren beteiligt waren und nicht eine der Parteien ausdrücklich das Gegenteil beantragt oder das Beweismittel nicht mehr zur Verfügung steht oder 2.) die an diesem gerichtlichen Verfahren nicht beteiligt gewesenen Parteien dem ausdrücklich zustimmen.
Eine Anwendung des § 281a ZPO kam beim UVS‑Akt schon allein deswegen (und ohne Untersuchung, ob diese Bestimmung überhaupt auf ein Verwaltungsverfahren [analog] anzuwenden wäre) nicht in Betracht, weil die Zweitbeklagte als an diesem Verfahren nicht beteiligte Partei ihre Zustimmung zur Verwendung nicht erteilt hatte (vgl 1 Ob 695/88 = RIS‑Justiz RS0040365), und zwar auch nicht in Ansehung der Aussage jenes (ehemaligen) Boardmitglieds, dessen vor der erkennenden Richterin in einem anderen Streitverfahren abgelegte Aussage einvernehmlich verlesen worden war:
Das Gericht hat zur Wahrung des rechtlichen Gehörs den Parteien Verfahrensvorgänge, die erkennbar für sie wesentliche Tatsachen betreffen, bekannt zu geben und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, dazu Stellung zu nehmen. Eine Beweisaufnahme ohne Zuziehung der Parteien führt zwar noch nicht zur Verletzung des rechtlichen Gehörs, es bedarf allerdings in einem solchen Fall der Möglichkeit, dass sich eine Partei zu den Tatsachen und Beweisergebnissen vor der Entscheidung äußern kann (RIS‑Justiz RS0074920). Eine Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO zieht es dagegen nach sich, wenn einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (stRsp RIS‑Justiz RS0005915), etwa wenn einer Partei die Möglichkeit, zu einer ihr nicht bekannten, vom Gericht jedoch in seiner Entscheidung verwerteten Urkunde Stellung zu nehmen, entzogen wird (RIS‑Justiz RS0117067).
6.4. Zwar liegt hier ‑ angesichts der Darlegungen der Zweitbeklagten zum ihr offenbar bekannten Inhalt dieses UVS‑Akts ‑ noch kein der Nichtigkeit in seiner Schwere gleichkommender Verstoß vor (vgl Rechberger aaO Vor § 266 ZPO Rz 91 f), jedoch könnte die Vorgangsweise, zuerst die Absicht einen Akt zu verlesen anzukündigen, nach Widerstand davon ‑ entgegen der Behauptung der Klägerin ‑ Abstand zu nehmen und dann dennoch die Entscheidung auf dieses Beweismittel zu gründen, einen wesentlichen Verfahrensmangel begründen. Wenn es auch für eine Einbeziehung ins Verfahren nicht zwingendes Erfordernis ist, dass Urkunden tatsächlich oder formell „verlesen“ werden, muss der Richter bei einem offenbar amtswegig beigeschafften (Kopien‑)Akt dessen spätere Verwendung, dh seine Aufnahme als Verfahrensbestandteil (etwa durch „Zum‑Akt‑nehmen“ oder auf andere geeignete Weise), zu erkennen geben. Diese Einbeziehung war aus der beschriebenen Vorgangsweise des Gerichts gerade nicht ableitbar. Die Parteien konnten vielmehr davon ausgehen, dass dieses Beweismittel bei Entscheidungsfällung nicht berücksichtigt werde, und waren daher auch nicht gehalten, auf ein solches Beweismittel durch Vorbringen oder Anträge entsprechend zu reagieren.
6.5. Die allein auf die Verwendung des „UVS‑Akts“ gestützten Feststellungen sind aber in Wahrheit nicht entscheidungswesentlich, die Mangelhaftigkeit insoweit ohne Belang (vgl 5 Ob 609/80 = RIS‑Justiz RS0043016), weil sie den sich aus anderen Urkunden ergebenden Inhalt der Ad-hoc-Meldungen betreffen sowie die (im Hinblick auf das Vorbringen der Zweitbeklagten entbehrlichen) Negativfeststellung, es könne nicht festgestellt werden, ob die Ad-hoc-Meldungen bezüglich der Vollplatzierung auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft worden seien. Auch soweit Feststellungen zum Wissensstand von Boardmitgliedern der Zweitbeklagten dazu, dass eine Vollplatzierung nicht erfolgt sei, auf dieses Beweismittel gegründet sind, kommt ihnen keine Entscheidungsrelevanz zu.
7.1. Zu den in § 48d Abs 1 BörseG zur Ad‑hoc‑Publizitätspflicht und § 48a Abs 1 Z 2 BörseG zu marktmanipulativen Handlungen verankerten Vorschriften hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals ausgesprochen, dass diese als Schutzgesetze zu qualifizieren sind (6 Ob 28/12d; 9 Ob 26/14k; 4 Ob 239/14x; 6 Ob 71/15g; RIS‑Justiz RS0127724). Der auf diese Regeln gegründete Vertrauensschutz besteht für jegliche Anlageentscheidung (vgl § 48a Abs 1 Z 1 BörseG), somit nicht nur für die, zu welchem Preis ein Wertpapier erworben werden soll, sondern auch für die Entscheidung, ob das Wertpapier überhaupt angeschafft werden soll (4 Ob 239/14x = RIS‑Justiz RS0127724 [T3]; vgl auch 9 Ob 26/14k; RS0027710 [T30]). Für die Prüfung der Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung genügt eine solche ex ante aus der Sicht eines verständigen Anlegers anhand des Inhalts und des Kontextes der Information im Marktgeschehen. Der verständige Anleger ist eine Maßfigur, der aus unionsrechtlicher Perspektive zu unterstellen ist, dass sie alle bereits öffentlich bekannten Informationen kennt. Eine nachträgliche, tatsächliche Kursveränderung ist lediglich ein Indiz für die Kursbeeinflussungseignung, für das Vorliegen eines Pflichtverstoßes jedoch nicht erforderlich (RIS‑Justiz RS0130033). Der Tatbestand der Marktmanipulation im Sinne des § 48a Abs 1 Z 2 lit c BörseG liegt nicht erst bei Wissentlichkeit, sondern schon bei schuldhafter Unkenntnis, dass die Informationen falsch oder irreführend waren, vor (9 Ob 26/14k; 6 Ob 71/15g = RIS‑Justiz RS0127724 [T4]).
Dass es sich bei den Informationen über die Erhöhung der der MB mit dem Placement‑ und Market‑Maker‑Vertrag eingeräumten Befugnis, anstelle von ursprünglich 10 % nunmehr bis zu 29,9 % der Zertifikate im Namen und auf Rechnung der Beklagten oder der MB selbst zurückzukaufen, und darüber, dass eine andere Gesellschaft im Zuge der Kapitalerhöhung wesentliche Teile des Volumens (so wie hier etwa ca 30 % oder sogar mehr und mit ihren Geldern) erwerben musste, um eine vollständige Platzierung erreichen zu können, um Insider-Informationen iSd § 48a Abs 1 Z 1 BörseG handelte, die sie als veranlagungsrelevant gemäß § 48d Abs 1 BörseG zu veröffentlichen verpflichtet gewesen wäre, wird in der Entscheidung 9 Ob 26/14k ausführlich erläutert.
Wird ein Schadenersatzanspruch auf die Verletzung eines Schutzgesetzes gestützt, dann hat der Geschädigte den Schadenseintritt und die Verletzung des Schutzgesetzes als solche zu beweisen. Für Letzteres reicht der Nachweis aus, dass die Schutznorm objektiv übertreten wurde (RIS‑Justiz RS0112234; zur irreführenden Ad‑hoc‑Meldung siehe 4 Ob 239/14x = RS0112234 [T24]). Hingegen hat dann der Schädiger den Nachweis zu erbringen, dass ihm die objektive Übertretung des Schutzgesetzes nicht als schutzgesetzbezogenes Verhaltensunrecht anzulasten ist (vgl RIS‑Justiz RS0112234).
7.2. Bei unrichtiger Meldung über eine Vollplatzierung wäre ‑ wie der Oberste Gerichtshof wiederum bereits in 4 Ob 239/14x und 9 Ob 26/14k erläuterte ‑ selbst dann, wenn der Vorstand nichts von der Irreführung der Ad-hoc-Meldungen zu einer erfolgreichen Platzierung gewusst haben sollte, der Zweitbeklagten eine solche Unkenntnis mangels (auch in diesem Verfahren als fehlend zugestandener) Überprüfung des Wahrheitsgehalts der Mitteilung im Rahmen ihrer Veröffentlichungspflicht vorzuwerfen.
Zur Thematik der Erhöhung der Rückkaufmöglichkeit von ursprünglich 10 % auf bis zu 29,9 % der Zertifikate ist der Verstoß schon jetzt unzweifelhaft, hat doch die Zweitbeklagte dazu nur bestritten, zu einer solchen Veröffentlichung verpflichtet gewesen zu sein. Strittige Tatsachen, über die auf Basis des OeNB‑Berichts oder des UVS‑Akts Feststellungen zu treffen gewesen wären, lagen hier gar nicht vor.
7.3. Für den auf einem solchen Verstoß aufbauenden Nachweis dafür, ob die Klägerin als Anlegerin bei Einhaltung der Ad-hoc-Meldepflicht vom Inhalt der Mitteilung erfahren hätte, kommt es nicht (nur) auf ihre eigene Lektüre der Ad‑hoc‑Meldung an, weil der Informationsgehalt von Anlegern typischerweise nicht aus der Ad-hoc-Meldung selbst, sondern über die an sie anknüpfenden Informationsquellen (wie zB Berater) bezogen wird (6 Ob 71/15g = RIS‑Justiz RS0022900 [T33]). Im Zusammenhang mit einer unterlassenen Ad-hoc-Meldung stellt sich die Kausalitätsprüfung demnach so dar, dass zu fragen ist, ob der Anleger bei Einhaltung der gebotenen Ad-hoc-Meldepflicht vom Inhalt der Mitteilung erfahren hätte und, wenn dies der Fall ist, ob er dann eine andere (oder gar keine) Veranlagungsentscheidung getroffen hätte. Dabei genügt der Nachweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden auf das Unterlassen des pflichtgemäßen Handelns zurückzuführen ist (9 Ob 26/14k = RIS‑Justiz RS0110701 [T13], 10 Ob 85/14v).
Die ‑ auf anderen Beweismitteln basierenden und nicht vom UVS‑Akt oder OeNB‑Bericht berührten ‑ Feststellungen, dass der Berater alle Ad‑hoc‑Meldungen gelesen habe, er bei pflichtgemäßer Veröffentlichung dieser Änderung des Placement‑ und Market‑Maker‑Vertrags der Klägerin M*****‑Zertifikate gar nicht erst empfohlen hätte, der Erwerb durch diese und deren Tochter unterblieben wäre und die Klägerin ihr Geld ansonsten auf ein Sparbuch gelegt und keine Verluste erlitten, sondern vielmehr Zinsen lukriert hätte, während nicht feststehe, ob die Tochter dann überhaupt auf die Idee gekommen wäre, in irgendetwas zu investieren, hat das Berufungsgericht bisher nicht behandelt. Dies wird an erster Stelle nachzuholen sein. Bliebe es bei den die Klägerin und ihren Berater betreffenden Feststellungen des Erstgerichts (für die weder der OeNB‑Bericht noch der UVS‑Akt Beweismittel waren), wäre die Rechtssache entscheidungsreif.
Sollte die Erledigung der Tatsachenrüge aber ergeben, dass die Klägerin auch bei zeitgerechter und richtiger Meldung der Abänderung des Placement‑ und Market‑Maker‑Vertrags (Erhöhung der Rückkaufmöglichkeit) die Zertifikate erworben hätte, wäre ihr Vorwurf, ihr sei durch später unterlassene, verspätete und unrichtige Ad-hoc-Meldungen und eine von der Zweitbeklagten zu verantwortende Marktmanipulation ein Schaden in Form des Kursverfalls gegenüber dem Zeitpunkt des Erwerbs entstanden, zu behandeln. Legte man ‑ was derzeit eben noch nicht feststeht und von der Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts durch das Berufungsgericht und damit auch von dessen Beurteilung der Beweiskraft des zulässigerweise vom Erstgericht berücksichtigten OeNB‑Berichts abhängt ‑ auf der Sachverhaltsebene zu Grunde, dass deshalb, weil wesentliche Teile nicht am Markt platziert werden konnten, der Erwerb dieser Zertifikate mit letztlich eigenen Mitteln durch eine andere Gesellschaft erfolgte, dann wäre der Zweitbeklagten auch dieser Verstoß anzulasten. Die bloße Behauptung, von diesen Vorgängen keine Kenntnis gehabt zu haben, entbindet sie nicht von ihrer diesbezüglichen Sorgfaltspflicht (vgl dazu auch 4 Ob 239/14x, 9 Ob 26/14k). Es fehlt jede Darlegung der dafür behauptungs‑ und beweisbelasteten Zweitbeklagten, welche Schritte zur Überprüfung der erhaltenen Informationen sie überhaupt unternommen habe oder warum ihr eine solche nicht möglich gewesen wäre.
7.4. Zu einem Schaden in Form des Kursverfalls gegenüber dem Zeitpunkt des Erwerbs verwies schon das Berufungsgericht bezüglich des Marktrisikos auf die Judikatur des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 28/12d), wonach die entsprechende Beweislast dem Kläger zugeordnet wird, weil der Beweis des ersten Anscheins nur dann dafür spricht, dass der von der Norm zu verhindernde Schaden durch das verbotene Verhalten verursacht wurde, wenn die Schadensdarstellung des Klägers die allgemeine Marktlage berücksichtigt, es allerdings dem Schädiger unbenommen bleibt, Tatsachen darzulegen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs als des typischen ergibt, um den Anscheinsbeweis zu entkräften (Karner in KBB4 § 1296 Rz 4). Es führte aus, dass das Vorbringen der Klägerin, der eben ein entsprechend konkretes Vorbringen zu ihrem Schaden abverlangt werde, welches auch erkennen lasse, inwieweit Elemente eines allgemeinen, unabhängig von behaupteten Kursmanipulationen oder sonstigen Verstößen eingetretenen Marktrisikos enthalten seien, insoweit erörterungsbedürftig sei, nicht aber jenes der Zweitbeklagten.
8. Dem Rekurs ist daher Folge zu geben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung aufzutragen.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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