OGH 1Ob367/97w

OGH1Ob367/97w28.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Rohrer, Dr.Gerstenecker und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Manfred P*****, und 2.) Maria Anna P***** beide , beide vertreten durch Dr.Elisabeth Messner, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Helmut T*****, vertreten durch Mag.Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 493.120 S sA infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23.April 1997, GZ 16 R 28/97y-21, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 25.September 1997, GZ 16 R 28/97y-24, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

a) Das Verschulden des Beklagten, der - ein Grundbuchsrechtspfleger - für die beiden klagenden Landwirte bereits zweimal Liegenschaftskaufverträge errichtet hatte, einen solchen Vertrag auch im vorliegenden Fall errichtete und sie dabei nach deren Behauptungen von einer weiteren Rangordnung für die Verpfändung bis zum Höchstbetrag von 1,5 Mio S auf der Kaufliegenschaft nicht unterrichtete, ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.

b) Nach Lehre und Rspr ist der Geschädigte - wie sich vor allem aus § 1304 ABGB ergibt - zur Schadensminderung verpflichtet; das ist die Obliegenheit, ein "Weiterfressen" des Schadens zu verhindern oder möglichst in Grenzen zu halten (SZ 55/104; JBl 1990, 587; 4 Ob 41/95 uva; Reischauer in Rummel2, § 1304 ABGB Rz 37; Koziol/Welser, Grundriß10 I 464 mwN aus dem Schrifttum). Er muß die zur Schadensminderung erforderlichen, ihm objektiv und subjektiv zumutbaren (Koziol, Haftpflichtrecht3 Rz 12/100 mwN in FN 399) Maßnahmen, die ein verständiger Durchschnittsmensch ergriffen hätte, von sich aus und ohne Rücksicht auf das Verhalten des Schädigers treffen (1 Ob 17/90 mwN). Für eine Verletzung der Schadensminderungspflicht trifft grundsätzlich den Schädiger die Behauptungs- und Beweislast (EvBl 1988/31; 4 Ob 41/94 ua; Harrer in Schwimann2, § 1304 ABGB Rz 97 mwN). Diese allgemeine Regel findet nur dort eine Einschränkung, wo die Möglichkeit der Geringhaltung des Schadens naheliegt, konkrete Beweise aber vom Schädiger billigerweise nicht erwartet werden können, weil es sich um Umstände handelt, die allein in der Sphäre des Geschädigten liegen und daher nur ihm bekannt und auch nur von ihm beweisbar sind (MietSlg 34.640 mwN; EvBl 1988/31; 4 Ob 41/95). Wollte man diese Ansicht ablehnen, so käme man doch zum gleichen Ergebnis, weil überall dort, wo die Möglichkeit der Geringhaltung des Schadens naheliegt, dem ersten Anschein nach ein Sachverhalt vorliegt, der für die Verletzung der Rettungspflicht spricht (4 Ob 41/95; Reischauer aaO § 921 ABGB Rz 3, § 1304 ABGB Rz 44).

Der Beklagte erblickt die Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Kläger darin, daß sie nicht durch Zahlungen von 100.000 S und 90.000 S an zwei Pfandgläubiger die Kaufliegenschaft selbst lastenfrei gemacht hätten; es fehle an einer höchstgerichtlichen Rspr zur Frage der (objektiven) Zumutbarkeit der Schadensminderungspflicht in einem Fall, bei dem der Schadenseintritt dadurch hätte verhindert werden können, daß die Geschädigten einen Geldbetrag in Höhe von 20 % (100.000 S) bzw 38 % (190.000 S) des drohenden Schadens leisten. Abstrakt ist indes die Konkretisierung der Obliegenheit des Geschädigten zur Schadensminderung nur eingeschränkt möglich (Harrer aaO § 1304 ABGB Rz 9), richtet sich doch das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen durch den Geschädigten gegen einen Schadenseintritt nach den Umständen des Einzelfalls (ZVR 1984/281 ua, zuletzt 10 Ob 2444/96; RIS-Justiz RS0029874). Was im jeweiligen Einzelfall dem Geschädigten zuzumuten ist, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile - nicht etwa bloß nach den einseitig ausgerichteten Interessen des Schädigers - und nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs (ZVR 1973/92, ZVR 1984/281 ua). Die vom Revisionswerber aufgeworfene Frage, ob es dem Geschädigten "im Rahmen der ihn treffenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden könne, einen gewissen Geldbetrag zu leisten, wenn er dadurch den Schaden verhindern könne", entzieht sich damit generellen Aussagen durch das Revisionsgericht.

Nach der etwa zum Kfz-Schadenersatzrecht entwickelten Judikatur ist ein Fahrzeughalter im Rahmen der Schadensminderungspflicht zwar grundsätzlich verpflichtet, vorläufig eigene Mittel zur Schadensbehebung an seinem Fahrzeug aufzuwenden, um ein "Weiterfressen" des Schadens durch auflaufende Mietwagenkosten zu verhindern. Er ist aber nur dann verpflichtet, eigenes Kapital einzusetzen, wenn er dazu leicht in der Lage ist (ZVR 1985/131 uva; Harrer aaO § 1304 ABGB Rz 17 mwN). In der Entscheidung SZ 56/126 wurde die Auffassung vertreten, der Geschädigte könne nicht gezwungen werden, eigenes Kapital einzusetzen. Daß es im vorliegenden Fall den Klägern leicht gefallen wäre, rund 190.000 S für die behauptete Schadensabwendung aufzubringen, hat der Beklagte nie behauptet. Von einem Geschädigten kann nicht verlangt werden, besondere Opfer auf sich zu nehmen, um einer Schadensausweitung entgegenzuwirken (1 Ob 17/90). Ob die Bereitstellung der genannten Summen den Klägern - selbst wenn ihnen eine Kreditaufnahme möglich gewesen wäre - objektiv zugemutet werden könnte, stellt jedenfalls keine Frage dar, der eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukäme. Die Frage, ob die Kläger zur subjektiven Zumutbarkeit Vorbringen hätten erstatten müssen, stellt sich damit nicht mehr.

Nach herrschender Ansicht kann auch der Schädiger zur Bevorschussung der Kosten einer Fahrzeugreparatur verhalten sein, wenn der Geschädigte zur Kostentragung nicht leicht in der Lage ist (Koziol aaO Rz 12/104). Der Schädiger darf die Schadensentwicklung nicht tatenlos hinnehmen, wenn er die Vergrößerung des Schadens durch entsprechende Zahlungen verhindern kann (Harrer aaO § 1304 ABGB Rz 19). Die Erwägungen der zweiten Instanz halten sich in diesem Rahmen, zumal dem Geschädigten dann, wenn er Aufwendungen macht, um den Schaden abzuwenden oder zu mindern, diese ohnehin als Schaden vom Schädiger zu ersetzen sind (Koziol aaO Rz 12/93).

b) Ob der Erstrichter ausdrückliche Feststellungen über die Entgeltlichkeit der vom Beklagten als Vertragsverfasser in concreto entfalteten Tätigkeit getroffen hat oder nicht, ist hier unerheblich

Die Worte "gegen Belohnung" in § 1300 erster Satz ABGB stellen klar, daß (nur) Gefälligkeitsäußerungen keine Haftung begründen können. Eine Haftung besteht daher immer dann, wenn der Rat oder die Auskunft im Rahmen eines Verpflichtungsverhältnisses erteilt wird; Entgeltlichkeit ist nicht erforderlich; entscheidend ist vielmehr, ob der Rat selbstlos erfolgte (JBl 1991, 249; SZ 68/60 ua; RIS-Justiz RS0044121; Harrer aaO § 1300 ABGB Rz 2 mwN). Die Beratung erfolgt nicht "selbstlos", wenn sie der Vorbereitung eines entgeltlichen Geschäfts dient (Harrer aaO § 1300 ABGB Rz 2 mwN). Angesichts der Entgeltlichkeit der Tätigkeit des Beklagten bei zwei früheren für die Kläger errichteten Kaufverträgen kann von "Selbstlosigkeit" der Tätigkeit des Beklagten hier wohl keine Rede sein, mag er im vorliegenden Fall auch kein Entgelt gefordert haben.

Von einer auffallenden berufungsinstanzlichen Fehlbeurteilung kann in keinem Punkt gesprochen werden. Erhebliche Rechtsfragen stellen sich nicht zur Beurteilung. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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