European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00245.22V.1220.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 688,92 EUR (darin enthalten 114,82 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft, die unter jener des Beklagten liegt. Am 13. 10. 2019 trat auf der Liegenschaft des Beklagten sauberes Grundwasser an die Oberfläche und bildete ein kleines Rinnsal, das anschließend wieder im Boden versickerte. In weiterer Folge trat es auf der Liegenschaft der Kläger wieder zu Tage, wo es deren Garten durchfeuchtete.
[2] Das Erstgericht wies das Begehren der Kläger, der Beklagte sei schuldig, die Zuleitung von Wasser in Form eines Rinnsals von seinem Grundstück * auf ihre Liegenschaft, in eventu, vom Grundstück * über weitere Grundstücke seiner Liegenschaft auf ihren Grund, zu unterlassen, ab. In tatsächlicher Hinsicht konnte es nicht feststellen, dass der Austritt des Rinnsals auf dem Hang durch Maßnahmen des Beklagten, sei es durch Geländeveränderungen, Bewirtschaftung der Wiese mit Vieh oder Baumaßnahmen verursacht worden wäre. Dass es nach dem Jahr 2019 zu einem weiteren Eindringen von Wasser von einem Grundstück des Beklagten auf die Liegenschaft der Kläger gekommen wäre, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte die Revision über Antrag der Kläger gemäß § 508 ZPO für zulässig. Es fehle – soweit ersichtlich – Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob „auch Feststellungen zum früheren Zustand des Geländes und zur früheren landwirtschaftlichen Nutzung der gegenständlichen Wiese erforderlich sind, um beurteilen zu können, ob die nachteiligen Auswirkungen der landwirtschaftlichen Nutzung des Nachbargrundstücks hinzunehmen sind“.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die Revision der Kläger ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), nicht zulässig. Das ist kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):
[5] 1. Nach § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von seinem Grund ausgehenden Einwirkungen insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Eine unmittelbare Zuleitung ist nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung ohne besonderen Rechtstitel „unter allen Umständen“ unzulässig (RS0010528; vgl auch RS0010683).
[6] 1.1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erfordert eine unmittelbare Zuleitung im Sinn des § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB, dass sie durch eine „Veranstaltung“ bewirkt wird, die für eine Einwirkung gerade in Richtung auf das Nachbargrundstück hin ursächlich ist (RS0010635). Sie setzt voraus, dass durch den belangten Nachbarn überhaupt eine Veränderung (seines Grundstücks) erfolgte (vgl RS0117337 [T26]). Der Begriff „Veranstaltung“ soll ausdrücken, dass Auswirkungen der natürlichen Beschaffenheit des Nachbargrundes hinzunehmen sind (RS0010635 [T12]), nicht aber Änderungen der natürlichen Gegebenheiten, die zu Immissionen auf den Nachbargrund führen (RS0010635 [T3]), wie dies etwa bei einer Veränderung der natürlichen (Wasser‑)Abflussverhältnisse durch ein Bauwerk (RS0010635 [T22]; RS0115461 [T3]) oder der Änderung einer natürlichen Regenabflusssituation (RS0117337 [T1]) der Fall ist.
[7] 1.2. Anhaltspunkte dafür, dass der Wassereintritt am Grundstück der Kläger vom auf eine Änderung der natürlichen Gegebenheiten durch den Beklagten auf seinem Grundstück zurückzuführen wäre, liegen nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen gerade nicht vor. Auf eine Veränderung seines Grundstücks durch den Beklagten und damit auf eine unmittelbare Zuleitung im Sinn des § 364 Abs 2 2. Satz ABGB können sich die Kläger daher nicht berufen. Selbst wenn eine Änderung der Ablaufverhältnisse mit der ordnungsgemäßen Bearbeitung seines landwirtschaftlichen Grundstücks durch den Beklagten notwendigerweise einhergegangen sein sollte, läge keine unmittelbare Zuleitung vor (dazu 1 Ob 190/05f), die unter Berufung auf § 364 Abs 2 2. Satz ABGB untersagt werden könnte.
[8] 2. Kein Grundstückseigentümer ist verpflichtet, den natürlichen Wasserablauf zu verändern, damit das Wasser nicht auf ein (hangabwärts gelegenes) Grundstück gelangt (RS0010546; 1 Ob 279/02i mwN). Daher kommt es auf die Frage, ob die Einwirkung durch solches Wasser das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigt und die ortsübliche Benutzung der betroffenen Liegenschaft wesentlich beeinträchtigt, nicht an. Denn selbst wenn das so wäre, hätten die Kläger das hinzunehmen, solange keine direkte Zuleitung vorliegt (oben Punkt 1.).
[9] 3. Mangels direkter Zuleitung ist auch unerheblich, wie die Grundstücke der Kläger früher genutzt wurden oder, ob der Wasserzufluss bei deren Erwerb vorhersehbar war. Auf die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage kommt es daher nicht an.
[10] 4. Dies führt zur Zurückweisung der Revision. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
[11] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel der Kläger entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig ist. Die darauf entfallenden Kosten erweisen sich damit als zur Rechtsverteidigung zweckmäßig und sind ihm daher zu ersetzen.
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