OGH 1Ob241/99v

OGH1Ob241/99v27.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz L*****, vertreten durch Dr. Martin Prunbauer, Dr. Wolfram Themmer und Dr. Josef Toth, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Thomas P*****, vertreten durch Dr. Karl Haas, Dr. Georg Lugert und Mag. Andreas Friedl, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen 77.000 S sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 23. März 1999, GZ 36 R 64/99a-16, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 6. Juli 1999, GZ 36 R 64a/99a-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 30. Dezember 1998, GZ 3 C 236/98p-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Berufungsurteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zurückverwiesen und diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Im Rechtsstreit der Parteien über die Zahlung des restlichen Entgelts für die Lieferung und Aufstellung eines gebrauchten Finnblockhauses (im folgenden nur Holzhaus) von 77.000 S sA war auch strittig, ob Vertragspartner des Beklagten der Kläger oder eine namensgleiche Gesellschaft mbH war.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Unabhängig vom Einwand der mangelnden aktiven Klagelegitimation sei die Restforderung (3. Rate) jedenfalls noch nicht fällig, weil eine WC-Türe verkehrt eingebaut worden sei und noch Teile (Holzbalkenteile und Vorköpfe) fehlten.

Der Kläger rügte in seiner Berufung sowohl die erstinstanzlichen Feststellungen als auch die unterlassene Aufnahme von ihm beantragter Beweise und bekämpfte weiters die erstgerichtliche "Feststellung", es lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen, ob ein "Kaufvertrag" mit dem Kläger zustande gekommen sei. Nach dem Inhalt des Protokolls über die Berufungsverhandlung vom 23. März 1999 erklärten sich die Parteienvertreter "nach Erörterung i.S. der §§ 496 Abs 1 Z 3 und § 488 Abs 4 ZPO mit einer Verlesung der erstinstanzlichen Beweisergebnisse (Beweisergänzung im Sinn der Berufungsanträge) einverstanden". Sodann verlas das Berufungsgericht "einverständlich die erstinstanzlichen Beweisergebnisse" einschließlich eines näher bezeichneten Akts und bestätigte das Ersturteil aus anderen Gründen, wobei es sich im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten ließ:

Die erstgerichtlichen Feststellungen über die unvollständigen Lieferung des Holzhauses beruhten auf einem mangelhaften Verfahren und reichten auch zur abschließenden rechtlichen Beurteilung nicht aus, sodaß es einer Auseinandersetzung mit dem Einwand der mangelnden Aktivlegitimation bedürfe. Dazu seien die erstgerichtlichen Urteilsannahmen widersprüchlich: Denn der Erstrichter habe zur Aktivlegitimation zunächst ausgeführt, es sei sich nicht zweifelsfrei feststellbar, ob der Beklagte das Holzhaus vom Kläger oder von der Gesellschaft mbH gekauft habe, später jedoch noch hinreichend deutlich klargestellt, die Frage, wer nun Verkäufer gewesen sei, könne aus rechtlichen Erwägungen dahingestellt bleiben. Vom Gericht zweiter Instanz werde zu diesem Streitpunkt zusammenfassend festgestellt, dem Kläger sei der Beweis eines vom Wortlaut des Vertrags Beilage 5 abweichenden übereinstimmenden Parteiwillens, daß er persönlich Vertragspartner des Beklagten gewesen sei, nicht gelungen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der zweiten Instanz nachträglich im Verfahren nach § 508a ZPO zugelassene Revision des Klägers ist zulässig und mit ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt, weil das Berufungsgericht sein Verfahren durch seine bloß mittelbare Beweiswiederholung zur Frage der Aktivlegitimation des Klägers mit einer Mangelhaftigkeit belastete.

Erwägt das Berufungsgericht von den Feststellungen des Erstgerichts abzuweichen, so darf er nur dann von der neuerlichen Aufnahme eines in erster Instanz unmittelbar aufgenommenen Beweises Abstand nehmen und sich mit der Verlesung des Protokolls hierüber begnügen, wenn es vorher den Parteien bekanntgegeben hat, daß es gegen die Würdigung dieses Beweises durch das Erstgericht Bedenken habe, und ihnen Gelegenheit gegeben hat, eine neuerliche Aufnahme dieses Beweises durch das Berufungsgericht zu beantragen (§ 488 Abs 4 ZPO idFd WGN 1989 BGBl 1989/343). § 488 Abs 4 ZPO soll eine Überrumpelung der Parteien hintanhalten (stRspr, zuletzt 1 Ob 70/99x; Kodek in Rechberger, § 488 ZPO Rz 3); wird die dort vorgesehene Bekanntgabe unterlassen, so begründet die dennoch durchgeführte mittelbare Beweisaufnahme nach der zufolge § 463 Abs 1 ZPO auch im Berufungsverfahren geltenden (SZ 58/8 ua, zuletzt 1 Ob 70/99x; Rechberger in Rechberger § 281a ZPO Rz 5 mwN) Vorschrift des § 281a ZPO eine erhebliche Verletzung des Verfahrensrechts, sofern das vom Erstgericht unmittelbar verwertete Beweismittel auch dem Berufungsgericht - wie hier - zur Verfügung gestanden wäre (1 Ob 70/99x mwN).

Auf die Einhaltung dieser Verfahrensbestimmung können die Parteien, wie sich aus einem Größenschluß aus § 281a ZPO ergibt, verzichten. doch wurde damit dem Gesetz nicht Genüge getan. Denn bei richtiger Würdigung der den Parteien durch § 488 Abs 4 ZPO verbrieften Verfahrensrechte setzt die Rechtswirksamkeit eines Einverständnisses mit der Verlesung von Protokollen über unmittelbare Beweisaufnahmen voraus, daß bei den Parteien Klarheit über die als bedenklich erachtete oder vermißte (RZ 1993/91 ua; RIS-Justiz RS0042096) Feststellung besteht. Nur dann können sie entscheiden, ob sie ihren Standpunkt in der betreffenden Tatfrage bereits als fest genug erachten oder ihn noch durch den Eindruck einer unmittelbaren Beweisaufnahme erhärten wollen (EvBl 1997/68; immolex 1997, 139 ua, zuletzt 1 Ob 70/99x; RIS-Justiz RS0040339). Der in erster Instanz unterlegene Kläger konnte nach der von der zweiten Instanz vorgenommenen "Erörterung" nicht mit ausreichender Deutlichkeit erkennen, daß nunmehr gerade die entscheidungswesentliche Frage seiner Aktivlegitimation von der zweiten Instanz (zu seinem Nachteil) abschließend gelöst werde, hat doch das Berufungsgericht nur allgemein von "Beweisergänzung im Sinn der Berufungsanträge" gesprochen, wogegen der Kläger auch die Feststellungen zu dem vom Erstrichter gebrauchten Abweisungsgrund der mangelnden Fälligkeit sowohl unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit als auch der unrichtigen Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung massiv bekämpfte.

Die Nichteinhaltung der Vorschriften des § 488 Abs 4 ZPO iVm § 281a ZPO begründet nur dann eine erhebliche Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, wenn das Berufungsgericht aufgrund einer mangelhaften Beweiswiederholung oder mangelhaften Verfahrensergänzung von den Feststellungen der ersten Instanz abweichende und für die rechtliche Beurteilung relevante Feststellungen trifft: Das trifft hier zu.

Demnach ist der Revision Folge zu geben, ohne daß auf die übrigen Revisionsgründe einzugehen wäre. Der Kostenvorbehalt fußt auf § 52 Abs 1 ZPO.

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