OGH 1Ob178/15f

OGH1Ob178/15f17.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. Thomas K*****, und 2. Ing. Andrea S*****, beide vertreten durch die Goldsteiner Rechtsanwalt GmbH, Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Dr. Hans Kaska, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen 70.000 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 13. Juli 2015, GZ 13 R 102/15p‑28, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 28. Mai 2015, GZ 56 Cg 54/14p‑24, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00178.15F.0917.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die behaupteten sekundären Feststellungsmängel sind für die rechtliche Beurteilung nicht von Relevanz.

2. Sämtliche Parteien haben ihren (Wohn‑)Sitz in Österreich. Zu beurteilen ist ein reiner Binnensachverhalt. Nach § 104 Abs 1 Z 2 JN können sich die Parteien durch ausdrückliche Vereinbarung einem oder mehreren Gerichten erster Instanz namentlich angeführter Orte unterwerfen. Diese Vereinbarung muss im Bestreitungsfall urkundlich nachgewiesen werden. Das Erfordernis eines urkundlichen Nachweises stellt keine Formvorschrift, sondern eine Beweisregel dar (RIS‑Justiz RS0122413; zuletzt 4 Ob 46/11k). Ob den Klägern der urkundliche Nachweis einer Gerichtsstandsvereinbarung gelang, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig, weshalb nur im Fall einer im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung eine erhebliche Rechtsfrage vorläge. Das trifft hier nicht zu.

3.1. Bei einem Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung durch Dritte ist (seit der WGN 1989 erst) im Bestreitungsfall auch der urkundliche Nachweis der Bevollmächtigung notwendig (RIS‑Justiz RS0046936; RS0046958; 1 Ob 862/28 = SZ 10/243; 8 Ob 89/67 = EvBl 1968/45; 1 Ob 788/79 = SZ 53/4; Mayr in Rechberger 4 § 104 JN Rz 4; Simotta in Fasching/Konecny 3 § 104 Rz 26, 46; vgl RIS‑Justiz RS0046762). Das von den Klägern unterbreitete Anbot, das auf ihre eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bezug nahm, wurde nicht von einem Organ des beklagten Vereins unterfertigt, sondern vom Sohn des Obmanns unterschrieben. Die Kläger legten keine Urkunde über dessen Bevollmächtigung durch den Beklagten vor. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass unabhängig davon, ob der Sohn des Obmanns rechtsgeschäftlich erteilte oder Anscheinsvollmacht gehabt hätte, den Vertrag für den Beklagten zu unterschreiben, den Klägern der urkundliche Nachweis über dessen Bevollmächtigung nicht gelang, ist damit nicht zu beanstanden. Von diesem Erfordernis darf im Hinblick auf die Bestimmung des § 87a letzter Satz JN auch dann nicht abgesehen werden, wenn das materielle Recht für die Wirksamkeit einer Vollmacht deren schriftliche Abfassung nicht verlangt (1 Ob 862/28 = SZ 10/243; 8 Ob 89/67 = EvBl 1968/45).

3.2. Eine ohne (nachgewiesene) Vollmacht abgeschlossene Zuständigkeitsvereinbarung kann allerdings durch nachträgliche Zustimmung genehmigt werden, indem etwa die Klage beim vereinbarten Gerichtsstand eingebracht wird und der Kläger so zum Ausdruck bringt, dass er zu der in seinem Vollmachtsnamen abgeschlossenen Zuständigkeits-vereinbarung steht (1 Ob 774/78 = RZ 1980/63, 271; RIS‑Justiz RS0046830; 1 Ob 788/79 = SZ 53/4; RIS‑Justiz RS0019740; Mayr aaO; Simotta aaO Rz 26). Ein gesonderter urkundlicher Nachweis zum Abschluss der Vereinbarung muss vom Kläger aber dann beigebracht werden, wenn der Beklagte nicht selbst, sondern durch einen Bevollmächtigten unterschrieben hat (8 Ob 89/67 = EvBl 1968/45; 1 Ob 774/78 = RZ 1980/63, 271; 1 Ob 788/79 = SZ 53/4; vgl § 87a letzter Satz JN: Nachweis der Vollmacht des Bestellers).

Mit dem vom Sohn des Obmanns in dessen Auftrag unterfertigten Schreiben des Beklagten vom 28. 3. 2014 kündigte dieser die Vereinbarung „mit umgehender Wirkung“ auf. Die Beurteilung des Rekursgerichts, die Kündigung des Vertrags habe nicht den Erklärungswert (§ 863 ABGB) gehabt, dass damit ein urkundlicher Nachweis einer Bevollmächtigung für den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung erbracht werden könnte, und überdies sei das Kündigungsschreiben vom Sohn des Obmanns der Beklagten unterschrieben, ohne dass auch insofern ein urkundlicher Nachweis über seine Bevollmächtigung vorgelegt worden wäre, ist jedenfalls vertretbar. Auch das nachfolgende Schreiben des Rechtsvertreters des Beklagten, in dem die Werklohnforderung der Kläger bestritten wird, enthält keine „nachträgliche Genehmigung des Vertragsverhältnisses“ (gemeint: der Gerichtsstandsvereinbarung).

4. Auf die Frage der Einbeziehung der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kläger enthaltenen Gerichtsstandsklausel kommt es damit nicht mehr an. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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