OGH 1Ob788/79

OGH1Ob788/7916.1.1980

SZ 53/4

Normen

ABGB §1016
JN §104
ZPO §473
ZPO §526
ZPO §526 Abs1
ABGB §1016
JN §104
ZPO §473
ZPO §526
ZPO §526 Abs1

 

Spruch:

Für den Nachweis einer Gerichtstandsvereinbarung kann auch eine Urkunde genügen, auf der die Unterschrift des Beklagten nur im Durchschreibeverfahren angebracht wurde

OGH 16. Jänner 1980, 1 Ob 788/79 (LG Salzburg 32 R 175/79; BG Salzburg 11 C 1468/78)

Text

Der Kläger begehrt den Zuspruch eines Betrages von 5262 S samt Anhang für zwei Rolläden, die er an den Beklagten verkaufte und lieferte.

Nachdem der Beklagte die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes Salzburg erhoben hatte, stützte sich der Kläger auf den Wahlgerichtsstand nach § 104 JN. Er legte zum urkundlichen Nachweis die Durchschrift des Auftrages vom 22. April 1977 vor, aus der sich ergibt, daß der Gerichtsstand Salzburg ist.

In der Sache brachte der Beklagte vor, niemals einen Auftrag zur Lieferung und Montage von Rolläden erteilt zu haben; das Auftragsschreiben, das die Gerichtstandsvereinbarung enthält, habe er nicht unterfertigt.

Das Erstgericht, das über die Einrede der Unzuständigkeit nicht abgesondert verhandelte, hat mit dem ins Urteil aufgenommenen Beschluß die Einrede des Beklagten verworfen und dem Klagebegehren stattgegeben. Es stellte fest, daß der Beklagte die Rolläden beim Angestellten des Klägers Peter B bestellt und das Auftragsformular unterschrieben habe. Die Rolläden seien in der Folge an den Beklagten geliefert worden.

Der Beklagte bekämpfte (gemäß § 261 Abs. 3 ZPO zutreffend: JBl. 1979, 373; JBl. 1965, 521 u. a.) mit Berufung sowohl die Verwerfung der Unzuständigkeitseinrede als auch die Stattgebung des Klagebegehrens, mit dem angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht (entgegen der Vorschrift des § 473 ZPO nach mündlicher Berufungsverhandlung) der als Rekurs behandelten Berufung gegen die Verwerfung der Unzuständigkeitseinrede Folge gegeben und den Beschluß dahin abgeändert, daß es der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit Folge gab und (entgegen § 475 Abs. 2 ZPO; Fasching IV 97) die Klage zurückwies. Die Vorlage einer Urkunde in Abschrift sei zur Erbringung des urkundlichen Nachweises nach § 104 JN nicht geeignet. Darüber hinaus habe nicht der Kläger, sondern sein Angestellter Peter B den Auftrag unterfertigt. Auch die Bevollmächtigung Peter B durch den Kläger hätte urkundlich nachgewiesen werden müssen.

Rechtliche Beurteilung

Über Rekurs des Klägers, der als zulässig angesehen wurde (§ 519 Z. 2 ZPO, welche Vorschrift auch anwendbar ist, wenn zwar die Klage zurückgewiesen, die Nichtigkeit des Urteils und des vorangegangenen Verfahrens aber nicht ausdrücklich ausgesprochen wurde; EvBl. 1970/151; JBl. 1955, 506; Fasching IV, 411), hob der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache an dieses zur neuerlichen Entscheidung zurück.

Es trifft zwar zu, daß grundsätzlich bei Unterzeichnung der den Nachweis der Gerichtstandsvereinbarung enthaltenden Urkunde durch einen Bevollmächtigten auch die Bevollmächtigung schriftlich nachgewiesen werden muß (SZ 45/86; EvBl. 1968/45). Wurde eine Zuständigkeitsvereinbarung ohne Vollmacht des Klägers getroffen, liegt jedoch eine Genehmigung dieses Vorgehens allein schon darin, daß sich der Kläger bei Vorlage der Urkunde selbst auf das Handeln in seinem Namen beruft. Daß auch ein Handeln ohne Vollmacht im verfahrensrechtlichen Bereich nachträglich genehmigt werden kann, ergibt sich, wenn Zuständigkeitsvereinbarungen nicht ohnehin wie privatrechtliche Verträge zu beurteilen sind (so ZBl. 1931/210; Pollak, System[2], 298; dagegen Fasching I, 500 f.), aus den §§ 37, 38 ZPO, aber auch aus § 477 Abs. 1 Z. 5 ZPO. Nichts anderes kann für eine nachträgliche Zustimmung zu einem Vertrag gelten, der auch eine Gerichtstandsvereinbarung enthält. Ein gesonderter urkundlicher Nachweis zum Abschluß der Vereinbarung muß vom Kläger nur dann beigebracht werden, wenn der Beklagte nicht selbst, sondern durch einen Bevollmächtigten unterschrieben hat (1 Ob 774/78).

Im Rekurs wird ausgeführt, daß es sich bei der Urkunde vom 22. April 1977 nicht um eine nicht beglaubigte Abschrift des Auftrages, sondern um eine Durchschrift handle, der Schriftzug demnach im "Durchdruckverfahren" hergestellt worden sei.

Der urkundliche Nachweis nach § 104 Abs. 1 JN ist erbracht, wenn bis zur Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede eine vom Kläger eindeutig herrührende und vom Beklagten unterschriebene Urkunde, aus der sich die Gerichtstandsvereinbarung ergibt, dem Gerichte vorgelegt wird (SpR 230 alt u. a.; Fasching I, 504). Grundsätzlich muß die Unterschrift eigenhändig beigesetzt worden sein. Ein Faksimile, d. i. eine mit dem Original in Größe und Ausführung genau übereinstimmende Nachbildung bzw. Reproduktion, reicht daher nicht aus. Eine solche Reproduktion liegt aber nicht vor, wenn, wie hier, die Unterschrift im Durchschreibeverfahren hergestellt wurde. In diesem Fall stammt die Unterschrift handschriftlich vom Unterzeichner selbst, sein Namenszug ist nicht etwa wie bei Verwendung eines Stempels oder der Herstellung im Druckverfahren von dritter Hand, unter Umständen gegen den Willen dessen, von dem die Unterschrift stammt, auf die Urkunde gesetzt worden. Es kann auch die Echtheit der Unterschrift grundsätzlich überprüft werden, wenn sie bloß durchgepaust wurde. Eine im Durchschreibeverfahren hergestellte Unterschrift kann daher der Formerfordernisse des § 104 Abs. 1 JN genügen; ob sie deutlich genug erkennbar ist, ist eine Frage der Würdigung der Urkunde oder anderer Beweisergebnisse (vgl. BGH in BGHZ 47/10, 88; Baumbach - Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz[12], 79). Wäre die Urkunde, deren Durchschrift der Kläger vorlegte, vom Beklagten unterzeichnet, wäre daher der urkundliche Nachweis der Gerichtstandsvereinbarung im Sinne des § 104 Abs. 1 JN erbracht.

Obwohl das Erstgericht feststellte, der Beklagte hätte den Auftrag unterschrieben, kann der Rekurs allerdings dennoch nicht zur Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses führen.

Unabhängig davon, ob die Entscheidung des Erstgerichtes über die Verwerfung der Unzuständigkeitseinrede (bei abgesonderter Verhandlung und Ausfertigung ohne sofortige Aufnahme der Verhandlung in der Hauptsache) mit Rekurs (Fasching III, 208) oder gemäß § 261 Abs. 3 ZPO mit Berufung anzufechten ist, ist das Rechtsmittelverfahren nach im wesentlichen gleichen Grundsätzen abzuwickeln. Die Regelungen des Berufungsvorverfahrens (§ 473 Abs. 2 ZPO) und des Rekursverfahrens (§ 526 Abs. 1 ZPO) stimmen darin überein, daß das Rechtsmittelgericht zwar die ihm erforderlich erscheinenden Erhebungen durchführen oder veranlassen kann, aber keine mündliche Verhandlung anzuordnen hat. Die ohne Formalitäten und ohne Zuziehung der Parteien (SZ 46/25; RZ 1968, 108 u. a.) vorzunehmenden Beweisaufnahmen können daher nicht zu einer Umwürdigung der in erster Instanz unmittelbar aufgenommenen Beweise führen (SZ 22/40 u. a.; Fasching III, 896, IV, 383; Pokllak, System[2], 750). Es verschlägt nicht, daß bei Erledigung der Unzuständigkeitseinrede die zweite Instanz grundsätzlich an die Beweiswürdigung des Erstgerichtes gebunden ist, während bei zulässiger Anfechtung der gleichen Tatsachengrundlage mit Berufung in der Hauptsache das Berufungsgericht nach Beweiswiederholung zu anderen tatsächlichen Ergebnissen gelangen könnte. Durch die Eröffnung zweier Tatsacheninstanzen in der Hauptsache hat der Gesetzgeber vielmehr nur zum Ausdruck gebracht, daß für ihn die materielle Richtigkeit der Entscheidung in der Hauptsache einen höheren Stellenwert einnimmt als die Entscheidung prozessualer Fragen, die mit Beschluß zu erfolgen hat.

Die Beweiswürdigung des Erstgerichtes kann aber im Rekursverfahren und damit auch in jenen Fällen, in denen im berufungsgerichtlichen Vorverfahren zu entscheiden ist, dann angefochten werden, wenn das Erstgericht seine Feststellungen nur auf Grund mittelbarer Beweisaufnahmen und (oder) durch Urkundeneinsicht traf (EvBl. 1963/153; Pichler, Umwürdigung der Beweise im Rekursverfahren, JBl. 1975, 356 ff., insbesondere 362; vgl. Fasching IV, 384). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Der Zeuge Peter B wurde im Rechtshilfeweg durch das Bezirksgericht Klagenfurt, der Beklagte durch das Bezirksgericht Kufstein vernommen. Unmittelbare Beweisaufnahmen führte der Erstrichter überhaupt nicht durch. Der Auftrag vom 22. April 1977, auf dem sich die durchgepauste Unterschrift des Beklagten befinden soll, liegt im Akt. Da demnach der Berufungswerber auch zur Verwerfung der Unzuständigkeitseinrede zulässig die Beweiswürdigung des Erstgerichtes bekämpft, wird das Berufungsgericht im Vorverfahren erneut über diesen Teil der Berufung zu entscheiden haben.

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