European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00130.18A.0829.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Klägerin wurde durch einen vom Beklagten gefällten Baum schwer verletzt. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass der Beklagte den Unfall grob sorgfaltswidrig zu verantworten habe und daher trotz des Haftungsprivilegs nach § 176 Abs 3
ForstG 1975 hafte. Die Klägerin treffe kein relevantes Mitverschulden. Ein Schmerzengeld von 40.000 EUR sei angemessen. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. Die außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
2.1. Ob eine Fehlhandlung wegen ihres Gewichts oder mehrere, für sich genommen nicht grob fahrlässige Handlungen in ihrer Gesamtheit und Häufung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigen, bildet bei Vertretbarkeit der von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Beurteilung grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0044262 [T50]). Die Revision wäre nur zulässig, wenn der Sachverhalt auch bei weitester Auslegung den von der Judikatur für die Annahme oder die Verneinung grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspricht (RIS‑Justiz RS0087606 [T22]). Dies ist hier nicht der Fall.
2.2. Dass die Pflichtverletzungen des zur Einhaltung des Sorgfaltsmaßstabs des § 1299 ABGB verhaltenen Beklagten (RIS‑Justiz RS0058877 [T2]), nämlich das unterlassene Aufstellen einer Warntafel bergseits der Gefahrenstelle, obwohl der Baum auf den an einem sonnigen Maifeiertag erkennbar häufig begangenen Wanderweg fallen sollte, die unterlassene Überwachung des Gefahrenbereichs durch einen kurzen Kontrollblick und das Unterlassen eines Warnrufs vor Setzen des Fällschnitts, insgesamt ein grobes Verschulden begründen, bedarf keiner Korrektur. Ob die fehlende Warntafel alleine eine grobe Fahrlässigkeit begründet, kann damit dahingestellt bleiben.
Soweit die Revision erkennbar versucht, die übrigen Sorgfaltsverstöße auszuklammern, ist dies verfehlt. Dass der Wanderweg äußerst übersichtlich gestaltet und der Beklagte weithin sichtbar gewesen sei, widerspricht den Feststellungen zur teilweise fehlenden bzw verdeckten Sicht der Klägerin auf den Beklagten. Dass die Klägerin die Gefahr aufgrund des wahrgenommenen Motorsägengeräusches erkennen hätte können, ändert nichts am insgesamt groben Verschulden des Beklagten (zum darauf gegründeten Mitverschuldenseinwand siehe Punkt 3). Die zur akustischen und optischen Erkennbarkeit der Schlägerungsarbeiten behaupteten Feststellungsmängel liegen aufgrund der zu diesem Thema getroffenen Feststellungen nicht vor. Ein inhaltliches Abweichen von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers begründet keinen rechtlichen Feststellungsmangel (RIS‑Justiz RS0053317 [T1]). Der der Entscheidung 6 Ob 193/00a zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil der gefällte Baum dort ua weit vom Weg entfernt stand und nicht auf diesen fallen sollte (dies war sogar auszuschließen), wohingegen der Baum hier aus Gründen der Arbeitsersparnis gerade auf den Weg fallen sollte, was erheblich strengere Sicherungsanforderungen begründet.
3.1. Bei Beurteilung des Mitverschuldens der Klägerin steht die Frage im Vordergrund, ob sie jene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Benutzer des Wanderwegs in ihrer Lage angewandt hätte, um eine Schädigung zu verhindern oder abzuwenden (vgl RIS‑Justiz RS0022681 [T15]). Das Ausmaß des Mitverschuldens begründet wegen seiner Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0087606 [T1]; RS0022681 [T8, T10, T11]). Das gilt auch für die Frage, ob ein Mitverschulden so gering ist, dass es gegenüber dem Verschulden des Beklagten gänzlich in den Hintergrund tritt und daher vernachlässigt werden kann (RIS‑Justiz RS0087606 [T7]). Eine Einzelfallentscheidung wäre vom Obersten Gerichtshof nur bei auffallender – hier nicht vorliegender –Fehlbeurteilung überprüfbar (vgl RIS‑Justiz RS0044088).
3.2. Dass die auf einem markierten und nicht wegen Forstarbeiten gesperrten Weg wandernde Klägerin kein relevantes Mitverschulden trifft, wenn sie trotz wahrgenommenen – allerdings einem anderen Ort zugeordneten – Motorsägengeräusch auf dem Wanderweg weiterging, ohne sich durch Einsicht in das (allerdings teilweise nicht oder nur schlecht einsehbare) Gelände der Herkunft des Geräusches zu vergewissern, den Weg nur besonders vorsichtig zu beschreiten und Kontakt mit dem Forstarbeiter aufzunehmen, ist jedenfalls vertretbar. Mangels Hinweises auf die Forstarbeiten durfte die Klägerin davon ausgehen, den Wanderweg gefahrlos benützen zu können. Das Berufungsgericht wies auch zutreffend darauf hin, dass ein Sägegeräusch nicht stets das Fällen eines Baums signalisiert, sondern auch bei sonstigen Holzarbeiten entsteht. Dass der Beklagte vor dem Fällen des Baums eine Pause einlegte, sodass die Motorsäge unmittelbar vor dem Unfall nur verhältnismäßig kurz (das Berufungsgericht ging von maximal 2 Minuten aus; der Beklagte in seiner Berufung sogar nur von rund eineinhalb Minuten) zu hören war, spricht ebenfalls gegen ein (ins Gewicht fallendes) Mitverschulden. Zusammengefasst begründet es angesichts der gravierenden Sorgfaltsverstöße des Beklagten keine zu korrigierende Fehlbeurteilung, dass das Berufungsgericht der Klägerin (wenn überhaupt) nur eine bloß vernachlässigbare Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten angelastet hat.
4. Die Revision wendet sich unter dem Titel des vermeintlich fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhangs gegen die Ursächlichkeit der unterlassenen Aufstellung einer Warntafel gemäß § 1 Abs 1, 3 und 10 Forstliche Kennzeichnungsverordnung (BGBl Nr 179/1976) iVm § 34 Abs 2 lit b ForstG für den Unfall der Klägerin. Der erste Anschein spricht dafür, dass (auch) die Klägerin eine aufgestellte Warntafel beachtet hätte. Bereits das Berufungsgericht wies darauf hin, dass nicht feststehe, dass die Klägerin eine verhängte Wegsperre (und damit eine aufgestellte Warntafel) ignoriert hätte. Entgegen seiner Ansicht ist es dem Beklagten (vgl auch 2 Ob 181/16f mwN) nicht gelungen, den ihn belastenden Anscheinsbeweis durch das Erwecken ernsthafter Zweifel zu widerlegen (vgl RIS‑Justiz RS0022599 [T3]; RS0027640 [T6, T8, T9, T12]); bloße – durch die Tatsachenfeststellungen nicht gedeckte – Spekulationen reichen dafür nicht aus.
5.1. Die Beurteilung des angemessenen Schmerzengeldes ist eine Frage des Einzelfalls und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Anderes gilt nur bei einer eklatanten Fehlbemessung, die aus dem Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung fällt (RIS‑Justiz RS0042887 [T5, T6; T10]). Die Bemessung hat nicht nach starren Regeln zu erfolgen, sodass es nicht nach Art eines Tarifs für einzelne Tage oder sonstige Zeiteinheiten aufgrund festgestellter Schmerzperioden berechnet werden kann. Vielmehr ist jede Verletzung in ihrer Gesamtauswirkung nach den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu betrachten und auf dieser Basis eine Bemessung vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0125618). Schmerzperioden können nur als Berechnungshilfe herangezogen werden (RIS‑Justiz RS0122794 [T4]). Es sind Art und Schwere der Veretzung, Art und Dauer der Schmerzen sowie die Dauer der Beeinträchtigung des Gesundheitszustands und die damit verbundenen Unlustgefühle zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0031474).
5.2. Das Berufungsgericht ging von diesen Grundsätzen aus und berücksichtigte auch, dass das Schmerzengeld tendenziell nicht zu knapp zu bemessen ist (RIS‑Justiz RS0031075 [T4]; RS0031040 [T5]). Dass es aufgrund der festgestellten Schmerzperioden, der langen Krankenhausaufenthalte, der langen Tragedauer eines Oberarmgipses, den zahlreichen Operationen in Narkose sowie der funktionellen Dauerfolgen und des psychisch beeinträchtigenden Wissens um mögliche Spätfolgen bei der gebotenen Globalbemessung 40.000 EUR als insgesamt angemessen ansah, stellt jedenfalls keine aus dem Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung fallende eklatante Fehlbemessung dar, welche die Zulässigkeit der Revision begründen würde (vgl RIS‑Justiz RS0031075 [T7]). Soweit die Revision eine Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs behauptet, wird keine dem Berufungsurteil entgegenstehende höchstgerichtliche Entscheidung genannt. Dass zur Beurteilung des konkreten Sachverhalts nur unzureichende Rechtsprechung vorliege, zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil eine solche nicht bereits dadurch begründet wird, dass ein völlig gleichartiger Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden wurde (RIS‑Justiz RS0107773). Dieser hat nicht bei jedem noch nicht judizierten Krankeitsbild – oder sonstigen Gesundheitsbeeinträchtigungen – die Höhe des zu ersetzenden Schmerzengeldbetrags festzulegen (RIS‑Justiz RS01077773 [T1]).
6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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