OGH 6Ob193/00a

OGH6Ob193/00a22.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Oskar T*****, vertreten durch Dr. Clement Achammer und andere Rechtsanwälte in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Arnold B*****, vertreten durch Dr. Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen 76.500 S, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 17. April 2000, GZ 4 R 71/00x-17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 14. Februar 2000, GZ 7 C 1484/99t-12, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 6.086,40 S (darin enthalten 1.014,40 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 11. 5. 1999 wurde der auf einem Forstweg abgestellte PKW des Klägers im Zuge von Holzschlägerungsarbeiten des Beklagten beschädigt. Dem Kläger entstand hiedurch ein Schaden von 76.500 S.

Der Forstweg ist durch das Verkehrszeichen "Fahrverbot-Forststraße" gemäß § 2 der Forstlichen Kennzeichungsverordnung gekennzeichnet, wird aber von Berechtigten bis zu fünf- oder sechsmal am Tag befahren und von Ausflüglern stark frequentiert. Der Beklagte hatte bereits einige Tage vor dem 11. 5. 1999 gemeinsam mit seinen Söhnen Schlägerungsarbeiten in der Nähe des Forstweges durchgeführt. Die zu schlagenden Bäume waren vom Kläger in seiner Eigenschaft als Waldaufseher angezeichnet worden. Bei diesen Schlägerungsarbeiten war der Forstweg abgesperrt worden. Am Unfallstag arbeitete der Beklagte allein im Wald. Der Forstweg war an diesem Tag nicht mit Hinweis- oder Absperrtafeln beschildert. Der Beklagte längte zuerst die bereits am Boden liegende Stämme ab. Anschließend begann er, einen abgebrochenen Baum umzusägen. Er plante, den Stamm in eine Richtung zu fällen, in der keine Holzstämme am Boden lagen. Er setzte einen Fallkeil in den Stamm und schlug einen Keil ein. Währenddessen näherte sich der Kläger, der sich auf einer Dienstfahrt als Waldaufseher befand, zufällig der späteren Unfallsstelle. Seine Aufgabe im Zusammenhang mit der vom Beklagten vorgenommenen Schlägerung war zwar mit der Anzeichnung der Stämme erledigt. Da er aber zufällig in der Nähe war, wollte er nachsehen, wie der Beklagte an Ort und Stelle die Aufräumungsarbeiten durchführte. Er stellte sein Fahrzeug am Forstweg neben jenem des Beklagten ab und ging in Richtung der dort befindlichen steilen Böschung. Der Arbeitsplatz des Beklagten befand sich ca 40 m vom Forstweg entfernt und war wegen dieser Böschung vom Forstweg aus nicht einsehbar. Als sich der Kläger ca 10 bis 15 m von seinem Fahrzeug entfernt hatte, drehte sich der vom Beklagten eingesägte Baumstamm um fast 180 Grad, fiel in eine andere als die vom Beklagten vorgesehen Richtung und schlug auf einem am Boden liegenden, ca 10 bis 12 m langen, halbseitig geschälten und vollständig von Ästen befreiten Stamm auf. Dieser wurde durch den Aufschlag angehoben, gedreht und kam ins Rutschen. In weiterer Folge rutschte der Stamm gegen das Fahrzeug des Klägers und beschädigte dieses.

Der Beklagte ist ein routinierter Holzarbeiter. Er hat aber den zu fällenden Baumstamm zu tief eingesägt. Sowohl abgebrochene als auch zu tief eingesetzte Stämme neigen dazu, in eine andere als die geplante Richtung zu fallen. Weder der zu fällende Stamm noch die herumliegenden Stämme waren mit Stahlseilen gesichert.

Der Kläger begehrt den Ersatz seines der Höhe nach außer Streit stehenden Schadens. Das Verschulden treffe den Beklagten, der den zu fällenden Baum zu tief eingesägt und die Holzfällerarbeiten in unmittelbarer Nähe zum stark frequentierten Forstweg durchgeführt habe, ohne für eine Absperrung und deren Kontrolle zu sorgen. Auf Grund der nassen Witterung wären beim Fällen des Baumes weitere Sicherungsmaßnahmen durchzuführen gewesen. Der Beklagte hätte die am Boden liegenden Baumstämme vor der Fällung entfernen und den zu fällenden Stamm mit einem Stahlseil absichern müssen. Der Kläger sei unmittelbar als Waldaufseher an den Holzschlägerungsarbeiten beteiligt gewesen, sodass das Haftungsprivileg des § 176 Abs 3 ForstG nicht zur Anwendung gelange. Im Übrigen falle dem Beklagten grobe Fahrlässigkeit zur Last.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er bestritt den Verschuldensvorwurf. Er habe den Baum sach- und fachgerecht gefällt und nicht damit rechnen müssen, dass ein Baumstamm bis auf den Forstweg abrutschen werde. Der Kläger sei an den Schlägerungsarbeiten nicht beteiligt gewesen. Da das Verhalten des Beklagten jedenfalls nicht grob sorgfaltswidrig gewesen sei, habe er gemäß § 176 Abs 3 ForstG für den Schaden nicht einzustehen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dem Beklagten komme das Haftungsprivileg des § 176 Abs 3 ForstG zugute, weil der Kläger im Sinne dieser Bestimmung nicht an der Waldbewirtschaftung beteiligt gewesen sei. Ein grobes Verschulden könne dem Beklagten nicht angelastet werden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob ein Waldaufseher, der zu einem früheren Zeitpunkt die zu fällenden Bäume angezeichnet habe, eine an der Waldbewirtschaftung beteiligte Person im Sinn des § 176 Abs 2 und 3 ForstG sei und ihm gegenüber das Haftungsprivileg des § 176 Abs 3 ForstG zum Tragen komme, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

§ 176 Abs 3 Forstgesetz 1975 idgF (kurz: ForstG) schränkt die Haftung des Waldeigentümers oder sonstiger, an der Waldbewirtschaftung mitwirkender Personen und deren Leute auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ein, wenn "im Zusammenhang mit Arbeiten im Zuge der Waldbewirtschaftung ein an diesen nicht beteiligter Mensch getötet, an seinem Körper oder an seiner Gesundheit verletzt oder eine ihm gehörige Sache beschädigt wird". Entsteht der Schaden in einer gesperrten Fläche, so wird nur für Vorsatz gehaftet.

Gegenüber dem an der Waldarbeit nicht Beteiligten wird daher erst bei grober Fahrlässigkeit, auf einer forstrechtlich gesperrten Waldfläche nur bei Vorsatz gehaftet. Diese Haftungseinschränkung hat über den Erholungsgebrauch des Waldes hinaus allgemeine Bedeutung und gilt nicht nur gegenüber dem Erholungssuchenden (6 Ob 689/85 = SZ 58/195; Bobek-Plattner-Reindl, Forstgesetz 19752 [1995], 531, Anm 1 zu § 176). Sie gilt allerdings nicht zwischen und gegenüber den an der Waldarbeit Beteiligten.

"Im Zusammenhang mit Arbeiten im Zuge der Waldbewirtschaftung" stehen insbesondere zur Begründung, Pflege und forstlichen Nutzung des Waldes dienende Arbeiten (6 Ob 689/85) und die erforderlichen Begleitarbeiten (Bobek-Plattner-Reindl aaO 535 Anm 8). Das Fällen eines (beschädigten) Baumes fällt daher jedenfalls darunter. Auch die Kennzeichnung zu fällender Bäume könnte unter diesem Begriff subsumiert werden.

Der Kläger hatte aber seine Kennzeichnungsarbeiten im Unfallszeitpunkt längst abgeschlossen. Er hat nicht behauptet, dass er als Aufsichtsorgan zur Überwachung der konkreten Schlägerungsarbeiten vom Waldeigentümer oder von einer sonstigen an der Waldbewirtschaftung mitwirkenden Person im Sinn des § 176 Abs 2 ForstG, der beispielsweise Nutznießer, Einforstungs- oder Bringungsberechtigte, Schlägerungs- oder Bringungsunternehmer nennt, eingesetzt war. Er war vielmehr zufällig auf einer allgemeinen Inspektionstour zur Unglücksstelle gelangt. Er wirkte an den Schlägerungen selbst nicht mit und hatte im Unfallszeitpunkt noch nicht einmal den Ort der Schlägerung erreicht. Seine Mitarbeit an den Schlägerungen war auch nicht vorgesehen.

Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass sich der Kläger in Ausübung seiner Funktion als Waldaufseher zum Arbeitsplatz des Beklagten hinbegeben wollte. Waldaufseher sind gemäß § 27 Vorarlberger Landesforstgesetz (LGBl 1979/28) besondere Hilfsorgane, die bei der Bezirkshauptmannschaft zur Mitwirkung bei der Erfüllung der behördlichen Aufgaben, die diesen in den Angelegenheiten des Forstwesens übertragen sind (Waldaufsicht) mit der Zuständigkeit für bestimmte örtliche Gebiete (Waldaufsichtsgebiete) eingerichtet sind. Sie sind Organe der öffentlichen Aufsicht und werden gemäß § 29 Abs 1 Vorarlberger LandesforstG von der Landesregierung bestellt. Daraus ergibt sich, dass der Waldaufseher mit der Waldnutzung durch den Waldeigentümer oder durch sonstige an der Waldbewirtschaftung mitwirkende Personen im Sinn des § 176 Abs 2 und 3 ForstG nichts zu tun hat. Sein Aufgabenbereich besteht vielmehr darin, als Organ der öffentlichen Aufsicht die Einhaltung der forstrechtlichen Bestimmungen zu überwachen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann er von der Behörde auch mit der dieser obliegenden Kennzeichnung von zu schlägernden Stämmen betraut werden (vgl insb § 1 Abs 3 und 5 sowie § 33 Vorarlberger LandesforstG). Er zählt damit jedenfalls nicht zu den Leuten des Waldeigentümers und auch nicht zu den an der Waldbewirtschaftung mitwirkenden Personen. Es ist daher fraglich, ob er überhaupt als ein "an Arbeiten im Zug der Waldbewirtschaftung beteiligter Mensch" im Sinn des § 176 Abs 3 ForstG angesehen werden kann. Jedenfalls aber spricht schon der Gesetzeswortlaut dafür, dass das Haftungsprivileg des § 176 Abs 3 ForstG nur dann ausgeschlossen ist, wenn der Geschädigte an den konkreten, den Schaden verursachenden Arbeiten unmittelbar, und zwar sowohl in zeitlicher als auch in örtlicher Hinsicht beteiligt war (".... ein an diesen nicht beteiligter Mensch .....").

Ist der Geschädigte an der aktuell zur Schädigung führenden Arbeit nicht beteiligt, so ist davon auszugehen, dass er für die an den Arbeiten mitwirkenden Personen zufällig und für diese nicht konkret kalkulierbar in den möglichen Gefahrenbereich gelangt. Dies gilt für einen erholungssuchenden Spaziergänger genauso wie für ein - unangemeldet und zufällig - des Weges kommendes Waldaufsichtsorgan. Gerade gegenüber diesen Personen sollte aber offensichtlich die mildere Haftung der in § 176 Abs 3 ForstG genannten Personen Platz greifen (vgl auch Bobek-Plattner-Reindl aaO 536).

Die Vorinstanzen haben daher zutreffend den Kläger als einen an den vom Beklagten durchgeführten Waldarbeiten Unbeteiligten qualifiziert und ihm gegenüber die Haftungseinschränkung auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Beklagten bejaht.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass dem Beklagten keine grobe Fahrlässigkeit anzulasten ist, ist ebenfalls aus den bereits von den Vorinstanzen umfangreich dargelegten Argumenten zu billigen. Die Haftungseinschränkung des § 176 Abs 3 ForstG bedeutet zwar für sich noch keine Einschränkung der Sorgfaltspflicht als der Verpflichtung zu der nach den Umständen des Einzelfalles erforderlichen und üblichen zumutbaren Vorsicht und Aufmerksamkeit. Vielmehr hat jeder zumindest die Sorgfalt eines Durchschnittsmenschen anzuwenden (§ 1296 ABGB), der bei der Waldbewirtschaftung Tätige darüber hinaus in der Regel auch die Sorgfalt eines Fachmannes im Sinn des § 1299 ABGB (6 Ob 689/85). Auch wenn § 34 Abs 2 lit b ForstG befristete Sperren für Gefährdungsbereiche der Holzfällung und Holzbringung bis zur Abfuhrstelle auf die Dauer der Holzerntearbeiten vorsieht, ist dem Beklagten zugutezuhalten, dass sich der zu fällende Baum etwa 40 m vom Forstweg entfernt befand. Zudem waren die eigentlichen Schlägerungsarbeiten bereits durchgeführt und es waren primär nur mehr Aufräumarbeiten zu verrichten. Da zwischen dem Forstweg und dem Baum eine beträchtliche Distanz bestand, war auszuschließen, dass der Baum, selbst wenn er nicht in die vorgesehene Richtung stürzen sollte, auf den Forstweg fallen werde. Im Hinblick auf diese Umstände ist im Unterlassen entsprechender Sicherungsmaßnahmen kein extremes Abweichen von der gebotenen Sorgfalt zu erblicken. Dass ein Baumstamm zu tief eingesägt wird und deshalb in der Folge in eine andere Richtung als in die geplante stürzt, ist ein Missgeschick, das selbst erfahrene Waldarbeiter nicht immer ausschließen können. Ein über das Unterlassen entsprechender Absperr- und sonstiger Vorsichtsmaßnahmen hinausgehendes Verschulden kann dem Beklagten nicht vorgeworfen werden. Es war daher auch nicht mehr weiter prüfen, ob sich der Kläger auch dann, wenn die Sperre des Weges oder des betreffenden Waldstückes gemäß § 1 Forstliche Kennzeichnungsverordnung (vgl insb Abs 9) erfolgt wäre, zum Beklagten hinbegeben hätte.

Die das Klagebegehren abweisenden Urteile der Vorinstanzen waren daher zu bestätigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

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