European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00119.17G.0628.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Ob die Wiedereinsetzung nicht zu bewilligen ist, weil es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens handelt (hier: nach § 21 AußStrG iVm § 146 Abs 1 ZPO), ist regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls abhängig (RIS‑Justiz RS0116535).
2. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von Rechtsanwälten sind diesen zuzurechnen und ermöglichen eine Wiedereinsetzung nur, wenn sie trotz der Einhaltung der berufsgebotenen Sorgfaltspflicht des Anwalts bei der Kontrolle der Termin‑ und Fristenevidenz und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen sind (RIS‑Justiz RS0036813). Ein einmaliges Versehen eines bewährten und verlässlichen Mitarbeiters steht der Bewilligung der Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht entgegen, wenn dem Anwalt kein Sorgfalts‑, Organisations- und Kontrollversehen vorgeworfen werden muss. Grobes Verschulden eines Parteienvertreters bei der Versäumung einer befristeten Prozesshandlung ist im Wiedereinsetzungsverfahren der Partei zuzurechnen (RIS‑Justiz RS0111777). Ein solches wird regelmäßig darin erblickt, wenn der unterlaufene Fehler auf einer mangelhaften Organisation beruht (RIS‑Justiz RS0127149). Berufsmäßige Parteienvertreter (Rechtsanwälte) unterliegen dabei dem erhöhten Haftungsmaßstab des § 1299 ABGB (7 Ob 18/13t mwN = RIS‑Justiz RS0127149 [T1]). Ein Rechtsanwalt muss eine Organisation schaffen, die es ermöglicht, auch offensichtlich leicht vorkommende Versehen im Nachhinein nachvollziehen und kontrollieren zu können. Er muss dafür sorgen, dass ein zugestelltes, noch nicht ausgedrucktes und noch dazu fristauslösendes Schriftstück nicht völlig außer Evidenz geraten kann, ohne dass ihm eine Kontrolle, ob alle eingelangten Schriftstücke auch vorgelegt werden, möglich ist (7 Ob 18/13t = RIS‑Justiz RS0127149 [T2]; vgl auch VfGH B 682/2013 und E 1208/2015 ua).
3. Ob die Beurteilung der Vorinstanzen, der Wiedereinsetzungsantrag sei verspätet gestellt worden, zutreffend ist, ist nicht entscheidend, denn ihre weitere Beurteilung, der Wiedereinsetzungsantrag sei inhaltlich nicht begründet, ist vertretbar. Der Oberste Gerichtshof hat (zu § 364 Abs 1 Z 1 StPO) bereits ausgesprochen, dass ein Rechtsanwalt verpflichtet ist, die Organisation seines Kanzleibetriebs so zu gestalten, dass auf jeden Fall zumindest auch der Sendebericht der im elektronischen Weg übermittelten Entscheidung angeschlossen wird. Wenn ein Rechtsanwalt die Einrichtung eines derartigen Kontrollsystems zur Überwachung von Fristen unterlässt, liegt ein Versehen minderen Grades nicht mehr vor (vgl 15 Os 37/10w, 15 Os 39/10i = RIS‑Justiz RS0125861 = jusIT 2010/62, 137 [Thiele]).
Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass– abgesehen von der übersehenen Zustellung des Aufteilungsbeschlusses – wegen des unterlassenen Ausdrucks des Zustellprotokolls, aus dem der Inhalt der Sendung (hier: das Verhandlungsprotokoll und der erstinstanzliche Aufteilungsbeschluss) ersichtlich gewesen wäre, und dessen nicht erfolgter Überprüfung ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden vorliege, ist nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin hält dieser Beurteilung keine konkreten inhaltlichen Argumente entgegen, sodass sie auch keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen vermag.
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