VfGH B682/2013

VfGHB682/201315.6.2015

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags wegen Versäumung der Frist zur Einbringung eines nachträglichen Abtretungsantrags an den VwGH; "Verschwinden" eines rechtswirksam über webERV zugestellten Ablehnungsbeschlusses kein minderer Grad des Versehens; Zurückweisung des Abtretungsantrags als verspätet

Normen

VfGG §33,§87 Abs3
ZPO §146
VfGG §33,§87 Abs3
ZPO §146

 

Spruch:

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 12. September 2013 die Behandlung der vom Antragsteller erhobenen Beschwerde ab. Dieser Beschluss wurde seiner Rechtsvertretung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs am 4. November 2013 zugestellt.

Mit am 24. November 2014im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachtem Schriftsatz begehrt der Antragsteller nunmehr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Antrages auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und holt diesen Antrag unter einem nach.

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt er im Wesentlichen aus, dass der Beschluss vom 12. September 2013 im "System der Rechtsvertretung nicht vorgefunden" habe werden können. Der Beschluss sei auch im elektronischen Eingangsbuch nicht erfasst worden. Der Posteingang über webERV werde ausschließlich seitens einer Dienstnehmerin erledigt. Diese rufe im Normalfall den webERV ab, drucke sämtliche Posteingangsstücke aus und lege diese gemeinsam mit der übrigen Post in einer Postmappe den beiden Geschäftsführern der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers zwecks Fristenkontrolle vor. Weiters führt der Antragsteller wörtlich aus:

"Sollte gegenständlich tatsächlich eine rechtswirksame Zustellung über webERV erfolgt sein, müsste im Computersystem der Rechtsvertretung ein Fehler vorgelegen sein, oder aber ein – einmaliger – Fehler der Angestellten der Vertretung des Beschwerdeführers passiert sein, wobei letzteres nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen darf (so auch Mayer, B‑VG4 (2007) §33 VfGG Anm II.3.)."

Die erwähnte Angestellte der Vertretung des Beschwerdeführers bestätigt im Antrag mit ihrer Unterschrift die Richtigkeit obiger Ausführungen.

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Abtretungsantrages gemäß §87 Abs3 VfGG ist zulässig, aber nicht begründet:

2.1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B‑VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.

2.1.1. Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.

2.1.2. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

2.2. Das (behauptete) Hindernis für die rechtzeitige Einbringung des Abtretungsantrages fiel am 17. November 2014 weg. Mit dem am 24. November 2014im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher diese Frist gewahrt.

2.3. Jedoch kann von einem minderen Grad des Versehens des Bevollmächtigten des Antragstellersim vorliegenden Fall nicht gesprochen werden:

2.3.1. Der Antragsteller wirft zunächst die Frage auf, ob eine rechtswirksame Zustellung über webERV tatsächlich erfolgt sei.

Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass der Beschluss im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs am 4. November 2013 zugestellt wurde: Die "Jusline GmbH", eine Übermittlungsstelle gemäß §3 Abs1 Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr, BGBl II 481/2005, derer sich der Rechtsvertreter des Antragstellers bedient hat, hat nach Aufforderung durch den Verfassungsgerichtshof gemäß §8 Abs3 Geschäftsordnung des Verfassungsgerichtshofs über die elektronische Durchführung von Verfahren, BGBl II 218/2013, die bezughabenden "Logaufzeichnungen" bekannt gegeben. Diesen zufolge langte die Ausfertigung des Beschlusses vom 12. September 2013 am 4. November 2013 um 11:50 Uhr im elektronischen Verfügungsbereich der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ein und wurde am selben Tag um 18:18 Uhr übernommen. Das vom Antragsteller vorgelegte "webERV-Posteingangsprotokoll" seiner rechtsfreundlichen Vertretung, in dem sich kein entsprechender Eintrag findet, bildet keinen Beweis des Gegenteils, weil auf diesem Protokoll eine Filtereinstellung "Empfangsdatum 05.11.2014", also ein anderer Tag vermerkt ist. Der Verfassungsgerichtshof geht daher von einer rechtswirksamen Zustellung aus. Die bloße Behauptung eines Fehlers bei der Zustellung ohne substantiierte Ausführungen vermag einen Hinderungsgrund iSd §146 ZPO nicht darzutun (VfGH 20.2.2014, B1077/2013).

2.3.2. Der Antragsteller bringt für den Fall der rechtswirksamen Zustellung vor, dass dann entweder im Computersystem der Rechtsvertretung ein Fehler vorgelegen sein müsse oder aber der Angestellten der Rechtsvertretung ein – einmaliger – Fehler passiert sei.

Damit wird aber nicht dargetan, warum der Beschluss vom 12. September 2013 nicht in das "System der Rechtsvertretung" gelangt sei und dass dies nicht zumindest auf einem "minderen Grad des Versehens" auf Seiten des Rechtsvertreters des Antragstellers beruhte. Das Aufzeigen einer bloßen Möglichkeit ohne substantiierte Behauptungen vermag einen Hinderungsgrund iSd §146 ZPO nicht darzutun (VfSlg 18.303/2007).

Es gehört zu einer den gebotenen Sorgfaltsmaßstäben entsprechenden Kanzleiorganisation, u.a. Kontrollmechanismen anzulegen, die gewährleisten, dass jedenfalls Geschäftsstücke, die ordnungsgemäß zugestellt wurden, in der Kanzlei der notwendigen weiteren Bearbeitung zugeführt werden; der Verfassungsgerichtshof wertet es daher nicht als leichte Fahrlässigkeit, wenn ein solches Schriftstück "verschwindet", ohne dass sein Fehlen in der Folge bemerkt wird (vgl. VfSlg 14.929/1997, 16.611/2002), wenn nicht konkrete Umstände dargetan werden, die dies ausnahmsweise zur Folge gehabt haben.

2.4. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen ist.

3. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wurde erst nach Ablauf der zweiwöchigen Frist (§87 Abs3 VfGG) eingebracht und ist somit als verspätet zurückzuweisen.

4. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

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