OGH 1Ob104/17a

OGH1Ob104/17a28.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der A***** M*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Betroffenen, vertreten durch den Sachwalter Mag. M***** K*****, Rechtsanwalt in Brunn am Gebirge, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 4. April 2017, GZ 16 R 87/17h‑46, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 6. Februar 2017, GZ 19 P 68/15h‑41, teils bestätigt und der dagegen erhobene Rekurs teils zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00104.17A.0628.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

 

Begründung:

Mit Beschluss vom 2. 5. 2016, GZ 19 P 68/15h‑27, bestellte das Erstgericht Rechtsanwalt Mag. Maximilian K***** zum Sachwalter für die Betroffene zur Erledigung sämtlicher Angelegenheiten. Bereits in seinem Antrittsbericht vom 27. 6. 2016 verwies er darauf, dass seines Erachtens keine Notwendigkeit für eine Sachwalterschaft bestehe, weil die Betroffene gut orientiert sei und keine Angelegenheiten vorlägen, die für sie zu besorgen wären. Er beantrage, die Sachwalterschaft „einzustellen“, in eventu, an seiner Stelle den Lebensgefährten der Betroffenen zum Sachwalter zu bestellen. Diese Anträge wiederholte der Sachwalter mit seinem Schriftsatz vom 11. 7. 2016 und verwies auch in Folgeschriftsätzen darauf, dass seiner Ansicht keine zu besorgenden Angelegenheiten vorlägen, weswegen die Sachwalterschaft „einzustellen“ sei.

Das Erstgericht wies die Anträge ab.

Dagegen richtete sich der vom Sachwalter verfasste Rekurs, in dem er zwar die Betroffene anführte, als Rekurswerber aber sich selbst bezeichnete. Inhaltlich wendete sich der Rekurs aber primär dagegen, dass die Sachwalterschaft aufrecht erhalten werde, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen. Unter anderem wurde geltend gemacht, dass die Betroffene ihren Alltag gut meistere und wiederholt bekundet habe, keinen Sachwalter mehr zu wollen. In eventu hielt er seinen Antrag, den Lebensgefährten der Betroffenen zum Sachwalter zu bestellen, aufrecht.

Das Rekursgericht wies das Rechtsmittel, soweit es sich gegen die Abweisung des Antrags auf „Einstellung“ des Sachwalterschaftsverfahrens richtete zurück, und gab ihm im Umfang der Abweisung des auf Umbestellung der Person des Sachwalters gerichteten Eventualbegeherens nicht Folge. Zur Zurückweisung des Hauptbegehrens führte es rechtlich aus, im Verfahren über die Beendigung, Einschränkung und Erweiterung der Sachwalterschaft kämen dem bereits bestellten Sachwalter die Aufgaben des Verfahrenssachwalters zu. Ein Rekursrecht bestehe daher nicht im eigenen Namen des Sachwalters, sondern nur im Namen und im Interesse der betroffenen Person, weil das Sachwalterbestellungsverfahren ausschließlich deren Wohl und nicht auch dem Interesse ihres Vertreters diene. Mit dem im eigenen Namen erhobenen Rekurs verfolge der Sachwalter vor allem eigene Interessen, weswegen das Rechtsmittel zurückzuweisen sei, soweit es sich gegen die Abweisung des Antrags auf Einstellung des Verfahrens wende. Anders verhalte es sich zwar in Bezug auf die beantragte Umbestellung der Person des Sachwalters, doch könnten den Ausführungen des Rekurses beachtliche Gründe für eine solche nicht entnommen werden, weswegen dem Rechtsmittel, insoweit nicht Folge zu geben sei.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen, vertreten durch den Sachwalter, der entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) zulässig und im Sinn des in eventu gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt ist.

Rechtliche Beurteilung

1. Die erstmals im Antrittsbericht vom 2. 5. 2016 und damit nach Wirksamkeit der Bestellung des Sachwalters (dazu 6 Ob 157/15d = RIS-Justiz RS0130296) erhobene Forderung, das Sachwalterschaftsverfahren „einzustellen“, zielte inhaltlich auf eine Beendigung des Verfahrens nach § 128 AußStrG und nicht auf eine – nach Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses nicht mehr mögliche – Einstellung des Sachwalterbestellungsverfahrens nach § 122 AußStrG ab. Die Falschbenennung in den Anträgen und Rechtsmitteln schadet ebenso wenig, wie der Umstand, dass sich das Erstgericht ausdrücklich auf § 122 AußStrG bezog.

2. Welchen Personen eine Rechtsmittelbefugnis für die

Beendigung oder Einschränkung der

Sachwalterschaft zukommt, ergibt sich aus der Bestimmung des § 127 AußStrG über das Rekursrecht im Bestellungsverfahren, auf die § 128 AußStrG verweist. Das ist neben der betroffenen Person unter anderem der Sachwalter. § 

127 AußStrG ist (iVm § 128 AußStrG) gegenüber den allgemeinen Bestimmungen eine Sonderregelung der Rechtsmittelbefugnis im Verfahren über die Beendigung einer Sachwalterschaft (1 Ob 173/07h). Das Rekursrecht der darin neben der betroffenen Person genannten Personen besteht nach herrschender Auffassung jedoch nicht im eigenen Namen, sondern nur im Namen und im Interesse der betroffenen Person (8 Ob 83/09b; vgl 1 Ob 120/16b; RIS‑Justiz RS0125240; Schauer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 127 Rz 5).

3.1 Grundsätzlich zutreffend ist das Rekursgericht daher davon ausgegangen, dass dem Sachwalter, dem im Verfahren über die Beendigung der Sachwalterschaft die Aufgaben eines Verfahrenssachwalters zukommen (§ 128 Abs 1 zweiter Halbsatz), kein Rekursrecht im eigenen Namen zukam, soweit mit dem angefochtenen Beschluss auch die Verfahrensbeendigung abgelehnt wurde. Insoweit konnte er nur im Namen der Betroffenen Rekurs erheben.

3.2 Nun hat der Sachwalter den Rekurs zwar formal im eigenen Namen erhoben, im Rechtsmittel hat er aber entgegen der Ansicht des Rekursgerichts in erster Linie die Interessen der Betroffenen vertreten, wenn er geltend machte, dass die Voraussetzungen für eine Sachwalterbestellung nicht vorlägen und die Betroffene selbst die Beendigung des Verfahrens wünsche, weil er damit jedenfalls auch die Verletzung deren Selbstbestimmungsrechts relevierte. Nach dem Grundsatz der „sacherledigungsfreundlichen Auslegung“ wäre daher im Zweifel davon auszugehen gewesen, dass der Rekurs von der allein rechtsmittellegitimierten Person, nämlich der Betroffenen, erhoben wurde (RIS-Justiz RS0109396 [T1]; 10 Ob 25/16y).

Ein allenfalls in Betracht zu ziehendes Verbesserungsverfahren (vgl RIS-Justiz RS0113783) kann im nunmehrigen Verfahrensstadium jedenfalls unterbleiben, weil im Revisionsrekurs klargestellt wurde, dass als rekurswerbende Partei die Betroffene anzusehen ist (vgl 10 Ob 66/08s). Unter dieser Voraussetzung ist das Revisionsrekursverfahren einseitig, sodass sogleich über das außerordentliche Rechtsmittel entschieden werden kann.

4. Das Rechtsmittel ist damit insgesamt als zulässig zu werten, sodass die Zurückweisung des Rekurses, soweit sich dieser gegen die Abweisung des Antrags auf Beendigung des Verfahrens richtete, zu Unrecht erfolgte. Das führt zur Aufhebung der Entscheidung des Rekursgerichts, wobei davon auch die inhaltliche Erledigung des Antrags auf Umbestellung erfasst ist, weil dieser lediglich eventualiter gestellt wurde, sodass darüber nur abzusprechen ist, wenn der Hauptantrag abgewiesen wird. Das Rekursgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren zunächst über den – wenn auch nicht (ausdrücklich) im Namen der Betroffenen, so doch in deren Interesse – erhobenen Rekurs gegen die Entscheidung über die Ablehnung der Verfahrensbeendigung eine Sachentscheidung zu treffen und danach allenfalls über den Eventualantrag abzusprechen haben.

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