Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird - soweit damit der Rekurs gegen die Punkte 1. (Fortsetzung des Verfahrens) und 3. (Bestellung einer Sachverständigen) zurückgewiesen wurde - bestätigt.
Im Übrigen - nämlich hinsichtlich der Zurückweisung des Rekurses gegen die Bestellung eines Verfahrenssachwalters (Punkt 2. des erstinstanzlichen Beschlusses) - wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sachwalterschaftssache zur inhaltlichen Entscheidung über den Rekurs an das Rekursgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Über Anregung des Amtes für Soziales der Stadt Innsbruck lud das Erstgericht die betroffene Person für den 19. 9. 2007 zur Erstanhörung. Dieser (verfahrenseinleitende) Beschluss wurde von der Mutter der betroffenen Person als deren Vertreterin bekämpft, jedoch vom Rekursgericht mit Beschluss vom 5. 10. 2007 bestätigt. Den gegen diesen Beschluss des Rekursgerichts erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 28. 4. 2008 zu 8 Ob 30/08g mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurück.
Mit Beschluss vom 5. 1. 2009 sprach das Erstgericht nunmehr - nach der mittlerweile durchgeführten Erstanhörung - aus, das Verfahren fortzusetzen (Pkt. 1). Ferner bestellte es einen Verfahrenssachwalter (Pkt. 2) und eine gerichtlich beeidete Sachverständige zur weiteren Abklärung des gesundheitlichen Zustands der betroffenen Person (Pkt. 3).
Gegen diesen Beschluss erhob die Mutter der betroffenen Person als deren Vertreterin Rekurs mit dem Antrag, die erstgerichtliche Entscheidung iSd Einstellung des Sachwalterschaftsverfahrens abzuändern; hilfsweise stellte sie einen Aufhebungsantrag.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht diesen Rekurs zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Der Rekurs richte sich offensichtlich gegen die Fortsetzung des Verfahrens, während die Person des Verfahrenssachwalters und der bestellten Sachverständigen nicht bekämpft werde. Angefochten werde daher keine Sachentscheidung, sondern nur ein verfahrensleitender Beschluss nach einer rechtskräftigen Verfahrenseinleitung. Gemäß § 45 AußStrG seien aber verfahrenseinleitende Beschlüsse, soweit nicht ihre selbständige Anfechtbarkeit angeordnet sei, nur mit Rekurs gegen die Entscheidung in der Hauptsache anfechtbar. Da die selbständige Anfechtbarkeit des hier bekämpften verfahrensleitenden Beschlusses nicht angeordnet sei, sei der Rekurs daher nicht zulässig. Der Einwand der Rekurswerberin, das Erstgericht sei dem Antrag auf Einstellung des Sachwalterschaftsbestellungsverfahrens nicht nähergetreten, sodass insoweit eine Sachentscheidung über die Sachwalterschaft vorliege, sei unzutreffend. Die Bestellung der Sachverständigen und der an sie erteilte Gutachtensauftrag dienten lediglich der Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage, um dem Gericht die in § 13 Abs 1 AußStrG angeordnete „erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung des Verfahrensgegenstands" zu ermöglichen. Der Rekurs sei daher zurückzuweisen. Da sich das Rekursgericht an der einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs habe orientieren können, sei der ordentliche Revisionsrekurs nicht zuzulassen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Rekurs der Vertreterin der betroffenen Person mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluss zur Gänze (in eventu zumindest hinsichtlich der Bestellung eines Verfahrenssachwalters) ersatzlos zu beheben, hilfsweise, ihn aufzuheben und die Sache an das Rekursgericht, allenfalls an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die von der Rekurswerberin erklärte Anfechtung der Bestellung eines Verfahrenssachwalters offenkundig übersehen hat. Er ist teilweise auch berechtigt.
I. Zur Rechtsmittellegitimation der gewillkürten Vertreterin der betroffenen Person
I.1. Nach § 127 AußStrG (idF SWRÄG 2006 BGBl I 2006/92) über die Rechtsmittelbefugnis im Sachwalterbestellungsverfahren steht der Rekurs (ebenso der Revisionsrekurs; 2 Ob 173/08t) „der betroffenen Person, ihrem Vertreter, dem Verfahrenssachwalter, der Person, die zum Sachwalter bestellt werden soll, und den nächsten Angehörigen zu, deren Vertretungsbefugnis im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis registriert ist (§ 284e Abs. 2 ABGB)". „Vertreter" iS dieser Bestimmung ist sowohl der gesetzliche als auch der gewillkürte Vertreter (3 Ob 154/08f; Zankl/Mondel in Rechberger, AußStrG § 127 Rz 1).
I.2. Weitzenböck (in Schwimann³ ErgBd, § 268 ABGB Rz 13) vertritt die Rechtsauffassung, dass Vertreter, denen eine Vorsorge- oder auch eine bloß schlichte Vollmacht erteilt wurde, im Sachwalterbestellungsverfahren im eigenen Namen rechtsmittelberechtigt seien. Er begründet dies damit, dass ihnen Parteistellung zukomme, die aufrecht bestehe und in die durch die Sachwalterbestellung eingegriffen werde oder werden könne.
Demgegenüber weisen Fucik/Kloiber (AußStrG § 127 Rz 1) darauf hin, dass zwischen Rekurslegitimation und Vertretungsumfang zu differenzieren sei. Selbstverständlich könne ein Vertreter im Namen seines Machtgebers Rekurs erheben. Insoweit sei nicht er, sondern der Vertretene Rekurswerber. Rekurslegitimiert im eigenen Namen seien jedoch nur die betroffene Person und unter Umständen der bestellte Sachwalter.
I.3. In seiner Entscheidung 3 Ob 154/08f (JBl 2009, 241) führte der Oberste Gerichtshof als Argument für die Auffassung, der Vertreter der betroffenen Person sei auch im eigenen Namen rechtsmittellegitimiert, den weiten Parteibegriff des § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG ins Treffen. Eine Person, der eine Vorsorgevollmacht oder eine „schlichte" Vollmacht iSd § 284g ABGB erteilt worden sei, habe aufgrund des Bevollmächtigungsvertrags Rechte und Pflichten und allenfalls ein eigenes rechtliches Interesse daran, dass nach dem Subsidiaritätsprinzip kein Sachwalter bestellt werde. Die materielle Parteistellung könnte daher bejaht werden. Gegen diese Argumentation könne aber eingewendet werden, dass die Rekurslegitimation im Sachwalterbestellungsverfahren in § 127 AußStrG abschließend und zwingend geregelt sei und aus der Aufnahme nur der nächsten, registrierten Angehörigen in den Kreis der Rekursberechtigten eine restriktive Auslegung abzuleiten sei. Letztlich ließ der Oberste Gerichtshof diese Frage - weil für die Entscheidung nicht erheblich - offen.
I.4. Der erkennende Senat geht davon aus, dass der Vertreter im Sachwalterbestellungsverfahren nur im Namen und im Interesse der betroffenen Person rechtsmittellegitimiert ist.
Die materielle Parteistellung nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG ist möglichst eng und scharf zu fassen. Partei im materiellen Sinn ist jede Person, deren „rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst" wird bzw würde (Rechberger in Rechberger, AußStrG § 2 Rz 9). Der mögliche Eingriff muss zu einer unmittelbaren Beeinflussung der rechtlichen Stellung führen, eine bloße Reflex- oder Tatbestandswirkung reicht nicht aus. Die Ausformung des Begriffs der „rechtlich geschützten Stellung" variiert von Verfahren zu Verfahren, weil es auf das konkrete Verfahren und dessen Zweck ankommt. Entscheidend ist, wer bzw wessen Stellung durch das jeweilige Verfahren geschützt werden soll (Fucik/Kloiber, AußStrG § 2 Rz 2).
Zweck und oberste Maxime des Sachwalterbestellungsverfahrens ist das Wohl der betroffenen Person (RIS-Justiz RS0048982; RS0108314). Sie und ihre Interessen sollen geschützt werden. Zweck des Sachwalterbestellungsverfahrens ist es hingegen nicht, die aus der Bevollmächtigung abzuleitenden Vertretungsrechte eines gewillkürten (oder auch eines gesetzlichen) Vertreters der betroffenen Person zu wahren. Richtig ist, dass das Sachwalterschaftsverfahren vom Subsidiaritätsprinzp geprägt ist und dass gemäß § 268 Abs 2 ABGB die Bestellung eines Sachwalters - soweit hier von Interesse - dann unzulässig ist, soweit Angelegenheiten der behinderten Person durch einen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter „im erforderlichen Ausmaß" besorgt werden. Damit trägt das Gesetz aber einem rechtlich geschützten Interesse der betroffenen Person Rechnung, deren Selbstbestimmungsrecht möglichst weit gesichert und nicht durch die Bestellung eines Sachwalters unterlaufen werden soll. Der Schutz des Interesses des Vertreters selbst, dass nach dem Subsidiaritätsprinzip kein Sachwalter bestellt wird, gehört hingegen nicht zu den mit dem Sachwalterschaftsverfahren angestrebten Zwecken.
Damit ist aber die Parteistellung des Vertreters selbst zu verneinen. In Übereinstimmung mit der oben wiedergegebenen Auffassung von Fucik/Kloiber ist daher davon auszugehen, dass § 127 AußStrG - soweit hier von Interesse - als klarstellende Anordnung zu interpretieren ist, die besagt, dass der Vertreter (nur) im Namen und im Interesse der betroffenen Person rekurslegitimiert ist (vgl im Übrigen die ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 83, nach denen dem ebenfalls in § 127 normierten Rekursrecht des noch nicht rechtswirksam bestellten Sachwalters gerade diese Überlegung zugrunde liegt).
Dieses Ergebnis bedeutet nicht, dass die Anordnung des § 127 AußStrG im Hinblick auf den Vertreter der betroffenen Person überflüssig ist. Sie stellt vielmehr klar, dass durch die Bestellung eines (Verfahrens-)Sachwalters die Möglichkeit des Vertreters, namens der betroffenen Person ein Rechtsmittel zu ergreifen, nicht beseitigt wird. Sie ändert aber nichts daran, dass der Vertreter nur berechtigt ist, das Rechtsmittel im Namen und im Interesse der betroffenen Person zu ergreifen.
Im hier zu beurteilenden Fall hat zwar die Vertreterin der betroffenen Person Rekurs und Revisionsrekurs im eigenen Namen erhoben. Sie hat allerdings in ihren Rechtsmitteln ausschließlich die Verletzung des Subsidiaritätsprinzips und damit (jedenfalls auch) die Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen geltend gemacht. Unter diesen Voraussetzungen ist das Rechtsmittel des Vertreters im Sinne der dargestellten Rechtslage als im Namen der betroffenen Person erhoben zu werten und daher als zulässig zu betrachten.
II. Soweit sich der Revisionsrekurs hingegen auch gegen die Zurückweisung des Rekurses gegen die Punkte 1 und 3 des erstgerichtlichen Beschlusses (Fortsetzung des Sachwalterschaftsverfahrens, Bestellung einer Sachverständigen) richtet, ist er nicht berechtigt. Insoweit kann auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen der zweiten Instanz verwiesen werden (§ 71 Abs 3 AußStrG), die von der Revisionsrekurswerberin in ihrem Revisionsrekurs in keiner Weise bestritten werden. Ihre umfangreichen Ausführungen zur ihrer Meinung nach gegebenen Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Anordnungen berühren den Grund für die Zurückweisung des Rekurses - nämlich die Unanfechtbarkeit der als verfahrensleitend (§ 45 Satz 2 AußStrG) zu qualifizierenden Anordnungen des Erstgerichts - nicht.
In diesem Umfang war daher die angefochtene Entscheidung zu bestätigen.
III. Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Bestellung des Verfahrenssachwalters wendet, ist er allerdings im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
Das Rekursgericht hat darauf verwiesen, dass mit dem Rekurs die Auswahl des bestellten Verfahrenssachwalters und der bestellten Sachverständigen nicht bekämpft wurde, und hat daraus abgeleitet, dass sich der Rekurs ausschließlich gegen die Fortsetzung des Verfahrens richte. Es hat aber offenkundig übersehen, dass die Rekurswerberin nicht nur die erstgerichtliche Entscheidung „zur Gänze" angefochten, sondern ausdrücklich auch die Bestellung des Verfahrenssachwalters als solche bekämpft hat (S 11 letzter Absatz des Rekurses ON 77). Die Bestellung des Verfahrenssachwalters gehört aber - wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst zu 2 Ob 173/08t klargestellt hat - zu den von § 127 AußStrG erfassten anfechtbaren Beschlüssen im Sachwalterbestellungsverfahren.
In diesem Umfang war daher dem Revisionsrekurs stattzugeben und die Sachwalterschaftssache zur inhaltlichen Entscheidung über den Rekurs an das Rekursgericht zurückzuverweisen.
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