European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00010.16A.0225.000
Spruch:
Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Die Verrechnung nach der Dispositivbestimmung des § 1416 ABGB setzt voraus, dass Schuldposten desselben Schuldners gegenüber demselben Gläubiger in Frage stehen (RIS‑Justiz RS0033403). Die Beklagte hatte ‑ wie der Vereinbarung vom 23. 5. 2001 zu entnehmen ist ‑ Forderungen gegen sieben GmbHs (darunter die Erstklägerin) und auch gegen den Zweitkläger. Während die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren detailliert vorbrachte, dass die Zahlung von insgesamt 130 Mio S im Mai/Juni 2001 maßgeblich im Auftrag von drei Unternehmen erfolgte, argumentierte der Zweitkläger in der Berufung überhaupt nicht damit, dass er selbst diese Zahlungen getätigt hätte oder diese für ihn getätigt worden wären. Behauptet der Schuldner aber gar nicht, dass er eine Leistung an die Beklagte erbrachte, ist der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt, kommt doch dann die gesetzliche Tilgungsfolge des § 1416 ABGB für ihn nicht zur Anwendung. Die vom Zweitkläger insofern versäumte Rechtsrüge kann in der Revision nicht mehr nachgetragen werden (RIS‑Justiz RS0043480 [T22]; RS0043573 [T8, T30, T49]; vgl RS0043352 [T31]).
2. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, wirft dann eine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042776 [T6]; RS0042936). Das ist hier nicht der Fall.
3. Maßgebliche Auslegungskriterien des § 914 ABGB sind der Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung und die Absicht der Parteien. Unter der „Absicht der Parteien“ ist die dem Erklärungsgegner erkennbare und von ihm widerspruchslos zur Kenntnis genommene Absicht des Erklärenden zu verstehen (RIS‑Justiz RS0017915 [T2, T31, T34]). Für die Auslegung einer Urkunde ist deren Wortlaut allein maßgeblich, solange nicht behauptet und bewiesen wird, dass sich aufgrund außerhalb der Urkunden liegender Umstände ein übereinstimmender Parteiwille oder ein vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichender objektiver Sinn der Erklärung ergibt (RIS‑Justiz RS0043422 [T13]). Dieser Beweis wurde im vorliegenden Fall nicht erbracht, weshalb der Wille der Vertragsparteien durch Auslegung der Vertragsurkunde zu ermitteln ist.
4. Mit Schreiben vom 18. 12. 2003 sagte die beklagte Bank den beiden Klägern den Verzicht auf die Geltendmachung weiterer Forderungen zu, wenn der Zufluss der Verwertungserlöse aus zwei Liegenschaften „auf die bei uns geführten Konten der S*****gesellschaft mbH“ (vom Erstkläger vertretene Schuldnerin) erfolgt. Der Verteilungserlös der einen Liegenschaft wurde aber nicht zur Gänze der Beklagten zur Tilgung ihrer Forderungen gegenüber der Erstklägerin zugewiesen. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass damit die genannte Bedingung nicht erfüllt wurde und die Beklagte durch die Anmeldung ihrer Forderungen gegen den Zweitkläger im Meistbotsverteilungsverfahren, zu deren Besicherung auf der Liegenschaft der Erstklägerin zwei Höchstbetragshypotheken einverleibt waren, auch nicht gegen Treu und Glauben verstieß, sondern sie dazu berechtigt war, ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zumindest vertretbar. Eine behauptete undeutliche Erklärung der Beklagten liegt nicht vor, sodass es schon aus diesem Grund nicht zur Anwendung des § 915 zweiter Halbsatz ABGB kommt. Nach der getroffenen Vereinbarung erfüllt ein vom Masseverwalter bei der Beklagten eröffnetes Treuhandanderkonto, auf das der Verkaufserlös eingezahlt wurde, jedenfalls nicht die Voraussetzung des Zuflusses der Kaufpreise auf die Konten der Schuldnerin bei der Beklagten (zur Abdeckung bestehender Verbindlichkeiten).
5. Die (zahlreich) behaupteten sekundären Feststellungsmängel sind für die rechtliche Beurteilung nicht von Relevanz.
6. Zusammengefasst zeigen die außerordentlichen Revisionen beider Kläger keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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