European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:018OCG00001.17X.0320.000
Spruch:
Das Begehren, den Schiedsspruch vom 5. September 2017, Fallnummer 21324/MHM, in seinen Punkten (a), (b) und (f) aufzuheben, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 18.285,11 EUR bestimmten Prozesskosten (darin 3.047,52 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte des Aufhebungsverfahrens (Klägerin im Schiedsverfahren, idF: Beklagte) hatte 2009 ein Flugzeug erworben, das die Klägerin des Aufhebungsverfahrens (Beklagte im Schiedsverfahren, idF: Klägerin) auf Rechnung der Beklagten verwaltete. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten entschloss sich die Beklagte, das Flugzeug der Klägerin zu verkaufen, wobei diese es weiter für die Beklagte betreiben sollte. Zu diesem Zweck schlossen die Parteien am 17. Dezember 2013 einen Flugzeugkaufvertrag und eine Flugdienstvereinbarung. Der Kaufpreis betrug nach dem Kaufvertrag 33,5 Mio USD, in der Flugdienstvereinbarung (Flight Service Agreement, idF: FSA) war darüber hinaus vorgesehen, dass die Klägerin in den folgenden fünf Jahren 1.000 Flugstunden zu einem „reduzierten“ Charterpreis erbringen würde. Das FSA sah die Anwendung deutschen Rechts und die Entscheidung aller daraus erwachsenden oder damit in Verbindung stehenden Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht mit Sitz in Österreich vor.
Punkt 7.3. FSA ordnete Folgendes an:
„In case of a Repudiatory Breach by the Operator, the Customer shall be entitled to liquidated damages as per Schedule 4 hereto times the Block Hours of the Flight Package which have not been consummated by the Customer up to such Repudiatory Breach.“
„Im Fall einer wesentlichen Vertragsverletzung durch den Betreiber hat der Kunde ein Anrecht auf pauschalierten Schadenersatz wie Tabelle 4 zu dieser Vereinbarung die Blockstunden des Flug Packages bemisst, die vom Kunden bis zu einer derartigen Vertragsverletzung noch nicht konsumiert worden sind.“
Im FSA wird „repudiatory breach“ („wesentliche Vertragsverletzung“) wie folgt definiert:
„A refusal by the relevant Party to perform this Agreement or a significant part of it which is so fundamental that it permits the other Party to terminate this FSA.“
„Eine Weigerung der betreffenden Partei, diesen Vertrag oder einen wesentlichen Teil davon zu erfüllen, die so schwerwiegend ist, dass sie die andere Partei berechtigt, von diesem FSA zurückzutreten.“
Nach der in Punkt 7.3. FSA genannten „Tabelle 4“ hatte die Klägerin für Flugstunden, die sie aufgrund einer wesentlichen Vertragsverletzung nicht leistete, bestimmte Beträge als pauschalierten Schadenersatz zu zahlen.
Mit dem angefochtenen Schiedsspruch verpflichtete das Schiedsgericht die Klägerin zur Zahlung von 4.756.629 USD (Punkt [a]) samt Zinsen (Punkt [b]) sowie zum Kostenersatz (Punkt [f]). Es nahm als erwiesen an, dass die Klägerin am 12. August 2015 das Bundesamt für Zivilluftfahrt informiert habe, dass sie über keine Flugzeuge mehr verfüge und ab Ende Oktober auch keine „verantwortlichen leitenden Angestellten“ mehr habe. Dies habe dazu geführt, dass das Bundesamt der Klägerin ab 1. November 2015 die gewerbliche Beförderung von Personen oder Fracht untersagt habe. Das von der Beklagten erworbene Flugzeug habe die Klägerin Ende August 2015 einem dritten Unternehmen verkauft. Damit habe die Klägerin die vereinbarten Leistungen nicht mehr erbringen können. Die Beklagte habe bis dahin 355 Stunden verbraucht, sodass 645 der vereinbarten 1.000 Stunden offen seien. Rechtlich folgerte das Schiedsgericht, dass die Klägerin auf dieser Grundlage jenen Betrag zahlen müsse, der sich aus Tabelle 4 für die nicht erbrachten Flugstunden ergebe.
Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Schiedsspruchs in den Punkten (a), (b) und (f).
(i) Der Schiedsspruch verstoße gegen den materiellen ordre public (§ 611 Abs 2 Z 8 ZPO): Das Schiedsgericht habe die Auffassung vertreten, dass eine Partei zugleich Vertragserfüllung und Schadenersatz wegen Nichterfüllung begehren könne. Dies sei weder mit dem Vertrag noch mit Grundsätzen des österreichischen Leistungsstörungsrechts (§§ 918, 921 ABGB) vereinbar. Das Schiedsgericht habe Punkt 7.3. FSA nicht als schadenersatzrechtliche Regelung, sondern als verschuldensunabhängigen Zahlungsanspruch verstanden, und zwar deswegen, weil es einen Zusammenhang mit dem Flugzeugkaufvertrag hergestellt habe. Dort sei zwar in einem früheren Stadium der Verhandlungen von einem weiteren Kaufpreis von 10,6 Mio USD ausgegangen worden, der durch verbilligte Flugleistungen abzugelten gewesen wäre. Dies habe jedoch im endgültigen Vertrag keinen Ausdruck gefunden; die diesbezügliche Auslegung des Schiedsgerichts sei willkürlich und entspreche nicht den Vorgaben des vereinbarten deutschen Rechts. Der Wert der nach dem FSA zu erbringenden Leistungen (Flugstunden zu einem reduzierten Preis) könne nur aufgrund des von der Klägerin gewährten Preisnachlasses ermittelt werden. Dazu habe das Schiedsgericht aber keine Feststellungen getroffen. Es habe auch den entscheidenden Begriff „refusal“ zu Unrecht ausschließlich aufgrund eines Standardwörterbuchs zur englischen Sprache ausgelegt. Die Klägerin habe nach dem FSA das Recht gehabt, die Leistungen durch ein drittes Unternehmen erbringen zu lassen. Die Beklagte habe dies und die „Übertragung“ des FSA auf ein drittes Unternehmen grundlos verweigert. Das Schiedsgericht habe keine Feststellungen zum Grund des Anspruchs (Verschulden) und zur tatsächlichen Höhe des Schadens getroffen. Die Beträge der „Tabelle 4“ lägen weit über der tatsächlich von der Klägerin gewährten Preisreduktion. Die unterbliebene Prüfung der Angemessenheit der „Vertragsstrafe“ iSv § 343 Abs 1 BGB bedrohe die wirtschaftliche Existenz der Klägerin. Insgesamt beruhe der Schiedsspruch daher auf Willkür.
(ii) Durch die Nichtbeachtung des vereinbarten deutschen Rechts habe das Schiedsgericht auch seine Entscheidungskompetenz überschritten (§ 611 Abs 2 Z 3 ZPO).
(iii) Der eigenmächtige und auch überraschende Rückgriff auf ein Wörterbuch sowie die willkürliche Vertragsauslegung und Rechtsanwendung bildeten auch einen Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public (§ 611 Abs 2 Z 2 und Z 5 ZPO).
Die Beklagte wendet ein, dass der Zuspruch von Geldersatz bei Nichterfüllung eines Vertrags keinesfalls gegen den materiellen ordre public verstoße. Aus dem Schiedsspruch ergebe sich keine doppelte Inanspruchnahme der Klägerin: Der Beklagten werde nur Schadenersatz zugesprochen, das Schiedsgericht gehe von einer konkludenten Kündigung des Vertrags durch die Beklagte aus, was auch die Klägerin im Schiedsverfahren zugestanden habe. Die behauptete fehlerhafte Anwendung des vereinbarten deutschen Rechts könne von vornherein nicht als Kompetenzüberschreitung iSv § 611 Abs 2 Z 3 ZPO angesehen werden. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder ein anderer Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public liege nicht vor. Die Klägerin selbst habe sich im Schiedsverfahren zur Auslegung des Begriffs „refusal“ auf ein Wörterbuch berufen; das Schiedsgericht habe sich mit diesem Vorbringen zur Wortinterpretation unter Rückgriff auf ein anderes Wörterbuch auseinandergesetzt.
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die von den Parteien vorgelegten Urkunden, insbesondere in den Schiedsspruch. Auf dieser Grundlage wird folgender weiterer Sachverhalt festgestellt:
Das Schiedsgericht nahm aufgrund umfangreicher Erwägungen zu Wortlaut, Vertragsgeschichte und Zweck der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarungen an, dass die zu einem reduzierten Preis zu leistenden Stunden ein „Kaufpreissurrogat“ seien, wobei die in Tabelle 4 genannten Beträge ihrerseits ein „Surrogat“ für den Fall nicht erbrachter Flugleistungen bildeten (Rz 491). Daraus und aus dem Wortlaut der Bestimmung sei abzuleiten, dass der Anspruch nach Punkt 7.3. FSA verschuldensunabhängig sei (Rz 352 ff, insb Rz 358). Selbst wenn man aber keine verschuldensunabhängige Haftung annähme, träfe die Beweislast für fehlendes Verschulden nach § 280 BGB die Klägerin (Rz 367). Zudem sei es die Klägerin gewesen, die durch Veräußerung des Flugzeugs und die Einstellung des Geschäftsbetriebs die weitere Vertragserfüllung unmöglich gemacht habe; das Flugzeug sei nicht bei einem Brand zerstört worden oder „vom Himmel gefallen“ (Rz 332).
Die Funktion der Klägerin als Betreiberin und damit Inhaberin eines Aircraft Operator Certificate sei für das FSA von grundlegender Bedeutung gewesen (Rz 343). Zwar hätte die Beklagte eine „Abtretung“ des FSA an ein anderes Unternehmen zu denselben Bedingungen hinnehmen müssen. Dies habe die Klägerin aber nicht angeboten; das tatsächliche Angebot eines dritten Unternehmens habe schlechtere Bedingungen enthalten als das FSA. Spätestens am 17. September 2015 sei klar gewesen, dass die Klägerin das FSA nicht mehr selbst erfüllen konnte und eine Abtretung zu denselben Bedingungen nicht möglich war (Rz 344 f). Ein konkretes Angebot, das FSA durch Zukauf von Leistungen Dritter zu erfüllen, habe die Klägerin nicht gemacht (Rz 340). Mit Schreiben vom 26. Oktober 2015 habe die Klägerin endgültig klargestellt, dass sie nicht willens sei, das FSA weiterhin zu erfüllen (Rz 346).
Eine Leistungsverweigerung („refusal“), die zur Anwendung von Punkt 7.3. FSA führe, liege in jedem Fall der Nichterfüllung vor, ohne dass es auf die Gründe ankäme (Rz 332 ff). Dies ergebe sich „auch“ aus der Erläuterung des Begriffs „refusal“ in einem englischen Standardwörterbuch. Der Wortlaut von Punkt 7.3. FSA verlange keine Kündigung durch den Kunden (Rz 417). Die Klägerin habe aber ohnehin anerkannt, dass die Forderung der Vertragsstrafe durch die Beklagte als implizite Kündigung des FSA zu werten sei; auch die Erklärung einer Aufrechnung und die Ablehnung weiterer Flüge könne als solche implizite Kündigung angesehen werden (Rz 418). Die Beträge nach Tabelle 4 bildeten eine abschließende Regelung; die Parteien könnten sich nicht darauf berufen, dass der Schaden höher oder geringer sei (Rz 537 f). Ein Anspruch der Beklagten auf weitere Flugleistungen lässt sich aus dem Spruch des Schiedsgerichts nicht ableiten (Punkt IX).
Diese Feststellungen gründen sich auf den von den Parteien vorgelegten Schiedsspruch. Widersprechende Beweisergebnisse gab es dazu nicht. Die von der Klägerin beantragten Zeugen waren zu einer Hilfsbegründung des Schiedsspruchs (Bereicherungsanspruch) und zur angeblichen Differenz zwischen den Beträgen der Tabelle 4 und der tatsächlichen Höhe der von der Klägerin gewährten „Reduktion“ geführt. Beide Beweisthemen sind unerheblich, sodass diese Beweisanträge abzuweisen waren.
Rechtliche Beurteilung
Aufgrund der getroffenen Feststellungen ist das Aufhebungsbegehren abzuweisen.
1. Der materielle ordre public (§ 611 Abs 2 Z 8 ZPO) ist nicht verletzt.
1.1. Ein Verstoß gegen den materiellen ordre public liegt nur vor, wenn das Ergebnis des Schiedsspruchs Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung in unerträglicher Weise verletzt (18 OCg 3/15p mwN; RIS-Justiz RS0110743). Hingegen ist nicht zu prüfen, ob das Schiedsgericht die im Schiedsverfahren aufgeworfenen Tat- und Rechtsfragen richtig gelöst hat; eine révision au fond ist unzulässig (18 OCg 3/15p mwN; RIS-Justiz RS0045124). Das gilt insbesondere für die Frage, ob das Schiedsgericht einen Vertrag richtig ausgelegt hat oder nicht (18 OCg 3/15p). Auch hier könnte daher nur ein völlig untragbares Auslegungsergebnis, das sich auf die Entscheidung des Schiedsgerichts auswirkte, als Verstoß gegen den materiellen ordre public aufgegriffen werden.
1.2. Grundwertungen des österreichischen Rechts sind hier nicht verletzt.
(a) Weder aus dem Spruch noch aus der Begründung des Schiedsgerichts ergibt sich, dass die Klägerin weiterhin zur Leistung von Flugstunden verpflichtet wäre. Vielmehr ging das Schiedsgericht ohnehin von einer impliziten Kündigung des FSA aus; dass diese für die Anwendung von Punkt 7.3. FSA nicht erforderlich wäre, ist daher ein die Entscheidung nicht tragendes obiter dictum . Darauf kommt es aber richtigerweise gar nicht an: Im Schiedsspruch wurde die Klägerin ausschließlich zur Zahlung des nach Tabelle 4 ermittelten Betrags verpflichtet. Das ist für sich genommen unbedenklich. Die Frage einer „doppelten“ Inanspruchnahme stellte sich erst dann, wenn in einem weiteren Schiedsverfahren zusätzlich eine Verpflichtung zur Leistung von Flugstunden angenommen würde. Dann wäre aber dieser weitere Schiedsspruch anzufechten; ein Ordre‑public-Verstoß des hier strittigen Schiedsspruchs ergäbe sich daraus nicht.
(b) Die Auslegung des FSA durch das Schiedsgericht führt zu keinem nach den Wertungen des österreichischen Rechts untragbaren Ergebnis.
Die Klägerin konnte ihre Pflichten aus dem FSA nicht mehr erfüllen, weil sie das Flugzeug verkauft und ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hatte und auch keinen gleichwertigen Ersatz durch Dritte bieten konnte; daher wurde sie zur Zahlung des für den Fall einer solchen Vertragsverletzung vereinbarten pauschalierten Schadenersatzes verurteilt. Wieso dieses Ergebnis mit grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen des österreichischen Rechts unvereinbar sein sollte, ist schlechthin nicht erkennbar. Zur Frage des Verschuldens hat das Schiedsgericht hilfsweise ohnehin auf die – § 1298 ABGB entsprechende – Beweislastumkehr in § 280 BGB hingewiesen. Die Klägerin hat nicht behauptet, dass sie im Schiedsverfahren ein konkretes Tatsachenvorbringen zu einer unverschuldeten Unmöglichkeit erstattet und das Schiedsgericht dieses Vorbringen ignoriert hätte. Abgesehen davon hatte die Vereinbarung des pauschalierten Schadenersatzes nach der (jedenfalls) nicht völlig unvertretbaren Auslegung des FSA durch das Schiedsgericht den Charakter eines Entgeltsurrogats, sodass auch die Annahme einer verschuldensunabhängigen Zahlungspflicht (also eine Verlagerung des Risikos der unverschuldeten Unmöglichkeit auf die Klägerin) nicht als untragbares Ergebnis anzusehen wäre.
Die in der Aufhebungsklage breit erörterte Auslegung des Begriffs „refusal“ ist Teil der nachvollziehbar begründeten rechtlichen Beurteilung des Schiedsgerichts, die ebenfalls zu keinem untragbaren Ergebnis führt. Das– offenkundig der englischen Sprache mächtige – Schiedsgericht beruft sich insofern auf sein Verständnis dieses Begriffs und belegt dies nur zusätzlich durch einen Hinweis auf ein Standardwörterbuch („see also ...“). Weiters weist es darauf hin, dass die Gründe für die Nichterfüllung jedenfalls in der Sphäre der Klägerin gelegen seien und diese kein gleichwertiges Angebot einer Erfüllung durch Dritte gemacht habe. Anhaltspunkte für die von der Klägerin behauptete Willkür sind angesichts dieser in sich schlüssigen Begründung nicht zu erkennen. Eine weitergehende inhaltliche Prüfung hat im Aufhebungsverfahren nicht zu erfolgen. Insbesondere ist die bereicherungsrechtliche Hilfsbegründung für das Ergebnis des Schiedsverfahrens irrelevant.
(c) Bei ihrem Vorbringen zur unterbliebenen Herabsetzung einer Vertragsstrafe nach § 343 Abs 1 BGB übersieht die Klägerin, dass diese Bestimmung nach § 348 dHGB auf eine von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochene Vertragsstrafe nicht anwendbar ist. Zwar ist richtig, dass § 1336 ABGB nach Aufhebung von § 348 öHGB auch bei Unternehmergeschäften als zwingend angesehen wird ( Schauer , Handelsrechtsreform: Die Neuerungen im Vierten und Fünften Buch, ÖJZ 2006, 64 [73 f]; Größ in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.03 § 1336 Rz 23; Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1336 Rz 23 f). Dass es sich bei der Möglichkeit der Mäßigung einer Vertragsstrafe um eine Grundwertung des österreichischen Rechts handelte, die auch in Schiedsverfahren – zumal bei einer wie hier relevanten Auslandsberührung – zwingend zu beachten wäre, lässt sich daraus aber nicht ableiten.
(d) Der Zuspruch des vollen Betrags ist auch dann unbedenklich, wenn das Vorbringen der Klägerin zur Höhe des „tatsächlichen“ Schadens zutreffen sollte. Nach diesem Vorbringen soll sich aus einem im Schiedsverfahren vorgelegten Gutachten ein Wert der nicht verbrauchten Flugstunden von höchstens 2,77 Mio USD ergeben, während der nach Tabelle 4 berechnete Anspruch, also der nach Ansicht des Schiedsgerichts im Vertrag festgelegte Wert dieser Flugstunden, knapp 5 Mio USD beträgt. Die Bewertung der in einem Vertragsverhältnis zu erbringenden Leistungen– also die Entscheidung, ob subjektive Äquivalenz vorliegt – gehört allerdings zum Kernbereich der Privatautonomie. Wenn sich das Schiedsgericht an diese Bewertung hält, liegt darin jedenfalls beim hier behaupteten Verhältnis zwischen einvernehmlicher Bewertung und objektivem Wert, das nicht einmal eine Verkürzung über die Hälfte begründet, kein Verstoß gegen Grundwertungen des österreichischen Rechts.
2. Auch sonst liegt kein Aufhebungsgrund vor.
2.1. Selbst wenn das Schiedsgericht das vereinbarte deutsche Recht falsch angewendet hätte, läge darin kein Überschreiten seiner Zuständigkeit iSv § 611 Abs 2 Z 3 ZPO. Diese Zuständigkeit wurde durch die Schiedsklausel begründet und erfasst alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem FSA. Die fehlerhafte Anwendung des vereinbarten oder aufgrund objektiver Anknüpfung anwendbaren Rechts kann zwar unter Umständen zu einem materiell auch nach den Wertungen des österreichischen Rechts untragbaren Ergebnis führen und damit den Aufhebungsgrund nach § 611 Abs 2 Z 8 ZPO erfüllen. Ein Überschreiten der Zuständigkeit liegt darin aber schon deshalb nicht, weil sonst im Umweg über § 611 Abs 2 Z 3 ZPO eine nach einhelliger Auffassung unzulässige révision au fond eingeführt würde. Dieses Ergebnis kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.
2.2. Auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder ein anderer Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public (§ 611 Abs 2 Z 2 und Z 5 ZPO) ist nicht einmal ansatzweise zu erkennen. Diese Aufhebungsgründe sind nur erfüllt, wenn gegen tragende Grundsätze eines geordneten Verfahrens verstoßen wurde. Einen Anhaltspunkt bilden dabei die Nichtigkeitsgründe des Zivilprozessrechts. Nur ein Mangel des Schiedsverfahrens, der diesen Gründen gleichkommt, kann zur Aufhebung führen (18 OCg 3/16i mwN; 18 OCg 6/16f). Dazu erstattet die Klägerin kein schlüssiges Vorbringen. Der Rückgriff auf ein Standardwörterbuch als Hilfsmittel zur Auslegung eines zwischen den Parteien strittigen Begriffs ist unbedenklich. Wie bereits erläutert, stützte sich das Schiedsgericht ohnehin in erster Linie auf seine eigenen Sprachkenntnisse; das Wörterbuch wurde nur als ergänzendes Argument herangezogen. Eine solche Vorgangsweise wäre auch im staatlichen Verfahren bei Auslegung eines Begriffs der Gerichtssprache unproblematisch (vgl etwa 6 Ob 56/17d). Zudem hing die Auslegung des FSA nicht allein vom Begriff „refusal“ ab, sondern wurde vom Schiedsgericht auch auf die Vorgeschichte und den Zweck des Vertrags gestützt. Dass die Klägerin dazu im Schiedsverfahren nicht Stellung nehmen konnte, hat sie nicht behauptet.
3. Aus diesen Gründen ist die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO. Nicht zu honorieren war die vor Streitanhängigkeit eingebrachte und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderliche Mitteilung vom 17. Jänner 2018. Die Übersetzungskosten waren nicht bescheinigt und daher aus diesem Grund nicht zuzusprechen.
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