OGH 6Ob56/17d

OGH6Ob56/17d19.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei P*****, vertreten durch Mag. Martin Kratky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei Dr. M*****, vertreten durch Stanek Raidl Konlechner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2017, GZ 45 R 356/16k‑304, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00056.17D.0419.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

B e g r ü n d u n g :

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin sieht einen Verfahrensmangel darin, dass das Berufungsgericht gegen zwingende Denkgesetze und gegen zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks verstoßen habe. Dies trifft nicht zu:

Auch wenn „Initiative“ als „erster tätiger Anstoß zu einer Handlung“ verstanden wird (Duden, Das große Fremdwörterbuch4 [2007]), so liegt doch kein aufzugreifender Verstoß gegen Denkgesetze vor, weil das Berufungsgericht in der bemängelten Passage bloß zum Ausdruck bringt, dass unabhängig vom Verhalten des Beklagten jedenfalls auch die Klägerin die Ehescheidung betrieben habe. Auch wenn das Berufungsgericht die – bei isolierter Betrachtung – vielleicht unklaren Feststellungen des Erstgerichts dahingehend interpretiert, dass gerade nicht festgestellt worden sei, der Beklagte hätte Druck auf die Klägerin ausgeübt, so ist das nicht zu beanstanden, hat doch das Erstgericht dies weder ausdrücklich festgestellt noch in der rechtlichen Beurteilung erwähnt, sondern vielmehr im Rahmen der Beweiswürdigung auf die damals neulich von der Klägerin ausgehende Initiative zur Ehescheidung verwiesen. Damit sind die Entscheidungsgründe des Berufungsgerichts jedenfalls nachvollziehbar.

Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Wenn das Berufungsgericht das richtig wiedergegebene Vorbringen der Klägerin in der Berufungsschrift dahingehend wertet, dass es der Klägerin nicht gelungen sei eine Erheblichkeit des behaupteten Verfahrensmangels ausreichend darzulegen, weil sie nicht präzisiert habe, welche konkreten Beweise zu welchen Beweisthemen aufzunehmen gewesen wären und welche konkreten Feststellungen sich daraus ergeben hätten, so handelte es sich um eine Wertung des Berufungsgerichts, die keine Aktenwidrigkeit begründen kann (RIS‑Justiz RS0043277). Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht verneint wurden, können nicht mit Revision geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963, RS0106371).

Die Revisionswerberin behauptet, das Berufungsgericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, weil es auch Verhaltensweisen nach Eintritt der Zerrüttung der Ehe berücksichtigt, keine Gesamtabwägung vorgenommen und Verfehlungen des Beklagten unberücksichtigt gelassen hätte.

Das Berufungsgericht hat aber auf Seite 30 f der Urteilsausfertigung zur Beurteilung des Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe nur Verhaltensweisen vor Zerrüttung der Ehe beurteilt, eine Gesamtabwägung vorgenommen und dabei auch das Verschulden des Beklagten an der Verletzung seiner Unterhaltspflicht berücksichtigt.

Die Verschuldenszumessung bei der Scheidung erfolgt nach den Umständen des Einzelfalls und kann in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründen (RIS‑Justiz RS0119414). Welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen und welchen das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls, die – von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen – nicht als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen ist (RIS‑Justiz RS0118125). Die Beurteilung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung als Verschuldenselement ist ganz von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich deshalb regelmäßig der Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0110837). Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung ist nicht ersichtlich.

Stichworte