OGH 17Os2/14v

OGH17Os2/14v12.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Mai 2014 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kotanko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Stefan K***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 4. Oktober 2013, GZ 17 Hv 25/13k-50a, und die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu I, VII, XI und XIV, in der rechtlichen Unterstellung der IV und XIII zugrunde liegenden Taten auch nach § 224 StGB und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs nach § 266 Abs 1 StPO) sowie der Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben, im Umfang der Aufhebung des Schuldspruchs zu I, VII, XI und XIV, des Sanktionsausspruchs und des Beschlusses auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache dazu an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Mit seiner die Urteilspunkte I, XI und XIV betreffenden Nichtigkeitsbeschwerde, seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche (V, XII) und einen ‑ verfehlt in Beschlussform gefassten ‑ Ausspruch nach § 266 Abs 1 StPO enthält, wurde Stefan K***** (richtig [RIS-Justiz RS0121981]) des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (I und XIV), der Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (II/1 und XI) sowie der Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (II/2), der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (III), der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (IV und XIII), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (VI), des Diebstahls nach § 127 StGB (VII), der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB (VIII), der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB (IX) und der Urkundenfälschung nach § 223 Abs „1“ StGB (X) schuldig erkannt.

Danach hat er

„I) am 10. August 2012 in F***** versucht, die mit der Entgegennahme von Parteieingaben betraute Bedienstete des Landesgerichtes Feldkirch Nadine P*****, sohin eine Beamtin, zum wissentlichen Missbrauch ihrer Befugnis, im Namen des Bundes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu bestimmen, indem er sie anwies, auf dem von ihm vorgelegten Wiedereinsetzungsantrag im Verfahren ***** des LG Feldkirch den Einlaufstempel mit dem Datum des Vortages anzubringen, mit dem Vorsatz, den Staat und die Prozessparteien an ihrem konkreten Recht auf Verfahrensführung nach der Zivilprozessordnung und Zurückweisung verspäteter Anträge zu schädigen;

II) am 10. Dezember 2012 in L***** Josef F***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er im Rahmen seiner Einvernahme als Zeuge vor Beamten der Polizeiinspektion L***** wahrheitswidrig behauptete,

1) Josef F***** habe 66 von ihm bei der Bezirkshauptmannschaft überreichte Rechtfertigungen und Einsprüche in Verwaltungsstrafverfahren keiner Erledigung zugeführt und damit mit dem Vorsatz, dadurch den Angeklagten an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Landes Vorarlberg in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, ihn somit einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB falsch verdächtigt, wobei er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch war;

2) Josef F***** habe gegenüber Bediensteten der Bezirkshauptmannschaft B***** behauptet, der Angeklagte habe aus seinem Büro Stempel gestohlen, ihn somit einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB falsch verdächtigt, wobei er auch in diesem Fall wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch war;

III) am 10. Juli 2012 in F***** eine falsche Urkunde, nämlich die von ihm selbst zur Bescheinigung eines Wiedereinsetzungsgrundes hergestellte ärztliche Bestätigung des Dr. Michael T***** über eine akute Erkrankung durch Vorlage im Verfahren des Landesgerichtes Feldkirch ***** im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich einer plötzlichen Erkrankung gebraucht;

IV) in der Zeit zwischen 4. November 2011 und 7. Februar 2013 an einem unbekannten Ort die Amtsbestätigung des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Vorarlberg betreffend seine Anwesenheit bei der Verhandlung vom 4. November 2011 in der Verwaltungsstrafsache Zl. *****, somit eine echte inländische öffentliche Urkunde, durch Überschreiben der Entlassungszeit mit dem Vorsatz verfälscht, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich jener, dass er am 4. November 2011 um 15.32 Uhr nicht ohne gültige Lenkerberechtigung ein Kraftfahrzeug gelenkt, sondern sich bis 16.23 Uhr bei der Verhandlung des Unabhängigen Verwaltungssenats befunden habe, gebraucht werde;

V) ... Freispruch

VI) in der Zeit zwischen 29. September 2011 und 14. März 2012 in F***** das Original des Kanzleivermerks ON 36 des Aktes ***** des Landesgerichtes Feldkirch, somit eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, durch dauernde Entnahme aus dem Gerichtsakt mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich seines strafbaren Verhaltens, gebraucht werde;

VII) am 20. November 2012 in B***** eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Einlaufstempel der Bezirkshauptmannschaft B*****, dem Land Vorarlberg mit dem Vorsatz weggenommen, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern;

VIII) am 18. Jänner 2013 in B***** und am 10. Dezember 2012 in L***** durch Vorlage von 66 Rechtfertigungen und Einsprüchen in Verwaltungsstrafverfahren, die zwar von ihm verfasst und unterzeichnet, jedoch einzeln mit einem widerrechtlich erlangten Einlaufstempel der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (Pkt. VII.) mit falschem Einlaufdatum versehen wurden, verfälschte Beweismittel in zahlreichen Verwaltungsstrafverfahren gebraucht;

IX) am 10. Dezember 2012 in L***** vor der Polizeiinspektion als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache im Ermittlungsverfahren gegen Josef F***** durch die zu II) 1) und 2) wiedergegebenen wahrheitswidrigen Behauptungen in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei falsch ausgesagt;

X) am 28. August 2013 eine[n] verfälschte Urkunde, nämlich das als Beilage ./A dem Beweisantrag ON 33 beigelegte E-Mail mit dem Inhalt: 'Kommen Sie bitte gleich morgen ab 07.30 Uhr bei der Einlaufstelle vorbei, dann können wir ausnahmsweise ihre Vorlage mit dem heutigen Stempel versehen', zum Beweis dafür, dass er Nadine P***** nicht versucht hat zum Missbrauch der Amtsgewalt zu bestimmen (Punkt I) der Anklage) im Rahmen eines Beweisverfahrens zur Hauptverhandlung am 2. September 2013 zu AZ 17 Hv 25/13k des Landesgerichtes Feldkirch vorgelegt, mithin eine verfälschte Urkunde zum Beweis der Tatsachen gebraucht;

XI) durch die in Punkt X) behandelte Handlung Eleonore B***** eine von Amts wegen zu verfolgende mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens des Missbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, falsch verdächtigt, wobei er wusste, dass diese Verdächtigung falsch war;

XII) … Freispruch;

XIII) in der Zeit zwischen 19. Februar 2013 und 2. September 2013 an einem unbekannten Ort eine Amtsbestätigung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg betreffend seine Anwesenheit bei der Verhandlung am 4. November 2011 in der Verwaltungsstrafsache Zl *****, somit eine echte inländische öffentliche Urkunde durch Überschreiben der Entlassungszeit mit dem Vorsatz verfälscht, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich jener, dass er am 4. November 2011 um 15:32 Uhr nicht ohne gültige Lenkerberechtigung ein Kraftfahrzeug gelenkt sondern bis 16.23 Uhr bei der Verhandlung des Unabhängigen Verwaltungssenates befunden habe, gebraucht werde (Beilage ./F);

XIV) in einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt nach dem 19. Februar 2013 in B***** versucht, die zur Ausstellung von Zeitbestätigungen betraute Bedienstete des Unabhängigen Verwaltungssenates Sandra H***** zum wissentlichen Missbrauch ihrer Befugnisse im Namen des Landes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen zu bestimmen, indem er sie aufforderte, eine Zeitbestätigung betreffend seiner Anwesenheit bei der Verhandlung am 4. November 2011 in der Verwaltungsstrafsache Zl ***** mit der Enduhrzeit 16.23 Uhr, sohin eine falsche Beurkundung und Beglaubigung im Amt (§ 311 StGB) auszustellen, mit dem Vorsatz den Staat in seinem Recht auf gesetzeskonforme Amtsführung zu schädigen.“

Dagegen richtet sich die aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Zur amtswegigen Maßnahme:

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof ‑ teilweise in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ davon überzeugt, dass dem Urteil mehrfach nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 9 lit a, 10) zum Nachteil des Angeklagten anhaftet, die von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Dies führt zur ersatzlosen Aufhebung der rechtlichen Unterstellung der Taten laut IV und XIII (auch) nach § 224 StGB sowie zur Kassation der Schuldsprüche wegen Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (I und XIV) und wegen Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (XI), womit sich ein Eingehen auf die darauf bezogene Beschwerdeargumentation des Angeklagten erübrigt.

Zu I: Voraussetzung für die Strafbarkeit der

Bestimmung zum Missbrauch der Amtsgewalt (§§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB) ist in subjektiver Hinsicht, dass der

Bestimmende es für gewiss hält, der Beamte werde bei

bestimmungsgemäßem Verhalten (zumindest) vorsätzlich seine Befugnis verfehlt gebrauchen (RIS-Justiz RS0108964 [T2]). Derartiges hat das Erstgericht aber nicht festgestellt, statt dessen, dass der Angeklagte (wissentlichen) Befugnismissbrauch der Beamtin Nadine P***** ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand (US 8).

Zwar zeigt die Generalprokuratur an sich zutreffend auf, dass das konstatierte Recht des Staates und der Prozessparteien auf „Verfahrensführung nach der Zivilprozessordnung“ (US 8 zweiter Absatz) als Bezugspunkt des von § 302 Abs 1 StGB verlangten Schädigungsvorsatzes nicht ausreicht. Denn der Anspruch, dass Beamte ihre Befugnis den Vorschriften entsprechend gebrauchen, somit keinen Befugnismissbrauch begehen, stellt ebenso wenig wie darauf gerichtete Aufsichts- und Kontrollrechte des Staates ein konkretes Recht dar (17 Os 25/13z; vgl RIS-Justiz RS0096270).

Das Erstgericht hat den Schädigungsvorsatz des Angeklagten aber auch auf den ‑ im Sinn des § 302 Abs 1 StGB beachtlichen ‑ Anspruch der Verfahrensparteien auf Zurückweisung verspäteter Anträge bezogen (US 8 zweiter Absatz). Der Auffassung der Generalprokuratur, dass es insoweit an der erforderlichen (arg: „dadurch“) Verknüpfung von Befugnismissbrauch und Rechtsschädigung mangle, ist nicht zu folgen: Denn nach der Rechtsprechung fehlt ein solcher Zusammenhang nur dann, wenn das Verhalten des Täters nicht in dem Verfahren gesetzt wird, welches tatplangemäß mit einem unrichtigen Ergebnis enden soll, vielmehr der Vorbereitung oder Unterstützung manipulativer Zwischenschritte dritter Personen (etwa der durch den Befugnismissbrauch Begünstigten) dient, die erst zur Einleitung dieses Verfahrens führen (RIS-Justiz RS0129143; 17 Os 10/12t; 13 Os 103/11p). Das ist hier nicht der Fall.

Zu IV und XIII: Öffentliche Urkunden (§ 224 StGB) sind mit qualifizierter Beweiskraft ausgestattete Urkunden, die ein Beamter innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form errichtet hat ( Schönke/Schröder/Cramer/Heine , StGB 28 § 271 Rz 6 f; vgl auch Kienapfel/Schroll in WK 2 StGB § 224 Rz 7, 9). Für die Annahme, dass die Ausstellung einer „Amtsbestätigung“ hinsichtlich des ladungsgemäßen „Erscheinens“ des Beschuldigten zu einer Verhandlung (§ 51e VStG idF vor BGBl I 2013/33) und des „Entlassungszeitpunkts“ (ON 11 S 687) zum hoheitlichen Aufgabenbereich des UVS Vorarlberg gehörte, geben weder das Gesetz noch die Verwaltungsformularverordnung BGBl II 1999/508 etwas her (zu schlichten amtlichen Urkunden vgl zuletzt 17 Os 8/13z, EvBl 2014/14, 85; siehe dazu auch unten 1.). Die Annahme der Qualifikation des § 224 StGB hatte daher ersatzlos zu entfallen.

Zu XIV: Unter dem Aspekt des § 302 Abs 1 StGB ergibt sich nach dem Gesagten, dass die Ausstellung der erwähnten „Amtsbestätigung“ keine Ausübung von Befugnis darstellt, in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen. Demnach bedeutet es auch keinen Befugnismissbrauch, wenn eine solche Bestätigung mit falschen Zeitangaben versehen wird. Da § 302 Abs 1 StGB bereits in objektiver Hinsicht ausscheidet, war auf die Konstatierungsdefizite zum wissentlichen Handeln des Angeklagten (vgl US 18) und zum Schädigungsvorsatz in Bezug auf ein konkretes Recht (vgl US 18: „gesetzeskonforme Amtsführung und Ausstellung von Bestätigungen“, dazu RIS‑Justiz RS0095527) nicht weiter einzugehen.

Eine Entscheidung in der Sache war jedoch nicht zu treffen. Denn mit Blick auf eine allfällige Tatbeurteilung nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 293 Abs 1 StGB bleibt zu prüfen, ob das Ansinnen des Angeklagten, Sandra H***** möge „ihm neuerlich eine Originalbestätigung mit der End-Uhrzeit 16.23 Uhr“ ausstellen (US 18), mit dem Vorsatz der weiteren Verwendung eines falschen Beweismittels in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren erfolgte (zur Bestimmungstäterschaft bei Benutzung eines schuldlosen

Werkzeugs vgl Kienapfel/Höpfel/Kert AT 14 E 4 Rz 27 f).

Zu XI: Nach den Urteilsannahmen legte der Angeklagte dem Gericht ein verfälschtes E-Mail vor, wonach Eleonore B***** ankündigte, eine Eingabe des Angeklagten mit einem rückdatierten Eingangsvermerk versehen zu wollen (US 8 f). Diese Konstatierungen allein reichen mit Blick darauf, dass § 297 Abs 1 StGB den Vorwurf einer bereits begangenen strafbaren Handlung voraussetzt, nicht aus.

Im neuen Verfahren wird insoweit zu beachten sein, dass (in objektiver Hinsicht) eine Tatbeurteilung nach § 297 Abs 1 erster oder zweiter Fall StGB vor allem dann in Betracht kommt, wenn in der Ankündigung der Rückdatierung eine Verletzung von Amtspflichten liegt (§ 297 Abs 1 erster Fall StGB) oder der Angeklagte anlässlich der Vorlage des E‑Mails zu erkennen gegeben hat, die angekündigte Rückdatierung sei mittlerweile umgesetzt worden (§ 297 Abs 1 zweiter Fall StGB).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung einer Reihe von Beweisanträgen und die behauptete Nichterledigung eines Beweisantrags Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht geschmälert.

Der Antrag auf Einholung einer „Auskunft des Internetproviders“ sowie einer „Sicherungskopie vom zuständigen Ministerium“ zum Beweis dafür, dass der Angeklagte das (laut Ausdruck am 9. August 2012 gesendete) E‑Mail laut Beilage ./A zu ON 33 erhalten habe (ON 37 S 19), legte nicht dar, weshalb die Bezug habenden Daten nach Ablauf von mehr als einem Jahr noch beim ‑ überdies nicht näher benannten ‑ Dienstleister gespeichert sein sollen (vgl §§ 99, 101 und 102a TKG). Ebensowenig gab der Antragsteller bekannt, aus welchen Gründen das „zuständige Ministerium“ über eine „Sicherungskopie“ verfügen soll. Solcherart zielte der Antrag auf eine nach ständiger Rechtsprechung unzulässige (vgl RIS‑Justiz RS0118123; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330 ff mwN) Erkundungsbeweisführung ab.

Die Beschwerdekritik an der Abweisung (ON 50 S 9) angeblich begehrter „Erhebung des E-Mail-Verlaufes beim Bundesrechenzentrum“ geht mangels darauf bezogener Antragstellung (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302, 333) ins Leere.

Ebenso übersieht die gegen III, IV und XIII gerichtete Verfahrensrüge (Z 4), dass der Angeklagte nach dem ungerügten Protokollsinhalt in der Hauptverhandlung am 2. September 2013 nur die Vernehmung der in seinem schriftlichen „Beweisantrag ON 33 beantragten Zeugen“ begehrt hat (ON 37 S 19). Somit hat er einen Antrag auf Einholung eines „graphologischen“ (gemeint: schriftvergleichenden) Sachverständigengutachtens gar nicht gestellt, womit auch der Vorwurf unterbliebener Erledigung dieses Beweisbegehrens fehlschlägt.

Anzumerken bleibt, dass ein im Sinn des Schriftsatzes ON 33 gestellter Antrag nicht zielführend gewesen wäre, weil der Angeklagte auch dort nicht bekannt gab, weshalb die Einholung des begehrten Beweises das vom Antragsteller angestrebte Ergebnis haben könnte. Eines solchen Vorbringens hätte es in Betreff der Amtsbestätigungen vom 4. November 2011 angesichts der ‑ für das Vorliegen einer Fälschung sprechenden ‑ Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung (ON 11 S 223) bedurft und im Hinblick auf die ärztliche Bestätigung Dris. T***** (III) schon deshalb, weil das Gericht von einer Veränderung des maschinell geschriebenen Originaltextes und nicht von einer Unterschriftsfälschung ausging (US 10 iVm ON 11 S 665).

Der zum Beweis dafür, dass der Angeklagte die in Rede stehenden Rechtfertigungen und Einsprüche (II, VIII und IX) bei der Bezirkshauptmannschaft B***** tatsächlich eingebracht hat, gestellte Antrag auf Vernehmung des Zeugen Dr. Alwin S*****, bei dem sich der Antragsteller nach seinem weiteren Vorbringen über das Einlangen der Akten beim UVS Vorarlberg erkundigt haben will (ON 50 S 9), ließ die Relevanz für die Lösung der Schuldfrage nicht erkennen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327). Der Antragsteller teilte zudem nicht mit, weshalb der beim UVS Vorarlberg tätige Zeuge das Einlangen von Schriftstücken bei der Bezirkshauptmannschaft B***** wahrgenommen haben soll.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ist die Ableitung vorsätzlicher Falsifikatsherstellung (IV und XIII) aus dem objektiven Geschehen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 452).

Soweit die Beschwerde die Entnahme des Kanzleivermerks ON 36 des Aktes ***** des Landesgerichts Feldkirch (VI) mit dem Argument bestreitet, diese Urkunde sei dem Angeklagten versehentlich von einer Mitarbeiterin des Gerichts ausgehändigt worden, bekämpft sie bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Im bisherigen Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Hingegen wendet die gegen VII gerichtete Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zutreffend fehlende Begründung der Annahme des Bereicherungsvorsatzes (US 12) ein.

Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht insoweit auch zu prüfen haben, ob die Einlaufstampiglie einen relevanten Tauschwert aufweist (vgl RIS-Justiz RS0093656).

Mit seiner die Urteilspunkte I, XI und XIV betreffenden Nichtigkeitsbeschwerde, seiner Berufung und seiner Beschwerde war der Angeklagte und mit ihrer Berufung die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Bleibt zur Stellungnahme der Generalprokuratur anzumerken:

1. Zu VIII geht die Generalprokuratur davon aus, dass es sich beim Eingangsvermerk um eine öffentliche Urkunde im Sinn der §§ 224, 311 StGB handelt. Der Oberste Gerichtshof teilt diese Auffassung nicht: Abgesehen von den bereits oben (zu IV und XIII) erörterten Eigenschaften muss die Urkunde nämlich auch für den Verkehr nach außen bestimmt sein und dem Zweck dienen, volle Beweiskraft für und gegen jedermann zu erbringen (zum Ganzen Schönke/Schröder/Cramer/Heine, StGB28 § 271 Rz 8; vgl auch Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 224 Rz 7, 15). Dagegen sind von Beamten (sogar) im Rahmen der Hoheitsverwaltung ausgestellte Urkunden dann keine öffentlichen Urkunden, wenn sie bloß der Ordnung, Erleichterung oder Kontrolle des inneren Dienstes, der gegenseitigen Information amtlicher Stellen oder der amtlichen Verlautbarung dienen, sich mithin nicht mit staatlicher Autorität nach außen wenden (sog „schlichte amtliche Urkunden“; Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 224 Rz 27). Maßgebend ist der konkrete rechtliche Inhalt und die besondere rechtliche Zweckbestimmung der jeweiligen Urkunde (RIS-Justiz RS0095967).

Der Eingangsvermerk beweist aber bloß die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens behördlicher Eingaben (vgl VwGH 95/10/0078; zum gerichtlichen Eingangsvermerk siehe §§ 99 Abs 4, 102 f Geo), was bei fristgebundenen Eingaben (zB Rechtsmitteln) die amtliche Überprüfung der Rechtzeitigkeit ermöglicht. Er richtet sich ‑ ungeachtet seiner besonderen Beweisfunktion (5 Ob 133/02y, 9 ObA 11/03p und Bitter in Fasching/Konecny 2 § 292 ZPO Rz 22) ‑ nicht nach außen (aA Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 224 Rz 28, die nicht mitteilen, worin konkret die Außenwirkung, mit anderen Worten die qualifizierte Beweiskraft nach Außen bestehen, was also welchem Außenstehenden qualifiziert bewiesen werden soll), sondern dient bloß amtlicher Information. Damit stellt er aber nach dem Gesagten keine öffentliche Urkunde im Sinn der §§ 224, 311 StGB dar (Kienapfel in WK1 StGB § 224 Rz 29; Bertel, AnwBl 1980, 320; Schönke/Schröder/Cramer/Heine, StGB28 § 271 Rz 8; aA Leukauf/Steininger,Komm3 § 224 Rz 4b). Die zu VIII abgeurteilte Tat wäre somit (nur) § 223 Abs 2 StGB und nicht § 293 Abs 2 StGB zu subsumieren gewesen, was aber nicht zum Nachteil des Angeklagten ausschlägt.

Aus dem Gesagten ergibt sich weiters, dass die Einlaufstampiglie (VII) kein Mittel oder Werkzeug zur Herstellung öffentlicher Urkunden im Sinn des § 227 Abs 1 StGB ist.

Angemerkt sei, dass auch unter Zugrundelegung der gegenteiligen rechtlichen Einordnung der Generalprokuratur (Eingangsvermerk unter § 224 StGB und Einlaufstampiglie unter § 227 Abs 1 StGB) die (verfehlte) Tatbeurteilung nach § 293 Abs 2 StGB nicht amtswegig aufgegriffen hätte werden können. Ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO scheiterte nämlich daran, dass auch der Angeklagte unterlassene Subsumtion unter eine strafbare Handlung mit höherem Strafsatz nicht zu seinen Gunsten hätte geltend machen können (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 655, § 290 Rz 21). Daran ändert auch nichts, dass nach Auffassung der Generalprokuratur die Wegnahme der Einlaufstampiglie (VII) straflos wäre, weil sie nach der zu § 224 StGB materiell subsidiären ( Kienapfel/Schroll in WK 2 StGB § 227 Rz 20) Bestimmung des § 227 Abs 1 StGB zu beurteilen wäre. Der Angeklagte kann nämlich auch nicht verlangen, statt mehrerer strafbarer Handlungen mit geringerer Strafdrohung wegen einer strafbaren Handlung mit strengerer Strafdrohung schuldig erkannt zu werden (vgl Ratz , WK-StPO § 282 Rz 17).

2. Zu X betont die Generalprokuratur zutreffend, dass E-Mails keine Urkunden im Sinn des § 74 Abs 1 Z 7 StGB sind. Der Einsatz von diesbezüglichen Falsifikaten im Rechtsverkehr ist vielmehr nach § 293 Abs 2 StGB zu beurteilen. Die Subsumtion nach § 223 Abs 1 StGB war nicht nur im Hinblick auf das Tatobjekt, sondern darüber hinaus deshalb verfehlt, weil die Tatrichter die Subsidiarität von Fälschung (Abs 1) zum Gebrauch (Abs 2) nicht berücksichtigt haben (zum Ganzen Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 223 Rz 21, 220, 255). Auch dieser Rechtsfehler hat mangels Nachteils für den Angeklagten auf sich zu beruhen (vgl Ratz, WK-StPO § 282 Rz 13, § 290 Rz 21 ff).

Die ‑ die amtswegige Maßnahme nicht betreffende ‑ Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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