OGH 13Os103/11p

OGH13Os103/11p15.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer in der Strafsache gegen Brigitta B***** und einen Angeklagten wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Brigitta B***** und Walter B***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 9. März 2011, GZ 8 Hv 17/11s-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen und den Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Mit ihren Rechtsmitteln werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem auch einen Freispruch enthaltenden angefochtenen Urteil wurden Brigitta B***** und Walter B***** jeweils des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie im März 2010 in O***** einen unbekannt gebliebenen Mitarbeiter des Arbeitsmarktservice O***** dazu bestimmt, „mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich an ihren Rechten auf Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfe zu schädigen,“ seine Befugnis, im Namen einer Person des öffentlichen Rechts als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich zu missbrauchen, dass er auf ihre Bitte eine mit 8. September 2009 datierte amtliche Bestätigung des Arbeitsmarktservice aufsetzte, unterfertigte und abstempelte, wonach die am 3. August 1990 geborene Natalie D***** im Zeitraum 1. Jänner bis 31. August 2009 als Arbeit suchend vorgemerkt gewesen ist, obwohl dies nicht den Tatsachen entsprach.

Beide Angeklagte wussten den Feststellungen zufolge, dass die Ausstellung einer Bestätigung der Vormerkung der Arbeitssuche durch Mitarbeiter des Arbeitsmarktservice zu dessen hoheitlichen Aufgaben gehört und dass eine inhaltlich unrichtige Bestätigung nur unter wissentlichem Befugnismissbrauch eines Angestellten des Arbeitsmarktservice erfolgen kann (US 7).

Dem Ansinnen lag zugrunde, dass die Tochter der beiden Angeklagten, Natalie D*****, im Wintersemester 2008/09 ein Studium an der Universität Wien begann, sich jedoch am 30. April 2009 wieder abmeldete, ohne eine Prüfung abgelegt zu haben. Am 22. Oktober 2009 wurde dem Finanzamt O***** die Abgangsbestätigung der Natalie D***** von der Universität Wien vorgelegt. Ab diesem Zeitpunkt befürchteten die Angeklagten eine Rückforderung der von Brigitta B***** für ihre Tochter von Oktober 2008 bis August 2009 bezogenen Kinderbeihilfe und die Aberkennung des Kinderabsetzbetrags. Sie erfuhren, dass eine Vormerkung ihrer Tochter beim Arbeitsmarktservice als Arbeit suchend Voraussetzung für den rechtmäßigen Bezug der Familienbeihilfe gewesen wäre. Sie wussten aber auch, dass sich Natalie D***** nicht als Arbeit suchend gemeldet hatte (US 3 f).

Im Jänner 2010 wurde Brigitta B***** der Bescheid des Finanzamts B***** vom 8. Jänner 2010 über die Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags für Oktober 2008 bis August 2009 in Höhe von 2.081,60 Euro zugestellt (US 5).

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Urteil wenden sich die von den Angeklagten Brigitta B***** und Walter B***** gemeinsam ausgeführten, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil eine den Angeklagten zum Nachteil gereichende, von ihnen nicht geltend gemachte Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Der Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB verlangt auf der inneren Tatseite den erweiterten Vorsatz, durch den Befugnismissbrauch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen. Dieses Erfordernis gilt gleichermaßen für Bestimmungs- und Beitragstäter (vgl RIS-Justiz RS0103984; Fabrizy in WK² § 12 Rz 70).

Nach den Feststellungen des Schöffengerichts hatten die Angeklagten aber nicht im Sinn (§ 5 Abs 1 StGB), dass schon durch die Ausstellung der Bestätigung eine Schädigung in einem konkreten Recht bewirkt werde (vgl aber § 302 Abs 1 StGB: „dadurch“). Vielmehr planten sie den Konstatierungen zufolge, (durch Veranlassung der Ausstellung und) durch „die anschließende Vorlage der rückdatierten inhaltlich unrichtigen Bestätigung beim Finanzamt die Republik Österreich an ihrem Recht auf Rückzahlung der zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfe zu schädigen“ (US 7), dh mit Hilfe der unrichtigen Bestätigung einen schweren Betrug zu begehen (§§ 146, 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB). Demnach fehlt es an dem von § 302 Abs 1 StGB geforderten Bezug zwischen Befugnismissbrauch und (vom zumindest bedingten Vorsatz umfasster) Schädigung in einem konkreten Recht.

Das konstatierte Verhalten der Angeklagten als Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB zu beurteilen, war daher verfehlt. Für eine abschließende rechtliche Beurteilung als Vergehen der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt nach § 311 StGB fehlt es an der unmissverständlichen Feststellung eines Willens der beiden Angeklagten (§ 5 Abs 1 StGB), dass die Bestätigung des Arbeitsmarktservice beim Finanzamt zum Beweis der fälschlich beurkundeten Tatsache der Meldung von Natalie D***** als Arbeit suchend gebraucht werde (vgl US 7).

Daher war, ohne dass es einer Erörterung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten bedurfte, das Urteil in den Schuldsprüchen und den Strafaussprüchen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt zu verweisen (§ 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO).

Die Angeklagten waren mit ihren Rechtsmitteln auf diese Entscheidung zu verweisen.

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