European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00091.21B.0824.000
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Betroffene auf die aufhebende Entscheidung verwiesen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des J***** F***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.
[2] Danach hat er von Sommer 2020 bis zum 21. Jänner 2021 in R***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer anhaltend wahnhaften Störung, beruht, gegen A***** F***** und T***** F***** eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er die Genannten ein bis zwei Mal pro Woche durch die sinngemäßen Äußerungen „I hau di nieder“ und „I daschlog di“, während er ihnen mit drohend erhobenen Händen nachlief, mit einer Verletzung (US 3: am Körper) bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und A***** F***** zudem im Herbst 2020 durch Fußtritte am Körper misshandelte, sohin Taten begangen, die als Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen ist im Recht.
[4] Sie zeigt (nominell Z 10, der Sache nach Z 9 lit a; vgl RIS-Justiz RS0132762) zutreffend auf, dass dem Urteil ein Rechtsfehler mangels Feststellungen anhaftet.
[5] Die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB setzt die Begehung einer mit (ein Jahr übersteigender Freiheits‑)Strafe bedrohten Handlung voraus, die nur dann gegeben ist, wenn sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand erfüllt ist (RIS‑Justiz RS0119623, RS0090295).
[6] Nach den Urteilsannahmen handelte der Betroffene mit auf „fortgesetzte Gewaltausübung“ – sohin auf wiederholte Gewaltakte in einer gewissen Regelmäßigkeit – gerichtetem Vorsatz (US 3).
[7] Eine Konstatierung zur subjektiven Tatseite in Bezug auf eine längere Dauer der Gewaltausübung (Schwaighofer in WK² StGB § 107b Rz 27; Winkler, SbgK § 107b Rz 112) ist den Entscheidungsgründen allerdings nicht zu entnehmen.
[8] Schon dieses Feststellungsdefizit erforderte die Aufhebung des Urteils samt Verweisung der Sache an das Erstgericht, sodass sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigte.
[9] Mit Blick auf den zweiten Rechtsgang sei angemerkt, dass die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB (unter anderem) eine ausreichende Feststellungsgrundlage für das Vorliegen einer Prognosetat voraussetzt. Diese ist zumindest ihrer Art nach näher zu umschreiben, um eine Subsumtion unter den Rechtsbegriff einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung mit schweren Folgen zu ermöglichen (RIS‑Justiz RS0113980 [T8, T10], RS0118581 [T9, T10]; vgl auch Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 721; ders in WK² StGB § 21 Rz 27). Diesem Erfordernis wird das Urteil – worauf die Beschwerde ebenfalls zutreffend hinweist – durch Ausführungen wie etwa zum Risiko eines „einschlägigen kriminellen Rückfalls“, einer „Steigerung der Drohungen“ (US 5) oder der Befürchtung „ähnliche[r] Straftaten analog zu den gegenständlichen“ (US 8) nicht gerecht.
[10] Das angefochtene Urteil war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen bereits bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg zu verweisen (§ 285e StPO).
[11] Mit seiner Berufung war der Betroffene auf die aufhebende Entscheidung zu verweisen.
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