European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00082.19A.1017.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruht, wurde Fadil S***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 2. Oktober 2017 in W***** Zumreta D***** zu töten versucht, indem er ihr mit einem Küchenmesser der Marke Solingen mit einer ca 17 cm langen Klinge einen Messerstich in den Rücken versetzte, wobei Zumreta D***** dadurch eine lebensgefährliche Verletzung, nämlich eine Stichwunde im Bereich des Brustkorbs linksseitig, eine Eröffnung der linken und rechten Brusthöhle, verbunden mit Blutansammlungen und Luftansammlungen (Pneumothorax) erlitt.
Die Geschworenen hatten die Hauptfrage nach dem Verbrechen des (versuchten) Mordes nach §§ 15, 75 StGB bejaht und demgemäß Eventualfragen in Richtung absichtlicher schwerer Körperverletzung nach § 87 StGB und schwerer Körperverletzung nach § 84 Abs 4, Abs 5 Z 1 StGB unbeantwortet gelassen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6, 10a und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt:
Die gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge (Z 6) verlangt die deutliche und bestimmte Bezeichnung jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, somit fallbezogen eines die begehrte Frage indizierenden Tatsachensubstrats (RIS‑Justiz RS0119417). Weiters darf der Rechtsmittelwerber den Nachweis der geltend gemachten Nichtigkeit nicht bloß auf der Grundlage einzelner, isoliert aus dem Kontext der Gesamtverantwortung und einer gutachterlichen Expertise insgesamt gelöster Teile davon führen, sondern hat die für die vermisste Fragestellung ins Treffen geführten Verfahrensergebnisse in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0120766).
Nicht an diesen Kriterien orientiert sich die Beschwerdekritik an der Unterlassung der Stellung einer Zusatzfrage nach dem Strafaufhebungsgrund des
Rücktritts vom
Versuch (§ 16 Abs 1 StGB).
Ausgehend von den im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen, wonach der Angeklagte dem Opfer (mit Tötungsvorsatz) mit einem Küchenmesser mit 17 cm langer Klinge einen Stich in den Rücken versetzte, der eine lebensgefährliche Verletzung im Bereich des Brustkorbs mit Eröffnung der Brusthöhle sowie Blut- und Luftansammlungen (Pneumothorax) zur Folge hatte (US 2), bedurfte es nämlich keiner weiteren Handlung des Angeklagten zur Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs, sodass ein beendeter
Versuch vorlag (13 Os 6/19k; 15 Os 44/18m; 15 Os 39/17z; zum fehlgeschlagenen oder misslungenen Versuch vgl Hager/Massauer in WK 2 StGB §§ 15, 16 Rz 157 ff).
Ernst zu nehmende Indizien für einen unbeendeten Versuch bieten weder die – einen Tötungsvorsatz vehement leugnende (ON 95 S 7, 11; ON 118 S 3, 7 f) – Verantwortung des Angeklagten, er habe nach einmaliger linkshändiger Stichführung gegen das Opfer von diesem abgelassen und sei – ohne jede Hilfeleistung – mit dem PKW geflüchtet, noch Depositionen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. M***** zur (bloß) einmaligen Stichführung, deren Heftigkeit und Wucht allerdings ein Vordringen des Messers mit 17 cm langer Klinge in beide Brustkorbhälften ermöglichte (ON 118 S 48 ff), noch solche der Zeugen E*****, U*****, W***** zur Stichführung und zum sofortigen Verlassen des Tatorts.
Ist aber der
Versuch beendet, so ist
Rücktritt nur durch freiwillige Erfolgsabwendung möglich. Um in einem solchen Fall straflos zu werden, muss der Täter die Deliktsvollendung, für die er nach seiner Vorstellung schon alles unternommen hat, durch eine gezielte Gegenaktion (contrarius actus) abwenden, wobei ihm dies auch tatsächlich gelingen muss (Hager/Massauer in WK2 StGB §§ 15, 16 Rz 168). Das Vorliegen von Indizien für eine gelungene freiwillige Erfolgsabwendung behauptet die Beschwerde nicht einmal.
Der einen Tötungsvorsatz leugnenden Verantwortung des Angeklagten wurde durch die Stellung der Eventualfragen Rechnung getragen. Mit dem Hinweis auf diese Verantwortung (er habe D***** nicht töten, sondern nur im Oberschenkel‑ oder Gesäßbereich verletzen wollen, er habe als Rechtshänder den Stich mit der linken Hand ausgeführt und sei dann sofort zu seinem Auto gelaufen), auf Aussagen der Zeugen E*****, U*****, W***** und das gerichtsmedizinische Gutachten des Sachverständigen Dr. M***** gelingt es der Tatsachenrüge (Z 10a) nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken (vgl RIS‑Justiz RS0118780) gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.
Die
Sanktionsrüge (Z 13 zweiter Fall) wendet sich gegen die (im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen erfolgte) Berücksichtigung des Umstands, „dass die massiven Tatfolgen beim Opfer auch derzeit noch andauern“, welchen das Erstgericht bei der Beurteilung der Erheblichkeit der erfolgten Rechtsgutbeeinträchtigung (Erfolgsunwert) in den Blick nahm (US 3).
Selbst wenn mit dieser Formulierung – wie die Beschwerde vermeint – (auch) die im Wahrspruch der Geschworenen festgestellte Schwere der eingetretenen Verletzung als solche (hier: lebensgefährliche Stichwunde mit Eröffnung der linken und rechten Brusthöhle mit Blutansammlungen und Pneumothorax; US 2) in Anschlag gebracht werden sollte, bewirkt dies keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, weil die Unterstellung der Tat unter § 75 StGB in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 Abs 1 StGB weder den Eintritt einer tatsächlichen Verletzung noch gar andauernde Verletzungsfolgen voraussetzt (RIS‑Justiz RS0090934).
Bloß ein Berufungsvorbringen wird mit dem Einwand erstattet, die Feststellung, das Opfer leide bis dato an den bei der Tat erlittenen Folgen, widerspreche den erhobenen Beweisen und entbehre einer Beweisgrundlage (RIS‑Justiz RS0099869).
Mit dem weiteren Vorbringen, „da die Verletzungsfolgen im angefochtenen Urteil […] nicht spezifiziert wurden, kann die Bezogenheit der Verletzungsfolgen auf ein Beweisergebnis nicht nachvollzogen werden und ist das angefochtene Urteil unbestimmt“, wird ein Nichtigkeit des Sanktionsausspruchs begründender Umstand im Sinn einer rechtlich verfehlten Bewertung einer Strafzumessungstatsache (Z 13 zweiter Fall) nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm §§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2, 344 StPO). Die Anfechtung des Sanktionsausspruchs wegen Nichtigkeit nach Art einer Mängel‑ oder Tatsachenrüge wäre jedenfalls nur hinsichtlich für die Sanktionsbefugnis entscheidender Tatsachen (§ 345 Abs 1 Z 13 erster Fall iVm § 281 Abs 1 Z 5, 5a StPO) möglich (RIS‑Justiz RS0118581). Im Zusammenhang mit § 345 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StPO hingegen kann die einwandfreie Sachverhaltsermittlung (ohne Behinderung durch das Neuerungsverbot) nur mit Berufung eingefordert werden (RIS‑Justiz RS0099869).
Mit dem Verweis auf die Ausführungen in der Strafberufung, welche im Rechtsmittel „ausdrücklich auch zum Inhalt der Nichtigkeitsbeschwerde … erhoben“ werden, wird der herangezogene Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungsförmig zur Ausführung gebracht (RIS‑Justiz RS0116879). Nichtigkeitsgründe einerseits sowie Nichtigkeits‑ und Berufungsgründe andererseits sind nämlich wesensmäßig verschieden und müssen daher getrennt ausgeführt werden (RIS‑Justiz RS0115902; 11 Os 37/19d).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO). Zufolge der Einmaligkeit des Rechtsmittels der Nichtigkeitsbeschwerde war auf die eigenhändig verfasste „Beschwerde“ des Angeklagten vom 9. Juli 2019 nicht einzugehen (RIS‑Justiz RS0100152).
Die Erledigung der Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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