European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00028.23S.0419.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Sexualdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * C* des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (1./) des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3 und 4 zweiter Fall StGB (2./), des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 vierter Fall StGB (3./) sowie des Vergehens der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB (4./) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB (idF BGBl I 2010/111) in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
[2] Danach hat er in G*
1./ Anfang Jänner 2021 * S* vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihr Schläge mit der Faust im Bereich der Schulter und des Ohres versetzte, wodurch sie Hämatome erlitt;
2./ im Zeitraum von Jänner 2021 bis 27. April 2022 gegen S* durch gefährliche Drohungen mit einer Verletzung am Körper oder einer erheblichen Verstümmelung längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, wobei er durch die Taten eine umfassende Kontrolle des Verhaltens und eine erhebliche Einschränkung der autonomen Lebensführung der Genannten bewirkt und diese Gewalt länger als ein Jahr ausgeübt hat, indem er, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, in zahlreichen Angriffen zu ihr sagte, er werde sie umbringen und ihr die Augen ausstechen;
3./ in der Nacht auf den 28. April 2022 mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben S* zur Duldung dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen, nämlich des Analverkehrs in zwei Angriffen, sowie zur Vornahme dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen, nämlich des Oralverkehrs an ihm in zwei Angriffen, genötigt, indem er sie mit dem Gesicht auf die Couch drückte, an ihren Haaren zerrte und ihr eine Ohrfeige versetzte sowie ankündigte, sie zu schlagen und sie umzubringen, wobei die Genannte in besonderer Weise erniedrigt wurde, indem der Angeklagte ihr ins Gesicht ejakulierte;
4./ am Morgen des 28. April 2022 mit S* gegen deren Willen und nach vorangegangener Einschüchterung eine den Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er sie im Wissen um ihr Nicht‑Wollen und ihre Angst vor ihm zur Durchführung des Oralverkehrs an ihm veranlasste und in ihren Mund ejakulierte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Als einander widersprechend erachtet die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) die Feststellungen, wonach der Angeklagte einerseits im Zeitraum von Jänner 2021 bis 27. April 2022 S* „rund einmal pro Woche“ mit einer Verletzung am Körper und teils mit einer erheblichen Verstümmelung bedrohte, indem er ihr gegenüber äußerte, er werde sie umbringen oder er werde ihr die Augen ausstechen (US 4 f), andererseits im März 2022 für rund einen Monat nach Rumänien und in die Schweiz reiste und am 27. April 2022 von seinem Auslandsaufenthalt zurückkehrte (US 6). Mit Blick auf die festgestellte Dauer, Dichte und Intensität der Gewaltausübung während des übrigen Tatzeitraums (US 4 ff, zur subjektiven Tatseite vgl US 5 f), welche selbst bei einer einmonatigen Unterbrechung die erforderliche Regelmäßigkeit der Gewalt nicht beseitigt (vgl RIS‑Justiz RS0129716 [T1, T2]; Schwaighofer in WK2 StGB § 107b Rz 23), bekämpft die Rüge der Sache nach lediglich einzelne Ausführungshandlungen einer tatbestandlichen Handlungseinheit, ohne dabei die rechtliche Beurteilung zu tangieren. Damit spricht sie aber keine für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage entscheidenden Tatsachen an (RIS‑Justiz RS0127374, RS0117499). Im Übrigen ist ein Urteil im hier angesprochenen Sinn nur dann mit sich im Widerspruch, wenn festgestellte Tatsachen nach den Kriterien der Logik und Empirie nicht nebeneinander bestehen können (RIS‑Justiz RS0117402 [T15]). Das ist gegenständlich nicht der Fall, weil Drohungen auch ohne persönliche Anwesenheit von Täter und Opfer erfolgen können (RIS‑Justiz RS0092551).
[5] Ebenfalls – aus den zuvor genannten Gründen – keine entscheidende Tatsache spricht die Beschwerde (Z 5 dritter Fall) an, indem sie unter Verweis auf den einmonatigen Auslandsaufenthalt des Angeklagten die Feststellungen, wonach das Opfer Telefonate nur über das Mobiltelefon des Angeklagten durchführen durfte, ihm der Kontakt zu Geschwistern in Rumänien untersagt wurde und es nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren durfte (US 5), mit dem Argument bekämpft, der Angeklagte habe zwischen März und April 2022 keinen unmittelbaren Einfluss auf das Opfer nehmen können.
[6] Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit den Hinweisen, das Opfer habe von sich aus angegeben, dass sich der Angeklagte in eine andere Frau verliebt habe und sei darüber betroffen gewesen, es habe den Tathergang zu 3./ widersprüchlich (vgl zu Abweichungen in den Angaben der Zeugin S* aber US 11) und jenen zu 4./ erst über konkrete Nachfrage der Richterin geschildert, keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0118780). Dies gilt auch für den Verweis auf Aussagen der Zeugin * I* über Wahrnehmungen zu Verletzungen des Opfers.
[7] Soweit die Beschwerde behauptet, das Erstgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass sich das Opfer „allenfalls“ beim Angeklagten rächen wollte, weil dieser eine andere Frau kennengelernt habe, bekämpft sie die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung (RIS‑Justiz RS0099674). Gleiches gilt für eigenständige Überlegungen zu mehreren von der Zeugin S* gegebenen – und von der Beschwerde als widersprüchlich erachteten – Antworten betreffend Anal‑ und Oralverkehr, für die Behauptung, aus der Aussage des Opfers in Gesamtschau der Umstände resultiere, dass sich der Angeklagte „offenbar in Österreich sogar zurückziehen wollte und Angst vor einer weiteren Anzeige durch das Opfer“ gehabt habe, und der Meinung, Aussagen des Opfers zu seinen Möglichkeiten, sich ein Handy zu kaufen oder alleine spazieren zu gehen, sowie zu weiteren (großteils ohnehin nicht entscheidungswesentlichen) Umständen seien „nicht nachvollziehbar“, „widersprüchlich“, „irritierend“ oder „zu hinterfragen“.
[8] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu 2./ nimmt nicht an den getroffenen Feststellungen Maß, aus denen sich eine Unterbrechung der Drohungen während des Auslandsaufenthalts nicht ableiten lässt. Darüber hinaus erklärt sie nicht, weshalb nach Maßgabe der Feststellungen zu Dauer, Dichte und Intensität der Gewaltausübung während des konstatierten Tatzeitraums (US 4 ff) bei einer Unterbrechung von einem Monat das Kriterium der Regelmäßigkeit der Gewalt – auch bezogen auf die Qualifikationen des § 107b Abs 3 und 4 zweiter Fall StGB – im gegenständlichen Fall nicht mehr vorliegen sollte (vgl abermals RIS‑Justiz RS0129716 [T1, T2]; Schwaighofer in WK2 StGB § 107b Rz 23).
[9] Soweit die Beschwerde (nominell „Z 11“ iVm Z 5) ausdrücklich anstrebt, den Inhalt der Gefährlichkeitsprognose anzufechten, das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen als „nicht nachvollziehbar“ sowie „mangelhaft und unrichtig“ bezeichnet und eigene Überlegungen zu Persönlichkeitsstörungen und ‑veränderungen und dem Vorleben des Angeklagten anstellt, zeigt sie keine Nichtigkeit auf (RIS‑Justiz RS0113980, RS0118581).
[10] Warum die Prognosetaten durch die Feststellung, es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass der Angeklagte unter dem Eindruck einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen und dissozialen Elementen neuerlich mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen wie insbesondere fortgesetzte schwere Gewaltausübungen oder Vergewaltigungen „nach Art der hier abgeurteilten“ begehen werde (US 9), nicht ausreichend determiniert sein sollen, legt die Beschwerde (Z 11 zweiter Fall) nicht dar.
[11] Mit der Behauptung, das Erstgericht habe im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose die Art der (Anlass‑)Tat „vernachlässigt“, wird lediglich ein Berufungsvorbringen erstattet (RIS‑Justiz RS0116498).
[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[13] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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