Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
In der Strafsache der Privatankläger Dr. Gregor S***** und Dr. Karl V***** gegen Mag. Ewald St*****, AZ 91 Hv 7/05y des Landesgerichts für Strafsachen Wien, wurde der Angeklagte Mag. Ewald St***** mit Urteil dieses Gerichts vom 11. März 2008 (ON 89) des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt und nach § 111 Abs 2 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Antrag der Privatankläger auf Urteilsveröffentlichung (§ 34 Abs 1 MedienG) wurde hingegen abgewiesen.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat Mag. Ewald St***** in der am 4. Dezember (richtig [US 11]:) 2004 auf ORF 2 ausgestrahlten Fernsehsendung „Volksanwalt - gleiches Recht für alle“, mithin in einem Medium, den Masseverwalter im Konkurs der Firma „A*****“ Dr. Karl V***** und den Richter in diesem Konkursverfahren Dr. Gregor S***** unehrenhafter Verhaltensweisen bezichtigt - ihnen nämlich durch im Einzelnen näher wiedergegebene Äußerungen im Wesentlichen vorgeworfen, durch pflichtwidriges bzw amtsmissbräuchliches Zusammenwirken mit der B***** AG (B*****) das genannte Unternehmen zu dessen Schaden „durch einen schnellen und unberechtigten Konkurs einem ausländischen Konzern weit unterpreisig zuzuschanzen“ -, die geeignet waren, sie in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen.
Den gegen dieses Urteil erhobenen Berufungen des Privatanklägers Dr. Gregor S***** wegen Nichtigkeit und des Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld und die Strafe gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 7. September 2009, AZ 18 Bs 69/09t (ON 114 des Hv-Akts), nicht Folge.
Gegen die erwähnten Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht richtet sich, gestützt auf die Behauptung einer Verletzung in den Grundrechten auf ein faires Verfahren nach Art 6 Abs 1 sowie Art 6 Abs 3 lit d MRK und auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK sowie im Grundrecht nach Art 7 Abs 1 zweiter Satz MRK, der Antrag des Verurteilten Mag. Ewald St***** auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO per analogiam (RIS-Justiz RS0122228) iVm § 41 Abs 1 MedienG.
Rechtliche Beurteilung
Der Antrag schlägt fehl.
1./ Zur behaupteten Verletzung im Grundrecht auf ein faires Verfahren (Art 6 Abs 1 und Abs 3 lit d MRK):
Für einen - wie hier vorliegenden - nicht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützten Erneuerungsantrag, bei dem es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß (RIS-Justiz RS0122737). Demnach hat - da die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur dann anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter EMRK4 § 13 Rz 13) - auch ein Erneuerungsantrag nach § 363a StPO per analogiam deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine (vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende) Grundrechtsverletzung iSd § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0122737 [T17]). Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0124359).
Diesen Anforderungen wird der Erneuerungsantrag nicht gerecht. Denn mit dem eine Verletzung des Fairnessgebots nach Art 6 Abs 1 MRK behauptenden Vorbringen, das Berufungsgericht habe „keinen Anlass“ gesehen, der in der Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe vorgebrachten Rüge einer unangemessen langen Verfahrensdauer „hinreichend und ausdrücklich Rechnung zu tragen“, orientiert sich der Erneuerungswerber nicht an den Urteilserwägungen des Berufungsgerichts. In diesen wurde vielmehr dezidiert ausgeführt, dass die (zutreffend geltend gemachte) lange Verfahrensdauer dem Angeklagten mildernd anzurechnen ist und - ausdrücklich konkret sanktionsbezogen - eine Minderung der verhängten Strafe im Umfang von 60 Tagessätzen rechtfertigen würde, woraus indes eine Reduktion der Sanktion in Anbetracht des hinzutretenden - an sich eine Geldstrafe von (zumindest) 120 Tagessätzen rechtfertigenden und jenen zusätzlichen Milderungsgrund ausgleichenden - Erschwerungsumstands (im Detail erörterter) exzeptioneller Schwere der Tat nicht resultiere (US 27 f). Da somit die behauptete Grundrechtsverletzung anerkannt und ausdrücklich, messbar und im Licht der Judikatur des EGMR ausreichend ausgeglichen wurde - wobei dem Sinn des Art 6 MRK hinreichend Rechnung tragend als Maßstab für den Ausgleich zutreffender Weise die (hier: sachgerecht) insgesamt hypothetisch als angemessen angesehene Strafe angenommen werden durfte, während prozessuale Aspekte des Rechtsmittelverfahrens (hier: mangelnde Straferhöhungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts) außer Betracht bleiben konnten, zumal eine Konventionsverletzung auch durch Zusammenwirken verschiedener Instanzen ausgeglichen werden kann - fehlt es dem Verurteilten an der fortdauernden Opfereigenschaft iSd Art 34 MRK (RIS-Justiz RS0125374).
Das Vorbringen des Erneuerungswerbers zur behaupteten Verletzung im - speziell das Fragerecht gegenüber Zeugen garantierenden - Fairnessgebot nach Art 6 Abs 3 lit d MRK durch die Abweisung bzw Nichterledigung von in der Hauptverhandlung vom 27. Februar 2007 gestellten Beweisanträgen beschränkt sich auf die bloße - nahezu wortgleiche - Wiederholung des Vorbringens in der Berufung wegen Nichtigkeit (ON 98 S 133 ff) ohne (substantielle) Auseinandersetzung mit den - eingehenden - Begründungserwägungen des Oberlandesgerichts (US 18 bis 21). Auch dieses Vorbringen genügt daher den zuvor aufgezeigten Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht (neuerlich RIS-Justiz RS0124359; vgl auch zum GRBG RIS-Justiz RS0110146 [T22], RS0106464).
Es ist daher nur der Vollständigkeit halber anzumerken, dass das durch Art 6 Abs 3 lit d MRK einem Angeklagten garantierte Recht auf Befragung oder Ladung von Zeugen nicht absoluter Natur ist; eine Verletzung des in Rede stehenden Konventionsrechts liegt vielmehr nur dann vor, wenn der Beschwerdeführer nachweist, dass eine Frage nicht zugelassen oder ein Zeuge nicht gehört wurde, obwohl die Erheblichkeit der Frage bzw der zu erwartenden Aussage dem Tatrichter nach den Umständen des Falls ersichtlich war oder sein musste, der Beschwerdeführer mithin seiner Obliegenheit, iSd zu § 281 Abs 1 Z 4 StPO entwickelten Judikatur sein Begehren mit Blick auf eine Förderung der Wahrheitsfindung zu konkretisieren (vgl nunmehr auch § 55 Abs 1 und 2 StPO), entsprochen hat (Frowein/Peukert EMRK³ Art 6 Rz 313; RIS-Justiz RS0074996 [T1]).
Demgemäß ist die Aufnahme der vom Angeklagten begehrten Beweise ohne Verletzung des hier in Rede stehenden Konventionsrechts nach Art 6 Abs 3 lit d MRK unterblieben:
Denn die Anträge auf Vernehmung der Zeugen Helmut E***** und Walter F***** sowie Dipl.-Ing. Stefan P***** jeweils „zum Beweis der Wahrheit der inkriminierten Äußerungen“ (ON 72, S 315 f) sowie der Zeugen Dr. Werner M*****, Mag. Florian M*****, Dr. Christoph F*****, Mag. Norbert N***** und Dr. Sylvia Pa***** „zu Wahrnehmungen zu dem persönlichen Naheverhältnis zwischen den beiden Privatanklägern und zwischen jedem der beiden Privatankläger und Mitarbeitern der B***** bzw ihrem Rechtsvertreter“ (ON 36 S 21 iVm ON 88, S 11) entbehrten der erforderlichen deutlichen und bestimmten Bezeichnung des Beweisthemas (nunmehr § 55 Abs 1 zweiter Satz StPO; RIS-Justiz RS0099498).
Weshalb der weiters unter Beweis gestellte Umstand, dass der Zeuge Dipl.-Ing. Stefan P***** „1994 von der B***** als Sanierer von A***** abgelehnt wurde, weil er der B***** im Weg gewesen sei“ (ON 72, S 317), sowie die - durch die beantragte Vernehmung der Zeugen Alois H***** und Roland U***** unter Beweis gestellten - näheren Umstände der Veräußerung von Einrichtungsgegenständen aus dem Vermögen des Alois R***** durch den Zwangsausgleich-Sachwalter an eine Cousine des Privatanklägers Dr. Karl V***** (ON 36, S 19 iVm ON 88, S 11) - was jeweils nicht offensichtlich ist - für die Schuld- oder Subsumtionsfrage von Bedeutung sein sollten, wurde vom Angeklagten nicht dargelegt (nunmehr § 55 Abs 1 und 2 StPO; RIS-Justiz RS0118444).
Die weiters unter Beweis gestellte Tatsache eines durch die Privatankläger ausgeübten Drucks auf den Prokuristen Christoph Pi***** zur Erklärung seiner Zustimmung zur Konkurseröffnung (ON 18, S 75f iVm ON 88, S 11) lässt den - für die Frage der ohne Willensmängel zu Stande gekommenen Zustimmung wesentlichen - im Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien festgestellten Tatumstand zuvor erfolgter eingehender Rücksprache des Prokuristen mit seinem Rechtsanwalt (US 15, 34) unberührt und betraf daher keine entscheidende oder auch nur erhebliche Tatsache. Der durch den Zeugen Dr. Thomas E***** unter Beweis gestellte Umstand einer Einladung des Dr. Gregor S***** zu einer Feier der B***** (ON 45, S 165 iVm ON 88, S 11) schließlich wurde im Ersturteil ausdrücklich festgestellt (US 17; nunmehr § 55 Abs 2 Z 3 StPO; Ratz WK-StPO § 281 Rz 342 mwN).
2./ Zur behaupteten Verletzung im Grundrecht nach Art 7 Abs 1 zweiter Satz MRK:
Der Erneuerungswerber sieht das in Rede stehende Grundrecht (Verbot der Verhängung einer höheren als im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohten Strafe) durch das Unterbleiben eines Ausspruchs der Haftung des Medieninhabers gemeinsam mit dem Verurteilten für die Geldstrafe und die Verfahrenskosten (wie noch im am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen § 35 MedienG vorgesehen) verletzt. Denn dem Verurteilten sei dadurch zum einen die Rechtswohltat der - ein gesetzliches Regressrecht nach § 896 ABGB nach sich ziehenden - Mithaftung des Medieninhabers (§ 35 Abs 1 MedienG) genommen worden; zum anderen sei nach § 35 Abs 3 MedienG die Ersatzfreiheitsstrafe gegen den Verurteilten nur im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe auch beim Medieninhaber zu vollziehen.
Dem kommt keine Berechtigung zu:
Denn Art 7 Abs 1 zweiter Satz MRK ist in sachlicher Hinsicht auf die Verhängung von Strafen beschränkt; einer nachträglichen Verschärfung des Vollzugs von Strafen steht die Konventionsgarantie daher nicht entgegen (Grabenwarter EMRK4 § 24 Rz 130 mwN).
Damit wird durch die Nichtanwendung des § 35 MedienG der Anwendungsbereich des hier in Rede stehenden Konventionsrechts nicht nur in Betreff der den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe regelnden Bestimmung des § 35 Abs 3 MedienG, sondern auch der Haftungsregelung nach § 35 Abs 1 MedienG schon von vornherein nicht berührt. Denn die in der (mit 1. Jänner 2006 außer Kraft getretenen [BGBl I 2005/151]) Bestimmung des § 35 MedienG normierte Haftung begründete eine bloß formell, nicht aber materiell eigene Schuld des Medieninhabers. Der Zweck dieser Haftungsverpflichtung war solcherart nicht in einer Entlastung des Täters (eines Medieninhaltsdelikts), sondern in der Minimierung des Einbringlichkeitsrisikos des Geschädigten gelegen. Dem eine solche Schuld begleichenden Medieninhaber stand daher grundsätzlich voller Rückersatz nach § 1358 ABGB zu, was eine Minderung nach § 896 (sowie §§ 1302 und 1304) ABGB ausschließt (RIS-Justiz RS0118081 = 8 Ob 88/03d; JAB zur Mediengesetznovelle 2005 [BGBl I 2005/49] 874 BlgNR 22. GP 1 f; Polley in Berka/Höhne/Noll/Polley MedienG² § 35 Rz 15). Der Entfall der (somit reinen Haftungs-)Bestimmung des § 35 MedienG bedeutet daher bloß den Wegfall von vorläufigen Vollzugsbegünstigungen für den Verurteilten, nicht aber eine Verschärfung der (dadurch gänzlich unberührt bleibenden) Strafe.
Dass bloß der Vollzug der Strafe betroffen ist, legt der Erneuerungswerber in seiner Äußerung gemäß § 24 StPO selbst dar, indem er vorbringt, der Verurteilte würde sich den Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe (nicht also deren Verhängung) ersparen (richtig: nur dann, wenn die Geldstrafe beim Medieninhaber eingebracht werden kann).
Der Ausspruch einer gesetzlich nicht (mehr) vorgesehenen Haftung des Medieninhabers würde im Übrigen in konventionswidriger Weise in dessen Recht auf Eigentum (Art 1 des 1. ZPMRK) eingreifen.
Der Vollständigkeit halber bleibt anzumerken, dass § 35 MedienG auch im Tatzeitpunkt (Dezember 2004) nicht anzuwenden war: Jene die Einfügung der Bestimmungen der §§ 33 Abs 2a und 34 Abs 3a MedienG sowie - vorliegend von Interesse - des § 35 Abs 4 MedienG mit der Mediengesetznovelle 2005 (BGBl I 2005/49) bedingenden, grundlegenden legistischen Bedenken (vgl MatRV 784 BlgNR 22. GP 17 f; JAB 874 BlgNR 22. GP 1 f) einer mit Blick auf die Rechtsprechung des EGMR zu Art 10 MRK mangelnden Konventionskonformität (der Urteilsveröffentlichung und Einziehung sowie) der Haftung des Medieninhabers auch bei Vorliegen des Ausschlussgrundes - hier vom Landesgericht für Strafsachen Wien und vom Oberlandesgericht Wien ausdrücklich bejahter (US 41 f; 28 ff) - gerechtfertigter und wahrheitsgetreuer Wiedergabe der Äußerung eines Dritten (§ 6 Abs 2 Z 4 MedienG) bedingen eine verfassungskonforme Interpretation dahin, dass § 35 MedienG (auch vor dem bereits erwähnten Haftungsausschluss in § 35 Abs 4 MedienG idF der Mediengesetznovelle 2005) auf die gerechtfertigte und wahrheitsgetreue Wiedergabe der Äußerungen Dritter iSd § 6 Abs 2 Z 4 MedienG nicht anzuwenden war. Der Äußerung des Erneuerungswerbers gemäß § 24 StPO zuwider können Jahre später erfolgende legislative Novellierungsmaßnahmen kein Kriterium zur Erforschung des Willens des ursprünglichen historischen Gesetzgebers sein.
3./ Zur behaupteten Verletzung im Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK:
Das Postulat des Erneuerungswerbers, wonach entsprechend dem im Strafprozess geltenden Grundsatz „in dubio pro reo“ bei der Feststellung des Bedeutungsinhalts einer Veröffentlichung von der für den Angeklagten günstigsten Variante auszugehen sei, trifft nur unter der - hier nach den auch dem Urteil des Berufungsgerichts (siehe dort US 14 bis 16) zugrunde gelegten Feststellungen des Landesgerichts für Strafsachen Wien (US 27 ff) gerade nicht vorgelegenen - Prämisse zu, dass vom erkennenden Gericht bei seiner Beweiswürdigung mehrere verschiedene Auslegungen zur Beurteilung des Sinngehalts einer Aussage nicht ausgeschlossen werden können (RIS-Justiz RS0123503).
Indem der Erneuerungswerber im Übrigen mit der Behauptung eines zureichenden Tatsachensubstrats für inkriminierte Wertungen und eines gelungenen Wahrheitsbeweises die gegenteiligen Tatsachenannahmen des Erstgerichts (US 33 bis 38) bestreitet, zeigt er weder Begründungsmängel auf noch vermag er erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der getroffenen Feststellungen zu wecken und verfehlt somit den Bezugspunkt des geltend gemachten Rechtsbehelfs (RIS-Justiz RS0125393; RS0110146 zu § 10 GRBG).
Der somit unbegründete Erneuerungsantrag war daher zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG).
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